Schreibtische für Reisende und nautische Kleinmöbel
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam das Reisen bei reichen jungen Männern in Mode. Um auch hier ihre Korrespondenz führen zu können, waren kleine transportable Schreibkästchen notwendig. Im Kunsthandel werden diese Stücke häufig als „Holländisch“ bezeichnet, viele dieser Möbel wurden auch in England hergestellt. Überall dort, wo Kolonien bereist werden mussten, wo es üblich war, dass junge Männer die „Grand Tour“ machten, eine lange Reise durch Europa, vorzugsweise mit längerem Aufenthalt in Italien oder den Kolonien. Natürlich reisten die wohlhabenden Jungherren nicht alleine. Diener kamen mit, um das Gepäck zu tragen. Vertrauenspersonen begleiteten die Herren auf Reisen, um sie zu unterstützen und ihnen zu dienen. Das gesamte Gepäck war am Ende der Reise meist um ein Vielfaches angewachsen, mussten doch Souvenirs, Steine oder Proben nach Hause transportiert werden.
Die sogenannte „Grand Tour“ war eine Bildungsreise für junge, meist männliche Adelige, später dann auch für jene des gehobenen Bürgertums. In England war es im 18. Jahrhundert üblich, quasi als Abschluss der Erziehung, eine mehrjährige Reise zu unternehmen. Besucht wurden in Mitteleuropa antike Stätten, aufstrebende Städte, besondere Sehenswürdigkeiten oder außergewöhnliche Naturdenkmäler. Vor Ort wurden die jungen Reisenden samt ihren Begleitungen wie Dienern und Köchen von einheimische Führer beraten, die diese frühen Touristen in Sitten und Gebräuche der jeweiligen Region einzuführen. Weiters halfen die ortskundigen Reiseleiter bei Sprachbarrieren, Zollformalitäten, dem Devisentausch sowie medizinischen Notfällen.
Nach der Französischen Revolution erlosch das Interesse des Adels an der Grand Tour, nun ging vermehrt das Großbürgertum auf Bildungsreise. Die Verbreitung der besten Reiseziele gelang durch Reiseberichte und Reiseliteratur, die nun in großer Zahl verbreitet wurden.
Zur Ausrüstung der Reisenden gehörte ein stabiles Gepäck für die große Zahl an Gegenständen, die mitgeführt wurden. Neben Bettzeug, Besteck, Geschirr und Kleidung wurde Wert auf Schreibutensilien gelegt, um die Daheimgebliebenen mit Reiseberichten erfreuen zu können.
Die Gruppe an Schreibmöbeln der Schell Collection zeichnet sich durch massives Holz, meist Mahaghoni oder Walnuss, und durchbrochene Messingbeschläge aus. Mit ähnlicher Größe (einer Ausnahme) bestechen die funktionalen kleinen Schreibtische durch verschiedene Innenfächer, wobei die Anzahl an Geheimfächern variieren kann. Dazu kommt noch die immer gleiche Befestigung dieser Kästen auf dem Untergrund. Durch die Seitenwände werden große Schrauben geführt, die unten meist in einem Vierkant enden. Mit Hilfe dieser Schrauben wurden die Kleinmöbel fixiert um auf dem Schiff, bei rauer See nicht in Bewegung zu geraten. An Land auf einer Unterlage befestigt, konnten die Schrauben einen Diebstahl des Schreibmöbels verhindern.
Die Messingbeschläge waren anders als jene aus Eisen, immun gegen den Rost, der durch die Feuchtigkeit auf dem Meer überall zugegen war.
Öffnen: Nach dem Aufsperren des Schlosses, das zusätzlich durch ein Vexier geschützt sein kann, lässt sich der Deckel nach oben heben und die vordere Wand, wiederum nach dem Lösen einer Arretierung, nach vorne klappen. Dahinter erscheinen Laden mit Ziehern, hinter und zwischen denen die Geheimfächer verborgen sind. Häufig ist auch im Deckel noch ein Fach untergebracht.
Eines der mobilen Schreibmöbel (auf dem Bild die oberste Kassette), hat auf der Unterseite das Siegel des Erzherzogs Viktor Ludwig, des jüngsten Bruders von Kaiser Franz Josef. Das Siegel seines Dienstkämmerers zeigt unter einer Krone ein Wappenschild und den Orden des Goldenen Vlies. Viktor Ludwig galt als exzentrisch, wurde besachwaltet und Teile seines Mobiliars vom Schloss Kleßheim in Salzburg wurden im Mai 1921, zwei Jahre nach seinem Tod, durch das Dorotheum versteigert. Möglich, dass damals auch dieses Schreibmöbel aus dem ehemaligen Besitz des Erzherzogs unter den Hammer kam.
Die Nuss- und Wurzelholz furnierte Kassette zeigt im Schloss eine fünfzackige Krone. Ansonsten ist das Kästchen in die gleiche Reihe der anderen, fast gleich großen Schreibmöbeln, einzuordnen, auch die Anordnung der Laden und Geheimfächer ist fast ident.
Das größte der Schreibmöbel hat die beachtliche Größe von 77 x 44 x 46 cm. Überreich mit durchbrochenen Messingbeschlägen verziert, müssen zwei Überfallenschlösser mithilfe eines Vexiers und zwei verschiedenen Schlüsseln gesperrt werden. Im Inneren finden sich sechs Schubladen und sieben Geheimfächer. Ein kurzes Video auf der Homepage https://www.schell-collection.com/blick-ins-museum/videos/ zeigt das Öffnen der Truhe samt den verborgenen Laden und Fächern.
Text: Mag. Martina Pall
Auf dem ersten Bild, von oben nach unten:
Inv. Nr. 1402, 42,5 x 26,8 x 20,9 cm
Inv. Nr. 7206, 42 x 27,5 x 22 cm
Inv. Nr. 3596, 43,5 x 26,7 x 25,8 cm
Inv. Nr: 7207, 77 x 44 x 46 cm
Schreibtische für Reisende und nautische Kleinmöbel
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam das Reisen bei reichen jungen Männern in Mode. Um auch hier ihre Korrespondenz führen zu können, waren kleine transportable Schreibkästchen notwendig. Im Kunsthandel werden diese Stücke häufig als „Holländisch“ bezeichnet, viele dieser Möbel wurden auch in England hergestellt. Überall dort, wo Kolonien bereist werden mussten, wo es üblich war, dass junge Männer die „Grand Tour“ machten, eine lange Reise durch Europa, vorzugsweise mit längerem Aufenthalt in Italien oder den Kolonien. Natürlich reisten die wohlhabenden Jungherren nicht alleine. Diener kamen mit, um das Gepäck zu tragen. Vertrauenspersonen begleiteten die Herren auf Reisen, um sie zu unterstützen und ihnen zu dienen. Das gesamte Gepäck war am Ende der Reise meist um ein Vielfaches angewachsen, mussten doch Souvenirs, Steine oder Proben nach Hause transportiert werden.
Die sogenannte „Grand Tour“ war eine Bildungsreise für junge, meist männliche Adelige, später dann auch für jene des gehobenen Bürgertums. In England war es im 18. Jahrhundert üblich, quasi als Abschluss der Erziehung, eine mehrjährige Reise zu unternehmen. Besucht wurden in Mitteleuropa antike Stätten, aufstrebende Städte, besondere Sehenswürdigkeiten oder außergewöhnliche Naturdenkmäler. Vor Ort wurden die jungen Reisenden samt ihren Begleitungen wie Dienern und Köchen von einheimische Führer beraten, die diese frühen Touristen in Sitten und Gebräuche der jeweiligen Region einzuführen. Weiters halfen die ortskundigen Reiseleiter bei Sprachbarrieren, Zollformalitäten, dem Devisentausch sowie medizinischen Notfällen.
Nach der Französischen Revolution erlosch das Interesse des Adels an der Grand Tour, nun ging vermehrt das Großbürgertum auf Bildungsreise. Die Verbreitung der besten Reiseziele gelang durch Reiseberichte und Reiseliteratur, die nun in großer Zahl verbreitet wurden.
Zur Ausrüstung der Reisenden gehörte ein stabiles Gepäck für die große Zahl an Gegenständen, die mitgeführt wurden. Neben Bettzeug, Besteck, Geschirr und Kleidung wurde Wert auf Schreibutensilien gelegt, um die Daheimgebliebenen mit Reiseberichten erfreuen zu können.
Die Gruppe an Schreibmöbeln der Schell Collection zeichnet sich durch massives Holz, meist Mahaghoni oder Walnuss, und durchbrochene Messingbeschläge aus. Mit ähnlicher Größe (einer Ausnahme) bestechen die funktionalen kleinen Schreibtische durch verschiedene Innenfächer, wobei die Anzahl an Geheimfächern variieren kann. Dazu kommt noch die immer gleiche Befestigung dieser Kästen auf dem Untergrund. Durch die Seitenwände werden große Schrauben geführt, die unten meist in einem Vierkant enden. Mit Hilfe dieser Schrauben wurden die Kleinmöbel fixiert um auf dem Schiff, bei rauer See nicht in Bewegung zu geraten. An Land auf einer Unterlage befestigt, konnten die Schrauben einen Diebstahl des Schreibmöbels verhindern.
Die Messingbeschläge waren anders als jene aus Eisen, immun gegen den Rost, der durch die Feuchtigkeit auf dem Meer überall zugegen war.
Öffnen: Nach dem Aufsperren des Schlosses, das zusätzlich durch ein Vexier geschützt sein kann, lässt sich der Deckel nach oben heben und die vordere Wand, wiederum nach dem Lösen einer Arretierung, nach vorne klappen. Dahinter erscheinen Laden mit Ziehern, hinter und zwischen denen die Geheimfächer verborgen sind. Häufig ist auch im Deckel noch ein Fach untergebracht.
Eines der mobilen Schreibmöbel (auf dem Bild die oberste Kassette), hat auf der Unterseite das Siegel des Erzherzogs Viktor Ludwig, des jüngsten Bruders von Kaiser Franz Josef. Das Siegel seines Dienstkämmerers zeigt unter einer Krone ein Wappenschild und den Orden des Goldenen Vlies. Viktor Ludwig galt als exzentrisch, wurde besachwaltet und Teile seines Mobiliars vom Schloss Kleßheim in Salzburg wurden im Mai 1921, zwei Jahre nach seinem Tod, durch das Dorotheum versteigert. Möglich, dass damals auch dieses Schreibmöbel aus dem ehemaligen Besitz des Erzherzogs unter den Hammer kam.
Die Nuss- und Wurzelholz furnierte Kassette zeigt im Schloss eine fünfzackige Krone. Ansonsten ist das Kästchen in die gleiche Reihe der anderen, fast gleich großen Schreibmöbeln, einzuordnen, auch die Anordnung der Laden und Geheimfächer ist fast ident.
Das größte der Schreibmöbel hat die beachtliche Größe von 77 x 44 x 46 cm. Überreich mit durchbrochenen Messingbeschlägen verziert, müssen zwei Überfallenschlösser mithilfe eines Vexiers und zwei verschiedenen Schlüsseln gesperrt werden. Im Inneren finden sich sechs Schubladen und sieben Geheimfächer. Ein kurzes Video auf der Homepage https://www.schell-collection.com/blick-ins-museum/videos/ zeigt das Öffnen der Truhe samt den verborgenen Laden und Fächern.
Text: Mag. Martina Pall
Auf dem ersten Bild, von oben nach unten:
Inv. Nr. 1402, 42,5 x 26,8 x 20,9 cm
Inv. Nr. 7206, 42 x 27,5 x 22 cm
Inv. Nr. 3596, 43,5 x 26,7 x 25,8 cm
Inv. Nr: 7207, 77 x 44 x 46 cm