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Objekt des Monats März 2024

Objekt des Monats März 2024

Der Kristallpalast und die Great Exhibition 1851

Erinnerungsmedaille der Ersten Weltausstellung

Wir schreiben das Jahr 1851 und „die Welt ist zu Gast in London“[1]. Die Erinnerungsmedaille aus der Schell Collection nimmt uns mit ins London des 19. Jahrhunderts, dem Zentrum des britischen Weltreichs, wo mit großem Spektakel und Glaube an Technik und Fortschritt im Mai 1851 die erste Weltausstellung eröffnet wurde. Die zwei Seiten der Medaille zeigen uns zwei maßgebliche Einflüsse, die nicht unwesentlich zum Erfolg der Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations beigetragen haben: Auf der einen Seite Prinz Albert, Gemahl der Königin Victoria und einer der Initiatoren für die Umsetzung der Weltausstellung. Auf der anderen Seite der Kristallpalast, der revolutionäre Ausstellungsbau der zum Symbol der gesamten Weltausstellung wurde.

Abb. 1: Erinnerungsmedaille Avers: Brustbild Prinz Albert mit Umschrift ©prismaundkante

Das Objekt

Inventarnummer: 3041

Maße: 27 mm Durchmesser, Gewicht: 6 g

Standort: Depot, 2. Stock; ab April 2024 in der Sonderausstellung „Best of Depot“, 1. Stock Foyer

Bei dem Objekt des Monats März 2024 handelt es sich um eine sogenannte Erinnerungsmedaille. Medaillen wurden üblicherweise zur Erinnerung an ein Ereignis oder eine Person angefertigt. Solche Schau- oder Gedenkmünzen haben keinen monetären Wert. Sie wurden aus Metall gegossen oder ab dem 16. Jahrhundert auch geprägt. Sogenannte Medailleure oder Stempelschneider waren für den Entwurf und meist auch für die Fertigung der Stempel für die Prägung oder der Vorlagen für die Gussformen verantwortlich. Wie bei Münzen, sind auch die Motive von Medaillen als Reliefdarstellung ausgeführt.[2]

Die Erinnerungsmedaille wurde im Jahr 1851 anlässlich der ersten Weltausstellung in London von der Firma Allen & Moore in Birmingham gefertigt. Die Medaille misst 27 Millimeter im Durchmesser und wurde aus einer Metalllegierung – vermutlich sogenanntem Weißmetall oder Britanniametall – gefertigt. Da es günstig in der Produktion war, wurde es von den englischen Medailleuren häufig zur Herstellung solcher Erinnerungsstücke genutzt, da diese als Souvenirs verkauft wurden.[3]

Abb. 2: Erinnerungsmedaille Revers: Ansicht des Kristallpalastes mit Umschrift und Legende ©prismaundkante

Die Vorderseite der Medaille, Avers genannt, zeigt ein Brustbild von Prinz Albert in Uniform nach links gewandt mit der inneren Umschrift „H.R.H. [His Royal Highness] PRINCE ALBERT.“ umrahmt von der äußeren Umschrift „BORN AUGUST 26 1819. MARRIED FEBRUARY 10 1840.“[4] Revers, also auf der Rückseite der Medaille, liest man in der Umschrift „THE CRYSTAL PALACE“ und im sogenannten Abschnitt unter der Abbildung die 4-zeilige Legende „FOR THE GREAT/ EXHIBITION/ IN LONDON OF/ 1851“[5]. Die Abbildung zeigt eine Ansicht des berühmten Kristallpalastes.

Die Medaille ist auch signiert – im Büstenabschnitt des Bildnisses von Prinz Albert findet sich unter der Schulter die Signatur „A&M“. Diese Medaillensignatur kennzeichnet die Firma Allen & Moore der Medaillisten John Allen und Joseph Moore als Hersteller.[6]

Great Exhibition – Die erste Weltausstellung 1851

1851 und die Welt ist zu Gast in London. Der Anlass? Die erste Weltausstellung, betitelt Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations. Weltausstellungen sind internationale Ausstellungen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute stattfinden (die nächste große EXPO wird 2025 in Osaka, Japan stattfinden). Ihre Vorläufer sind die regionalen und nationalen Industrie- und Gewerbeausstellungen, die in Europa in den 1750er Jahren aufkamen. Ziel war der Informationsaustausch von Gewerbe, Handwerk und Kunst. Warenmessen an sich sind schon seit dem Mittelalter bekannt. Zur Entstehung der großen Weltausstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts trugen sowohl wirtschaftliches Interesse wie auch nationales Geltungsbedürfnis bei. Bieten diese Ausstellungen doch eine Plattform für gezielte Absatzförderung und die Selbstdarstellung der teilnehmenden Länder. Vor allem bei den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts standen industrieller Fortschritt und Neuentwicklungen im Zentrum. Außerdem präsentierte man Werke der Kunst und des Kunsthandwerks. Eine internationale Jury begutachtete und prämierte die ausgestellten Stücke.[7]

Aber wie entstand nun die Idee zu einer Weltausstellung? Das Britische Weltreich war im 19. Jahrhundert generell um industrielle Expansion und die Eroberung neuer, sich öffnender Märkte bemüht, das vorherrschende System des Freihandels bot auch günstige Rahmenbedingungen. 1849 fand die französische Nationalausstellung statt und zwei Mitglieder der englischen Royal Society of Arts reisten als Beobachter und Berichterstatter nach Paris. Zufällig erfuhren sie dort, dass der französische Wirtschafts- und Handelsminister für 1851 eine internationale Industrieausstellung plante. Man war nun bestrebt, den Franzosen zuvorzukommen: Noch im selben Jahr formierten sich rund um die Royal Society Unterstützer mit dem Bestreben als erste Nation eine solche internationale Ausstellung zu veranstalten.

Präsident der Royal Society und maßgeblicher Unterstützer dieses Projekts war Prinz Albert (1819-1861) aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha, der Ehemann von Königin Victoria (1819-1901).[8] Die Umschrift der Medaille verrät uns zwei maßgebliche Daten aus seinem Leben: Albert wurde am 26. August 1819 auf Schloss Rosenau als zweiter Sohn des Herzogs Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (später Sachsen-Coburg und Gotha) und seiner Frau Herzogin Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg geboren. Sein Onkel Prinz Leopold, der 1831 König von Belgien geworden war, vermittelte ein erstes Treffen Alberts mit Prinzessin Victoria, damals noch Thronfolgerin, um eine Heirat in die Wege zu leiten. Victoria wurde 1837 zur Königin gekrönt, die Hochzeit fand am 10. Februar 1840 in der kleinen Kapelle des St. James’s Palace statt.[9]

Zurück zu den Vorbereitungen der Weltausstellung: Bereits im Oktober 1849 genehmigte das Parlament die Abhaltung der Great Exhibition. Als Veranstaltungsort wurde der Hyde Park im Zentrum Londons gewählt, allerdings mit der Auflage das Ausstellungsgebäude innerhalb eines halben Jahres nach Ende der Weltausstellung wieder zu entfernen. Staatliche Unterstützung für die Weltausstellung gab es keine, die Finanzierung erfolgte durch private Subskriptionen und Bankvorschüsse. Außerdem kam es zur Gründung der Royal Commission, einer Kommission die für die Organisation und Finanzierung der Weltausstellung zuständig war. Prinz Albert soll nicht nur den Hyde Park als repräsentativen Ausstellungsort vorgeschlagen haben, sondern stand auch an der Spitze der Royal Commission.[10]

Der Kristallpalast

Abb. 3: Eingang beim nördlichen Querschiff des Kristallpalastes

Der Kristallpalast war DAS Wahrzeichen der Great Exhibition. Auch der größte Teil der angefertigten Erinnerungsmedaillen zeigen Darstellungen des sogenannten Crystal Palace. Geplant und umgesetzt wurde er von Joseph Paxton (1803-1865). Paxton, der eigentlich Gartenarchitekt war, überzeugte mit einem revolutionären wie auch simplen Konzept. Basierend auf seiner Erfahrung mit dem Bau von Gewächshäusern, plante Paxton das Ausstellungsgebäude aus vorgefertigten und standardisierten Elementen aus Eisen und Glas zu errichten. Dazu arbeitete er mit einem Grundraster, dessen kleinstes Element ein Quadrat mit 24 englischen Fuß bzw. 7,3 Metern Kantenlänge bildete, das wiederum auf die damals produzierbare Maximalbreite von Glasscheiben (4 Fuß bzw. 1,2m) zurückging. Durch diesen Einsatz von neuen Fertigungs- und Produktionsmethoden schaffte er es die Kosten gering zu halten und auch die Bauzeit drastisch zu minimieren. In nur 17 Wochen konnte der Kristallpalast fertiggestellt werden. Durch dieses Modulsystem schaffte es Paxton sehr schnell ein für die damalige Zeit unvorstellbar großes Bauwerk zu errichten: Mit 77 x 17 Modulen wurde ein fünfschiffiges Gebäude errichtet. Es war außerdem das erste große Gebäude, das fast vollständig aus den damals neuartigen und modernen Baumaterialien Glas und Eisen gebaut wurde. Der treppenartig gestufte, rechteckige Baukörper bestand aus gusseisernen Stützen und Trägern, hölzernen Rahmen und gläsernen Wänden und Decken. Insgesamt war der Crystal Palace 563 m lang, 124 m breit und 33 m hoch und erstreckte sich auf einer Grundfläche von 70.000 m2. 400 Tonnen Glas wurden verbaut. Zur charakteristischen Fassade trug auch das markante tonnengewölbte Querschiff bei.

Um das Gelände im Hyde Park nutzen zu können, mussten nämlich 12 große alte Ulmen gefällt werden, was zu Kritik führte. Eine nachträgliche Auflage der Baukommission verlangte dann aber doch einige der Bäume zu erhalten. Die Idee der Gewächshäuser weiterführend, beschloss Paxton vier der Ulmen in den Ausstellungsbau miteinzubeziehen und konzipierte daher das Tonnengewölbe des Querschiffs. In den hohen, lichtdurchfluteten Hallen konnten sogar große Maschinen in vollem Betrieb gezeigt werden. Zusätzlichen Raum schuf man durch den zweigeschossigen Ausbau der Seitenschiffe und dem Bau einer umlaufenden Galerie im Mittel- und Querschiff. Insgesamt wurden so mehr als 90.000 m2 Fläche für die Great Exhibition geschaffen. In der Nähe des Kristallpalastes wurde zusätzlich auch noch ein Maschinenhaus gebaut in dem sich die zentrale Wasserversorgung befand und die Dampfkraft für die ausgestellten und in Aktion befindlichen Maschinen erzeugt wurde. Neben dem Einsatz von Eisen und Glas wurde auch eine große Menge an Holz verbaut. Sehr wirtschaftlich fanden zum Beispiel die Bretter der Baustellenumzäunung Wiederverwertung als Fußböden in den Galerien. Ein kurioses Detail: Während der ganzen Ausstellungszeit wurde der Boden des Kristallpalasts nie gekehrt, da Paxton kalkulierte, dass die langen Kleider der Damen den Staub zwischen die Spalten der Bodenbretter fegen würde. Im Bau des Kristallpalastes wurden Industrie und Architektur in einem bisher noch nicht gekannten Maße miteinander verbunden. Für die Bevölkerung ungewohnt und neu war auch die Sichtbarmachung dieser vorgefertigten Konstruktionselemente aus Eisen und Glas, die zu einer bis dato nicht gekannten Transparenz des Gebäudes führte.[11] Das Glitzern des riesigen Glasgebäudes in der Sonne war es auch, was den Autor und Journalisten Douglas Jerrold vom Punch Magazin dazu veranlasste, ihm den Namen Crystal Palace – Kristallpalast – zu verleihen.[12]

Der Schweizer Berichterstatter Gangolf Delabar schwärmte beispielsweise: „Das Gerippe des Gebäudes ist von Eisen und die Wände und das Dach von Glas. Die tragenden Säulen, in Abständen von 24 Fuß voneinander gestellt, sind von Gusseisen und hohl, um das Wasser von dem Dache aufzunehmen und wegleiten zu können. Die verschiedenen Bindebänder und Sprengwerke sind von Schmiedeeisen und die dazwischen eingefügten Wände und Decken, wie gesagt, aus schönem Scheibenglas.“[13]

Abb. 6: Der Kritallpalast im Hyde Park © Victoria and Albert Museum, London

Und die Times berichtete euphorisch über die Errichtung des Kristallpalastes: „Eine völlig neue architektonische Ordnung ist entstanden, welche durch eine unerreichte technische Geschicklichkeit die wunderbarsten und bewunderungswürdigsten Wirkungen hervorbringt, um ein Gebäude zu schaffen.“[14]

Natürlich gab es auch kritische Stimmen, die beispielsweise nicht von der Haltbarkeit dieses neuartigen Glashauses überzeugt waren.[15]

Aufgrund eines Kabinettbeschlusses musste der Kristallpalast nach Ausstellungsende wieder abgebaut werden. Durch die Initiative einer privaten Gesellschaft konnte er im Londoner Stadtteil Sydenham in leicht veränderter Form wieder aufgebaut werden. Er stand nun inmitten eines großen Parks und wurde als Erholungsort, Museum und Ausstellungsgebäude genutzt. Er wurde auch zum Vorbild für zahlreiche andere Ausstellungsbauten in Europa und den USA, wie zum Beispiel für den Münchner Glaspalast von 1854. Nach 85-jähriger Nutzung fiel der Kristallpalast am 30. November 1936 einem Brand zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut.[16]

Die Weltausstellung öffnet Ihre Pforten

Die Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations wurde schließlich am 1. Mai 1851 von Königin Victoria und dem Erzbischof von Canterbury feierlich eröffnet. Mehr als 17.000 Aussteller aus 28 Nationen stellten über 100.000 Objekte aus. Zunächst war es geplant die Ausstellungsstücke in die vier Hauptgruppen Rohstoffe, Maschinen, industrielle Erzeugnisse und gewerbliche Erzeugnisse zu gliedern. In der Folgezeit war es notwendig, zusätzlich 30 weitere Untergruppen festzulegen. So entstand ein detailliertes Klassifikationssystem, anhand dessen auch die Preismedaillen verliehen wurden. Denn die Weltausstellung war ja nicht zuletzt ein vergleichender Wettbewerb der teilnehmenden Nationen. Eine Jury war damit beauftragt unter den 17.062 Ausstellern Preismedaillen zu vergeben. Insgesamt wurden 172 Verdienstmedaillen, 2.987 Preismedaillen und zusätzlich 2.163 Diplome mit Ehrenvollen Erwähnungen verliehen. Neben diesen Preis- und Verdienstmedaillen verlieh die Royal Commission auch offizielle Erinnerungsmedaillen. [17]

Abb. 7: Königin Victoria eröffnet die Great Exhibition, © Victoria and Albert Museum, London

Die Weltausstellung sollte den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit bieten, die ganze Bandbreite an weltweit hergestellten Industrieerzeugnissen und Kunstgewerbeprodukten zu sehen.[18] Das Warenangebot musste dem Publikum schier unbegrenzt erscheinen:

„Bodenschätze und Rohstoffe stehen neben Architektur- und Ingenieurmodellen, Skulpturen und Porzellan neben wissenschaftlichen und medizinischen Instrumenten, ein Block aus Gussstahl neben Textilerzeugnissen, Musikinstrumente neben Waffen. Selbst der 186karätige Koh-i-Nor-Diamant ist in der indischen Präsentation zu finden!“[19]

Abb. 8: Fotografie des Querschiffs des Kristallpalastes, © Victoria and Albert Museum, London

Der Westteil des Kristallpalastes, die Hälfte der gesamten Ausstellungsfläche, wurde von Ausstellern aus dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und seinen Kolonien eingenommen. Im östlichen Teil fanden Firmen aus insgesamt 94 Staaten, Kolonien und nicht selbstständigen Fürsten- und Herzogtümern ihren Platz. Aus dem erwirtschafteten Überfluss der Weltausstellung veranlasste Prinz Albert unter anderem auch den Ankauf eines großen Grundstückes in South Kensington, gleich gegenüber vom Hyde Park. Hier sollten entsprechend den vier Hauptausstellungskategorien wissenschaftliche Institutionen eingerichtet werden. So kam es zur Gründung des South Kensington Museum, heute das Victoria & Albert Museum, in das zahlreiche kunstgewerbliche Objekte der Weltausstellung direkt übernommen wurden.[20]

Im Zentrum des Interesses standen die großen Maschinen, viele von ihnen auch in Aktion zu bestaunen. Dampf- und Mähmaschinen, Lokomotiven oder hydraulische Pressen bezeugten den technischen Fortschritt des 19. Jahrhunderts. Auch ein elektrischer Telegraph wurde vorgestellt, der zu dieser Zeit bereits London mit Manchester und Edinburgh verband. Sehr pragmatisch wurde dieser auch als Kommunikationsmittel vom Aufsichtspersonal innerhalb des Ausstellungsgebäudes eingesetzt um die Besucherströme zu regulieren.[21]

Die Weltausstellung wurde zum Publikumsmagnet. Allein am ersten Tag kamen 25.000 Besucherinnen und Besucher, hätte man die Eintritte aus Angst vor Überfüllung nicht geschlossen, wären es sicher noch mehr gewesen. Der besucherreichste Tag war der 7. Oktober, 110.000 Leute besuchten an diesem Tag den Kristallpalast. Bis zum Ende der Weltausstellung am 11. Oktober 1851 kamen über 6 Millionen Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland. Die Eintrittskosten lagen je nach Wochentag zwischen 1 Pfund und 5 Shilling. Ein hoher Profit von 186.000 Pfund, heute würde die Summe wohl über 50 Millionen Pfund betragen, konnte eingenommen werden. Den „shilling days“ mit günstigerem Eintritt ist es zu verdanken, dass es auch beinahe 4 Millionen Leuten der Arbeiterklasse möglich war, die Wunder der Weltausstellung zu bestaunen. Petra Krutisch vom Germanischen Nationalmuseum spricht in diesem Zusammenhang auch von der Geburt des modernen Massentourismus. Neue Verkehrsmittel wie Eisenbahn und Dampfschiff vereinfachten die Anreise. In diesem Zusammenhang hatte Thomas Cook, Gründer des noch heute nach ihm benannten Reiseunternehmens, eine bahnbrechende Idee. Er bot Hin- und Rückfahrt nach London mit der Eisenbahn, den Ausstellungsbesuch und Übernachtung als Komplettpaket erstmals als Pauschalreise an und erfand damit die bis heute beliebte Art zu reisen.[22]

Abb. 9: Besucherinnen und Besucher im Gastronomiebereich, © Victoria and Albert Museum, London

Retrospektiv kann man die erste Weltausstellung wohl als eine Mischung aus Spektakel, Jahrmarkt und großem Fest zugleich aber auch Messe im modernen Sinn sehen. Unzweifelhaft inszenierte sich das Britische Empire hier am Höhepunkt seiner industriellen und kolonialen Macht.[23]

Allen & Moore – Medaillen auf der Weltausstellung

Nach einem Rückgang der englischen Medaillenproduktion zu Beginn des 19. Jahrhunderts, hatte zur Zeit der Weltausstellung ein umso stärkerer Aufschwung eingesetzt.[24] Wie schon zu Beginn ausgeführt, wurden Medaillen vor allem zur Kommemoration bedeutender Ereignisse gefertigt. Im Zuge der Weltausstellung wurden einerseits offizielle Medaillen, zugleich aber auch eine sehr große Anzahl an inoffiziellen Medaillen von privaten Firmen hergestellt.

Für die offiziellen Zwecke wurden drei Medaillen in unterschiedlichen Größen aus Bronze gefertigt, die als Preise verliehen wurden. William Wyon, Chefgraveur der Royal Mint, der Münzprägestätte des Vereinigten Königreichs, entwarf für die Vorderseite ein Doppelportrait von Königin Victoria und Prinz Albert. Für das Design der Rückseite gab es eine weltweite Ausschreibung, bei der schließlich drei Entwürfe ausgewählt wurden.[25] Neben den Preis- und Verdienstmedaillen verlieh die Royal Commission auch Erinnerungsmedaillen.

Abb. 10: Avers der offiziellen Medaillen mit dem Entwurf des Doppelportraits von Königin Victoria und Prinz Albert von William Wyon © Victoria and Albert Museum, London

Neben verschiedenen royalen Ereignissen, zählte die Londoner Weltausstellung 1851 wohl zu den größten Attraktionen des 19. Jahrhunderts. So ist es nicht verwunderlich, dass eine enorme Anzahl an Medaillen anlässlich dieses Events hergestellt wurde. Und der Kristallpalast ist auf dem größten Teil dieser Medaillen verewigt. Bis heute hat keine Ausstellung und kein Gebäude Medailleure im selben Maß inspiriert. Sehr häufig wurde, wie auch bei der Medaille der Schell Collection, die Abbildung des Gebäudes mit baulichen Hintergrundinformationen verbunden. Die Royal Commission erteilte der Firma von W.J. Taylor eine Lizenz zu Herstellung und Verkauf von Medaillen innerhalb des Kristallpalastes. Erinnerungsmedaillen wurden anscheinend auch vor den Augen des Publikums geprägt und zum Verkauf angeboten. Alle anderen Medaillen durften nicht innerhalb des Ausstellungsgebäudes vertrieben werden. Trotzdem fabrizierten unzählige private Firmen Erinnerungsmedaillen anlässlich der Weltausstellung und boten diese zum Verkauf an. Leider haben sich kaum Aufzeichnungen zu Produktion- oder Verkaufszahlen erhalten. Die Medaillen wurden als Souvenirs von Straßenhändlern rund um das Ausstellungsgelände und den Hyde Park verkauft. Andere Hersteller boten ihre Medaillen auch durch Werbeanzeigen in den Journalen und Tageszeitungen an. Der Großteil wurde aus dem sogenannten Weißmetall oder Britannia hergestellt, da diese in der Herstellung nur wenige Pence kosteten.[27]

Wie schon zu Beginn beschrieben, wurde die Erinnerungsmedaille der Schell Collection von der Firma Allen & Moore der Medaillisten John Allen und Joseph Moore hergestellt und gehört damit zu der Vielzahl an inoffiziellen Medaillen der Weltausstellung. Inoffiziell bedeutete aber nicht von minderer Qualität. Allen und Moore waren beide Schüler von Thomas Halliday gewesen, dem führenden Münzgraveur der Birminghamer Schule. Sie hatten ihren Sitz in der Great Hampton Row in Birmingham und produzierten diverse Artikel aus Pappmaché sowie Medaillen, Münzen, Vasen, Becher und Boxen aus Metall. Ihre Medaillen anlässlich der Londoner Weltausstellung mit den Büsten von Königin Victoria und Prinz Albert gehören zu ihren bekanntesten Werken.[28] Mindestens 40 verschiedene Designs, die als Sets in Messingboxen verkauft wurden, sind bekannt. Zu der Medaille in der Schell Collection mit Prinz Albert gab es beispielsweise auch ein Gegenstück mit Königin Victoria.[29]

Eine kleine Medaille kann also durchaus große Geschichten erzählen. Zu sehen ist sie in der kommenden Sonderausstellung der Schell Collection „Best of Depot“, die im April 2024 eröffnen wird. Besuchen Sie die Schell Collection für mehr spannende Objektgeschichten!

Text: Julia Stegmann, BA

 

Literatur

Allen, Leslie Lewis: The World’s Show. Coincraft’s Catalogue of Crystal Palace Medals and Tokens 1851-1931. London 2000.

Beutlicer, Christian: Weltausstellungen im 19. Jahrhundert. Ausst.-Kat. Die Neue Sammlung, Staatliches Museum für Angewandte Kunst München. München 1973.

Forrer, Leonard: Biographical Dictionary of Medallists. Coin-, Gem-, and Seal-Engravers, Mint-masters, &c. Ancient and Modern with Reference to their Works B.C. 500 – A.D. 1900. Volume I. London 1904.

Hartmann, Peter W.: Kunstlexikon. Wien 1996.

Krutisch, Petra: Aus aller Herren Länder. Weltausstellungen seit 1851 (=Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum Bd. 4). Nürnberg 2001.

Peters, Ursula: Erinnerungen an drei Weltausstellungen. In: Kulturgut. Aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums, 3. Quartal Heft 30 (2011), S. 2-8.

Onlinequellen

https://www.royal.uk/prince-albert [Zugriff 19.02.2024].

https://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/weltausstellungen/1851_London.html [Zugriff 19.02.2024].

https://en.numista.com/catalogue/mint.php?id=4329 [Zugriff 19.02.2024].

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Erinnerungsmedaille Schell Collection © prismaundkante

Abb. 2: Erinnerungsmedaille Schell Collection © prismaundkante

Abb. 3: Eingang beim nördlichen Querschiff des Kristallpalastes, Stich von H. Bibby. Tallis, John: Tally’s History and Description of the Crystal Palace and the Exhibition of the Worlds’s Industry in 1851. London 1852, o. S.

Abb. 4: Beutlicer, Christian: Weltausstellungen im 19. Jahrhundert. Ausst.-Kat. Die Neue Sammlung, Staatliches Museum für Angewandte Kunst München, München 1973, S. 7.

Abb. 5: Decoration of the Transept of the Great Exhibition, Watercolour, Owen Jones, 1851. © Victoria and Albert Museum, London. https://collections.vam.ac.uk/item/O16712/decoration-of-the-transept-of-watercolour-jones-owen/

Abb. 6: A View of Crystal Palace in Hyde Park, Watercolour, Edmund Walker, 1850. © Victoria and Albert Museum, London. https://collections.vam.ac.uk/item/O133569/a-view-of-crystal-palace-watercolour-walker-edmund/

Abb. 7: Queen Victoria opens the Great Exhibition in the Crystal Palace in Hyde Park, kolorierte Lithographie, Louis Haghe, 1851. © Victoria and Albert Museum, London. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Crystal_Palace_-_Queen_Victoria_opens_the_Great_Exhibition.jpg

Abb. 8: The Nave from the Eastern Dome at the 1862 Great Exhibition, Fotografie, London Stereoscopic Company, 1862. © Victoria and Albert Museum, London. https://collections.vam.ac.uk/item/O201179/the-nave-from-the-eastern-photograph-unknown/

Abb. 9: Refreshment Department of the Great International Exhibition of 1851, Hyde Park, Watercolour, Louis Haghe, ca. 1851. © Victoria and Albert Museum, London. https://collections.vam.ac.uk/item/O1069004/refreshment-department-of-the-great-watercolour-drawing-haghe/

Abb. 10: Preismedaille der Great Exhibition 1851, William Wyon und Leonard Charles Wyon, 1851. © Victoria and Albert Museum, London. https://collections.vam.ac.uk/item/O1262804/prize-medal-for-the-great-medal-william-wyon/

 

[1] Krutisch, 2001, S. 9.

[2] Vgl. Hartmann, 1996, S. 983-984, s.v. Medaille, Medailleur.

[3] Vgl. Allen, 2000, S. 42; vgl. auch Hartmann, Kunstlexikon, 1996, S. 243, s.v. Britanniametall.

[4] Übersetzung: „Seine Königliche Hoheit Prinz Albert.“, „Geboren 26. August 1819. Verheiratet 10. Februar 1840.“

[5] Übersetzung: „Der Kristallpalast“, „Für die große Ausstellung in London 1851“.

[6] Vgl. Forrer, 1904, S. 41.

[7] Vgl. Krutisch, 2001, S. 9; vgl. Beutlicer, 1973, S. 5; vgl. Hartmann, 1996, S. 1628, s.v. Weltausstellung.

[8] Vgl. Krutisch, 2001, S. 11-12; vgl. Allen, 2000, S. 23.

[9] Vgl. https://www.royal.uk/prince-albert.

[10] Vgl. Krutisch, 2001, S. 12, 14.

[11] Vgl. Krutisch, 2001, S. 13-14, 16; vgl. Beutlicer 1973, S. 4, 7; vgl. Peters, 2011, S. 2; vgl. Allen, 2000, S. 24-25.

[12] Vgl. Allen, 2000, S. 9.

[13] Krutisch, 2001, S. 16.

[14] Beutlicer 1973, S. 9.

[15] Vgl. Krutisch, 2001, S. 16.

[16] Vgl. Peters, 2011, S. 3; vgl. Krutisch, 2001, S. 25.

[17] Vgl. Krutisch, 2001, S. 17, 21-24; vgl. Peters, 2011, S. 2; vgl. Allen, 2000, S. 25.

[18] Vgl. Krutisch, 2001, S. 22-23.

[19] Krutisch, 2001, S. 22-23.

[20] Vgl. https://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/weltausstellungen/1851_London.html; vgl. Krutisch, 2001, S. 24.

[21] Vgl. Krutisch, 2001, S. 22.

[22] Vgl. Allen, 2000, S. 24-29; Krutisch, 2001, S. 17, 21-22.

[23] Vgl. Krutisch, 2001, S. 24.

[24] Vgl. Forrer, 1904, S. 41.

[25] Vgl. Allen, 2000, S. 31.

[26] Vgl. Krutisch, 2001, S. 21.

[27] Vgl. Allen, 2000, S. 12, 42; vgl. Krutisch, 2001, S. 39.

[28] Vgl. Forrer, 1904, S. 41-42; vgl. https://en.numista.com/catalogue/mint.php?id=4329.

[29] Vgl. Allen, 2000, S. 43-52.