Raten Sie mal: Was haben ein Stier, eine Brezel und ein Rad gemeinsam…?
Man findet sie alle zusammen in einem Glaskästchen im zweiten von drei Stockwerken der Schell Collection. Bei dem Glaskästchen handelt es sich tatsächlich um das Stammtischzeichen von drei neuzeitlichen Zünften aus dem 19. Jahrhundert. Was denn eine Zunft eigentlich ist und aus welchem Grund diese ihre Tische in Gasthäusern gekennzeichnet haben, erfahren Sie im nachfolgenden Artikel zum Objekt des Monats Juni 2023.
Stammtischzeichen der Fleischhacker, Bäcker und Müller
Zünfte waren Verbände von Handwerkern, denen die Meister samt ihren Gesellen und Lehrlingen in einer Stadt angehörten.[1] Zünfte sicherten ihren Mitgliedern das Recht zur Ausübung eines bestimmten Handwerks, an einem bestimmten Ort und unter bestimmten Regeln. Sie legten Preise, Löhne und Qualitätsrichtlinien der städtischen Gewerbe fest.[2] Seit dem Hochmittelalter schlossen sich Handwerker eines oder mehrerer unterschiedlicher Gewerbe innerhalb einer Stadt in dieser Form zusammen. Zünfte hatten bis in das, von der Industrialisierung geprägte, 19. Jahrhundert hinein Bestand.[3] Die ältesten Zünfte sind durch Urkunden aus dem 11. Jahrhundert beglaubigt.[4] Wenn eine Zunft für ein gewisses Gewerbe in einer Stadt vorhanden war, dann durften auch nur ihre Mitglieder dieses Gewerbe ausüben.[5] Durch die Entwicklung der Städte im Hochmittelalter kam es zu einem Wandel des Handwerks. Die Konzentration des Handwerks im urbanen Raum führte zu einer Spezialisierung und Qualitätsverbesserung handwerklicher Produkte.[6]
Es war nicht zwingend nur ein einziges Handwerk innerhalb einer Zunft vertreten. Gerade in kleineren Städten schlossen sich oft verschiedene Handwerke zusammen oder teilten sich zumindest ihren Stammtisch, wie man am hier behandelten Stammtischzeichen der Fleischer, Bäcker und Müller vermuten kann.[7]
Das Objekt
Inventarnummer: 7690
Standort: Dauerausstellung im 2. Stock, Abteilung Zunftzeichen
Maße: L = 33,5cm; H = 25,2cm; B = 4,8cm
Die Tischzeichen der Zünfte bildeten sich im 16. Jahrhundert heraus. Sie zeigen die Embleme der jeweiligen Zünfte, welche oftmals aus sogenannten „sprechenden Zeichen“ bestehen – beispielsweise eine Schere für den Schneider, ein Schlüssel für den Schlosser oder eine Brezel für den Bäcker. Das Emblem stellt für gewöhnlich ein typisches Erzeugnis oder Werkzeug der Zunft dar.[8]
Das Stammtischzeichen der Fleischhacker-, Bäcker- und Müllerzünfte besteht aus mehreren symbolischen Holzfiguren, die sich innerhalb eines breiten, hölzernen Rahmens, der auf beiden Seiten mit durchsichtigem Glas verschlossen ist, befinden. Oben auf dem Rahmen ist ein durchbrochener Aufsatz aus Eisenblech mit goldener Bemalung befestigt. An diesem hängt eine gegliederte Eisenkette, womit das Stammtischzeichen aufgehängt wurde.
Innerhalb des Holzrahmens ist in der Mitte an einer kurzen Kette ein Rindskopf in rötlichbrauner Farbe mit weißen Hörnern befestigt. Nur von der Seite entdeckt man das leicht geöffnete Maul, aus dem weiße Zähne herausblitzen. Unter dem Rind befindet sich eine hellbraune Brezel, die links und rechts von zwei aufrecht stehenden, goldenen Löwen mit beiden Pranken gehalten wird. Die Löwen wenden ihre Blicke von der Brezel ab und strecken jeweils eine rote Zunge aus dünnem Eisenblech heraus, die nach oben geschwungen ist. Sie hängen beide an feingliedrigen, goldbemalten Ketten. Unterhalb der Brezel ist ein dunkelbraunes Mühlrad mit acht Speichen befestigt. Alle Figuren sehen von beiden Seiten des Rahmens her betrachtet exakt gleich aus, es gibt also keine klar definierte Vorder- oder Rückseite. Das weist auf die Verwendung des Objekts als hängendes Tischzeichen hin, welches von allen Seiten her betrachtet werden konnte. Auf dem gesamten Tischzeichen gibt es keine Inschriften oder Hinweise, die auf die Herkunft oder exakte Datierung des Objekts hinweisen.
Zur Bedeutung der Symbole
Das Rind hat im Christentum eine wichtige Rolle, denn es ist Zeuge der Geburt Jesu und Sinnbild für Schutz und Zuflucht. In der Antike waren Rinder die wertvollsten aller Schlachtopfer. Vor diesem Hintergrund wurde vermutlich das Rind, statt einem Schwein oder Schaf, in vielen Städten als Zunftzeichen der Fleischer und Metzger gewählt.[9]
Der Löwe ist im Stammtischzeichen der Fleischer, Bäcker und Müller ein auffälliges Symbol. Er ist der König der Tiere und Sinnbild folgender Eigenschaften: Mut, Stolz, Tapferkeit, Wachsamkeit und Weisheit sowie für Herrschaft und Macht.[10] Auch in der christlichen Kunst ist er beliebt und ab dem Mittelalter ein wichtiges Symbol in der Heraldik (=Wappenkunde), vor allem als Wappenhalter. Er wird oft paarweise, wie auch in diesem Beispiel, aufgerichtet, mit erhobenen Pranken und vergoldet dargestellt.[11] Im Christentum wurde der Löwe zum Sinnbild des auferstandenen Jesus und sollte Dämonen abwehren. Aus diesem Grund befinden sich frontale Löwendarstellungen oft vor und neben romanischen Kirchenportalen oder wurden als Türklopfer genutzt. Sehr beliebt wurde er wegen seinen schon genannten königlichen Eigenschaften auf Adelswappen.[12] Die Handwerker in den städtischen Zünften wollten ihren gesellschaftlichen Stand aufwerten und haben ihre Zunftzeichen symbolisch an die Wappen des Adels angelehnt. Deshalb ist der Löwe häufig in Kombination mit den Zunftemblemen diverser Handwerke erhalten.[13]
Bäckerzünfte gehören zu den ältesten und häufigsten gewerblichen Vereinigungen, weswegen ihre Zunftzeichen nicht selten erhalten sind. Sie führten in den meisten Gebieten eine Brezel als Emblem, die oft von zwei Löwen gehalten wird. [14]
Aus dem Jahr 1111 ist eine Brezel als erstes erhaltenes Zunftzeichen der Bäcker in Speyer überliefert. Auch Kronen, Löwen oder Schwerter waren oft Teil des Bäckerwappens. Im Jahr 1529 wurden den Bäckern von Wien, nach der Belagerung durch die Osmanen, beispielsweise von Kaiser Karl V. für ihre Tapferkeit bei der Verteidigung der Stadt zu ihrem Emblem zwei Löwen dazu verliehen. Das könnte möglicherweise auf die Herkunft unseres Tischzeichens hinweisen, ist aber aufgrund der Quellenlage nicht gesichert. Zunftzeichen dienten also nicht nur als Werbung oder zur Kennzeichnung von gewerblichen Gebäuden und Besitz, sondern waren auch Standeszeichen.[15]
Das hölzerne Mühlrad ist das häufigste Symbol der Müllerzünfte. Es wird oft von Winkelmaß und Zirkel begleitet – weil die Müller ihre Mühlen auch selbst bauen mussten. Gleich wie die Brezel der Bäcker, wird auch das Mühlrad manchmal von zwei Löwen gehalten. Auf Wappen war es üblich, mehrere Embleme, die zusammengehören, untereinander abzubilden. Das hat man bei den Zunft- und Stammtischzeichen übernommen. [16]
Zünfte
Zünfte prägten Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur in weiten Teilen Europas über Jahrhunderte. Ihre Wurzeln hatten sie in religiösen Bruderschaften, die karitativ für ihre Mitglieder tätig waren, falls diese in Not gerieten.[17] Sie boten Hilfe bei Krankheit, Alter oder Verarmung und kümmerten sich um Witwen und Waisen verstorbener Mitglieder.[18] Zünfte waren außerdem wichtige Akteure bei der Verteidigung von Städten im Kriegsfall.[19]
Wer die Lehre in einer Zunft machen wollte, musste wie ein Familienmitglied im Haus des Meisters wohnen und bekam dort Kost und Logis. Für seine Lehre hatte er jedoch zu bezahlen. Nach der Lehrabschlussprüfung musste man als Geselle für eine bestimmte Zeit auf Wanderschaft gehen. Erst dann war es möglich, sich um einen Meistertitel zu bemühen, denn sonst durfte man keine Werkstätte eröffnen oder Lehrlinge ausbilden. Die Zunft selbst bestimmte jedoch die Zahl der Meister und Werkstätten innerhalb ihrer Stadt.[20] Bis ins 16. Jahrhundert sind sogar auch zahlreiche Frauen als Zunftmitglieder überliefert, die manchmal sogar gleichberechtigt agieren konnten. Erst danach wurden sie aus den Zünften ausgeschlossen.[21]
Der regelmäßige, gemeinsame Aufenthalt in Gasthäusern als Versammlungsort spielte eine wichtige Rolle im Leben innerhalb jeder Zunft. Die Zunftmitglieder trafen sich in Herbergen oder abends im Gasthaus, wo sie meist einen eigenen Stammtisch oder eine Stube zur Verfügung hatten. Die Gebäude selbst waren, damit sie leichter gefunden werden konnten, mit einem Wirtshausschild gekennzeichnet. Häufig waren auch die Zunftzeichen der Zünfte darunter befestigt, deren Stammtische im jeweiligen Gasthaus untergebracht waren.[22]
Die Tischzeichen im Gastraum waren hilfreich, weil sich innerhalb eines Gasthauses oft mehrere Zünfte an ihren jeweiligen Stammtischen trafen, weshalb jeder Tisch mit einem Tischzeichen gekennzeichnet wurde.[23] Ein klarer Hinweis für ein Tischzeichen ist, dass es immer von allen Seiten zu erkennen sein musste, weil es mitten im Raum hing und nicht flach an der Wand befestigt war.[24] Oft waren sie hinter Glas verschlossen, genauso wie bei unserem Beispiel, um vor Staub und Rauch geschützt zu sein.[25]
Die Zunftschilder im Außenraum wurden mit der Zeit, wahrscheinlich aus Gründen der besseren Haltbarkeit, eher aus Eisen als aus Holz hergestellt (wie man auch in der Abteilung der über 100 Zunftzeichen in der Schell Collection sehen kann). Dieser Fakt deutet klar darauf hin, dass das hier beschriebene Zunftzeichen ein Tisch- und kein Hauszeichen ist, denn ein Hauszeichen wäre der Witterung schutzlos ausgeliefert gewesen. Ohne Kontext ist es schwer zu unterscheiden, ob ein erhaltenes Emblem ein Tisch- oder Hauszeichen war oder eventuell auch einmal seine Funktion gewechselt hat.[26]
Text: Laura Müller, BA BA BA
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-6: Schell Collection Graz
Literaturverzeichnis
Fröhlich, Sigrid: Die soziale Sicherung bei Zünften und Gesellenverbänden. Darstellung, Analyse, Vergleich, (=Sozialpolitische Schriften 38), Berlin 1976.
Grenser, Alfred: Zunft-Wappen und Handwerker-Insignien. Eine Heraldik der Zünfte und Gewerbe, Wiesbaden 1997 (unveränderter Nachdruck von 1889).
Gröber, Karl: Alte Deutsche Zunftherrlichkeit, München 1936.
Leonhard, Walter: Schöne alte Wirtshausschilder, München 21977.
Museum Schloss Neuenburg (Hrsg.): Zünftig trinken, ständisch saufen. Von Gefäßen und Ritualen (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung), Freyburg 2015.
Pfistermeister, Ursula: Hier kehrt man ein. Wirtshausschilder aus drei Jahrhunderten, Nürnberg 1998.
Schmidt, Leopold: Zunftzeichen. Zeugnisse alter Handwerkskunst, Salzburg 1973.
Stieglitz, Leo von: Zünfte in Württemberg (Katalog zur Ausstellung Regeln und Zeichen altwürttembergischer Zünfte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert), Stuttgart 2000.
Volkert, Wilhelm: Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters, München 1991.
Winkler, Karla: Die Zeichen der Bäcker, in: Volkskunst. Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur 2: Müller- und Bäckerhandwerk, 1987.
Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie/Religion/Psychologie, Klein Jasedow 2012.
Objekt des Monats Juni 2023
Zünftige Gewohnheiten
Raten Sie mal: Was haben ein Stier, eine Brezel und ein Rad gemeinsam…?
Man findet sie alle zusammen in einem Glaskästchen im zweiten von drei Stockwerken der Schell Collection. Bei dem Glaskästchen handelt es sich tatsächlich um das Stammtischzeichen von drei neuzeitlichen Zünften aus dem 19. Jahrhundert. Was denn eine Zunft eigentlich ist und aus welchem Grund diese ihre Tische in Gasthäusern gekennzeichnet haben, erfahren Sie im nachfolgenden Artikel zum Objekt des Monats Juni 2023.
Stammtischzeichen der Fleischhacker, Bäcker und Müller
Zünfte waren Verbände von Handwerkern, denen die Meister samt ihren Gesellen und Lehrlingen in einer Stadt angehörten.[1] Zünfte sicherten ihren Mitgliedern das Recht zur Ausübung eines bestimmten Handwerks, an einem bestimmten Ort und unter bestimmten Regeln. Sie legten Preise, Löhne und Qualitätsrichtlinien der städtischen Gewerbe fest.[2] Seit dem Hochmittelalter schlossen sich Handwerker eines oder mehrerer unterschiedlicher Gewerbe innerhalb einer Stadt in dieser Form zusammen. Zünfte hatten bis in das, von der Industrialisierung geprägte, 19. Jahrhundert hinein Bestand.[3] Die ältesten Zünfte sind durch Urkunden aus dem 11. Jahrhundert beglaubigt.[4] Wenn eine Zunft für ein gewisses Gewerbe in einer Stadt vorhanden war, dann durften auch nur ihre Mitglieder dieses Gewerbe ausüben.[5] Durch die Entwicklung der Städte im Hochmittelalter kam es zu einem Wandel des Handwerks. Die Konzentration des Handwerks im urbanen Raum führte zu einer Spezialisierung und Qualitätsverbesserung handwerklicher Produkte.[6]
Es war nicht zwingend nur ein einziges Handwerk innerhalb einer Zunft vertreten. Gerade in kleineren Städten schlossen sich oft verschiedene Handwerke zusammen oder teilten sich zumindest ihren Stammtisch, wie man am hier behandelten Stammtischzeichen der Fleischer, Bäcker und Müller vermuten kann.[7]
Das Objekt
Inventarnummer: 7690
Standort: Dauerausstellung im 2. Stock, Abteilung Zunftzeichen
Maße: L = 33,5cm; H = 25,2cm; B = 4,8cm
Die Tischzeichen der Zünfte bildeten sich im 16. Jahrhundert heraus. Sie zeigen die Embleme der jeweiligen Zünfte, welche oftmals aus sogenannten „sprechenden Zeichen“ bestehen – beispielsweise eine Schere für den Schneider, ein Schlüssel für den Schlosser oder eine Brezel für den Bäcker. Das Emblem stellt für gewöhnlich ein typisches Erzeugnis oder Werkzeug der Zunft dar.[8]
Das Stammtischzeichen der Fleischhacker-, Bäcker- und Müllerzünfte besteht aus mehreren symbolischen Holzfiguren, die sich innerhalb eines breiten, hölzernen Rahmens, der auf beiden Seiten mit durchsichtigem Glas verschlossen ist, befinden. Oben auf dem Rahmen ist ein durchbrochener Aufsatz aus Eisenblech mit goldener Bemalung befestigt. An diesem hängt eine gegliederte Eisenkette, womit das Stammtischzeichen aufgehängt wurde.
Innerhalb des Holzrahmens ist in der Mitte an einer kurzen Kette ein Rindskopf in rötlichbrauner Farbe mit weißen Hörnern befestigt. Nur von der Seite entdeckt man das leicht geöffnete Maul, aus dem weiße Zähne herausblitzen. Unter dem Rind befindet sich eine hellbraune Brezel, die links und rechts von zwei aufrecht stehenden, goldenen Löwen mit beiden Pranken gehalten wird. Die Löwen wenden ihre Blicke von der Brezel ab und strecken jeweils eine rote Zunge aus dünnem Eisenblech heraus, die nach oben geschwungen ist. Sie hängen beide an feingliedrigen, goldbemalten Ketten. Unterhalb der Brezel ist ein dunkelbraunes Mühlrad mit acht Speichen befestigt. Alle Figuren sehen von beiden Seiten des Rahmens her betrachtet exakt gleich aus, es gibt also keine klar definierte Vorder- oder Rückseite. Das weist auf die Verwendung des Objekts als hängendes Tischzeichen hin, welches von allen Seiten her betrachtet werden konnte. Auf dem gesamten Tischzeichen gibt es keine Inschriften oder Hinweise, die auf die Herkunft oder exakte Datierung des Objekts hinweisen.
Zur Bedeutung der Symbole
Das Rind hat im Christentum eine wichtige Rolle, denn es ist Zeuge der Geburt Jesu und Sinnbild für Schutz und Zuflucht. In der Antike waren Rinder die wertvollsten aller Schlachtopfer. Vor diesem Hintergrund wurde vermutlich das Rind, statt einem Schwein oder Schaf, in vielen Städten als Zunftzeichen der Fleischer und Metzger gewählt.[9]
Der Löwe ist im Stammtischzeichen der Fleischer, Bäcker und Müller ein auffälliges Symbol. Er ist der König der Tiere und Sinnbild folgender Eigenschaften: Mut, Stolz, Tapferkeit, Wachsamkeit und Weisheit sowie für Herrschaft und Macht.[10] Auch in der christlichen Kunst ist er beliebt und ab dem Mittelalter ein wichtiges Symbol in der Heraldik (=Wappenkunde), vor allem als Wappenhalter. Er wird oft paarweise, wie auch in diesem Beispiel, aufgerichtet, mit erhobenen Pranken und vergoldet dargestellt.[11] Im Christentum wurde der Löwe zum Sinnbild des auferstandenen Jesus und sollte Dämonen abwehren. Aus diesem Grund befinden sich frontale Löwendarstellungen oft vor und neben romanischen Kirchenportalen oder wurden als Türklopfer genutzt. Sehr beliebt wurde er wegen seinen schon genannten königlichen Eigenschaften auf Adelswappen.[12] Die Handwerker in den städtischen Zünften wollten ihren gesellschaftlichen Stand aufwerten und haben ihre Zunftzeichen symbolisch an die Wappen des Adels angelehnt. Deshalb ist der Löwe häufig in Kombination mit den Zunftemblemen diverser Handwerke erhalten.[13]
Bäckerzünfte gehören zu den ältesten und häufigsten gewerblichen Vereinigungen, weswegen ihre Zunftzeichen nicht selten erhalten sind. Sie führten in den meisten Gebieten eine Brezel als Emblem, die oft von zwei Löwen gehalten wird. [14]
Aus dem Jahr 1111 ist eine Brezel als erstes erhaltenes Zunftzeichen der Bäcker in Speyer überliefert. Auch Kronen, Löwen oder Schwerter waren oft Teil des Bäckerwappens. Im Jahr 1529 wurden den Bäckern von Wien, nach der Belagerung durch die Osmanen, beispielsweise von Kaiser Karl V. für ihre Tapferkeit bei der Verteidigung der Stadt zu ihrem Emblem zwei Löwen dazu verliehen. Das könnte möglicherweise auf die Herkunft unseres Tischzeichens hinweisen, ist aber aufgrund der Quellenlage nicht gesichert. Zunftzeichen dienten also nicht nur als Werbung oder zur Kennzeichnung von gewerblichen Gebäuden und Besitz, sondern waren auch Standeszeichen.[15]
Das hölzerne Mühlrad ist das häufigste Symbol der Müllerzünfte. Es wird oft von Winkelmaß und Zirkel begleitet – weil die Müller ihre Mühlen auch selbst bauen mussten. Gleich wie die Brezel der Bäcker, wird auch das Mühlrad manchmal von zwei Löwen gehalten. Auf Wappen war es üblich, mehrere Embleme, die zusammengehören, untereinander abzubilden. Das hat man bei den Zunft- und Stammtischzeichen übernommen. [16]
Zünfte
Zünfte prägten Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur in weiten Teilen Europas über Jahrhunderte. Ihre Wurzeln hatten sie in religiösen Bruderschaften, die karitativ für ihre Mitglieder tätig waren, falls diese in Not gerieten.[17] Sie boten Hilfe bei Krankheit, Alter oder Verarmung und kümmerten sich um Witwen und Waisen verstorbener Mitglieder.[18] Zünfte waren außerdem wichtige Akteure bei der Verteidigung von Städten im Kriegsfall.[19]
Wer die Lehre in einer Zunft machen wollte, musste wie ein Familienmitglied im Haus des Meisters wohnen und bekam dort Kost und Logis. Für seine Lehre hatte er jedoch zu bezahlen. Nach der Lehrabschlussprüfung musste man als Geselle für eine bestimmte Zeit auf Wanderschaft gehen. Erst dann war es möglich, sich um einen Meistertitel zu bemühen, denn sonst durfte man keine Werkstätte eröffnen oder Lehrlinge ausbilden. Die Zunft selbst bestimmte jedoch die Zahl der Meister und Werkstätten innerhalb ihrer Stadt.[20] Bis ins 16. Jahrhundert sind sogar auch zahlreiche Frauen als Zunftmitglieder überliefert, die manchmal sogar gleichberechtigt agieren konnten. Erst danach wurden sie aus den Zünften ausgeschlossen.[21]
Der regelmäßige, gemeinsame Aufenthalt in Gasthäusern als Versammlungsort spielte eine wichtige Rolle im Leben innerhalb jeder Zunft. Die Zunftmitglieder trafen sich in Herbergen oder abends im Gasthaus, wo sie meist einen eigenen Stammtisch oder eine Stube zur Verfügung hatten. Die Gebäude selbst waren, damit sie leichter gefunden werden konnten, mit einem Wirtshausschild gekennzeichnet. Häufig waren auch die Zunftzeichen der Zünfte darunter befestigt, deren Stammtische im jeweiligen Gasthaus untergebracht waren.[22]
Die Tischzeichen im Gastraum waren hilfreich, weil sich innerhalb eines Gasthauses oft mehrere Zünfte an ihren jeweiligen Stammtischen trafen, weshalb jeder Tisch mit einem Tischzeichen gekennzeichnet wurde.[23] Ein klarer Hinweis für ein Tischzeichen ist, dass es immer von allen Seiten zu erkennen sein musste, weil es mitten im Raum hing und nicht flach an der Wand befestigt war.[24] Oft waren sie hinter Glas verschlossen, genauso wie bei unserem Beispiel, um vor Staub und Rauch geschützt zu sein.[25]
Die Zunftschilder im Außenraum wurden mit der Zeit, wahrscheinlich aus Gründen der besseren Haltbarkeit, eher aus Eisen als aus Holz hergestellt (wie man auch in der Abteilung der über 100 Zunftzeichen in der Schell Collection sehen kann). Dieser Fakt deutet klar darauf hin, dass das hier beschriebene Zunftzeichen ein Tisch- und kein Hauszeichen ist, denn ein Hauszeichen wäre der Witterung schutzlos ausgeliefert gewesen. Ohne Kontext ist es schwer zu unterscheiden, ob ein erhaltenes Emblem ein Tisch- oder Hauszeichen war oder eventuell auch einmal seine Funktion gewechselt hat.[26]
Text: Laura Müller, BA BA BA
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-6: Schell Collection Graz
Literaturverzeichnis
Fröhlich, Sigrid: Die soziale Sicherung bei Zünften und Gesellenverbänden. Darstellung, Analyse, Vergleich, (=Sozialpolitische Schriften 38), Berlin 1976.
Grenser, Alfred: Zunft-Wappen und Handwerker-Insignien. Eine Heraldik der Zünfte und Gewerbe, Wiesbaden 1997 (unveränderter Nachdruck von 1889).
Gröber, Karl: Alte Deutsche Zunftherrlichkeit, München 1936.
Leonhard, Walter: Schöne alte Wirtshausschilder, München 21977.
Museum Schloss Neuenburg (Hrsg.): Zünftig trinken, ständisch saufen. Von Gefäßen und Ritualen (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung), Freyburg 2015.
Pfistermeister, Ursula: Hier kehrt man ein. Wirtshausschilder aus drei Jahrhunderten, Nürnberg 1998.
Schmidt, Leopold: Zunftzeichen. Zeugnisse alter Handwerkskunst, Salzburg 1973.
Stieglitz, Leo von: Zünfte in Württemberg (Katalog zur Ausstellung Regeln und Zeichen altwürttembergischer Zünfte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert), Stuttgart 2000.
Volkert, Wilhelm: Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters, München 1991.
Winkler, Karla: Die Zeichen der Bäcker, in: Volkskunst. Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur 2: Müller- und Bäckerhandwerk, 1987.
Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie/Religion/Psychologie, Klein Jasedow 2012.
Nachweise
[1] Volkert, 1991, S.271
[2] Fröhlich, 1976, S.15
[3] Schloss Neuenburg, 2015, S.7
[4] Fröhlich, 1976, S.21
[5] Stieglitz, 2000, S.11
[6] Volkert, 1991, S.98
[7] Ebd., S.271
[8] Schmidt, 1973, S.25
[9] Leonhard, 1977, S.117
[10] Zerling, 2012, S.199
[11] Pfistermeister, 1998, S.38
[12] Leonhard, 1977, S.81
[13] Gröber, 1936, S.101
[14] Grenser, 1997, S.12
[15] Winkler, 1987, S.37
[16] Grenser, 1997, S.71
[17] Stieglitz, 2000, S.11
[18] Fröhlich, 1976, S.38
[19] Grenser, 1997, S.14
[20] Schloss Neuenburg, 2015, S.12
[21] Fröhlich, 1976, S.28
[22] Gröber, 1936, S.19
[23] Ebd., S.92
[24] Schmidt, 1973, S.27
[25] Gröber, 1936, S.94
[26] Schmidt, 1973, S.26