Frontpage Objekt des Monats

Objekt des Monats September 2024

Objekt des Monats September 2024

„Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“ – Eine kleine Geschichte des Bierbrauens

Zunftkrug eines Bierbrauers

Diesen Monat geht es um einen Zunftkrug. Ein Krug? Im Schlüssel- und Schlossmuseum? Ja! Der Krug ist Teil der Zunftsammlung und befindet sich im 2. Stock der Schell Collection. Dort steht er zwischen Zunft- und Stammtischzeichen.

Abb. 1: Zunftkrug der Bierbrauer

Das Objekt

Inv. Nr.: 8719

Maße: 25 cm Höhe, 8 cm Durchmesser

Datierung: 1920er–1930er

Standort: 2. Stock, Vitrine 40

Beim Objekt handelt es sich um einen Porzellankrug, welcher mit Darstellungen, Sprüchen und einem aufklappbaren Deckel versehen ist. Das Thema erschließt sich daraus eindeutig: Bier. Das Trinkgefäß, auch Humpen genannt, zeigt eine Bemalung mit Szenen aus einer Brauerei. Zentral ist ein König zu sehen – erkennbar an seiner Krone und Zepter. Er trägt ein grünes Gewand und einen stattlichen Bart. Doch er hält in seiner anderen Hand auch etwas, das für einen König unüblich erscheint: Einen Bierkrug. Statt auf einem Thron mit Silber und Gold, sitzt er auf einem Bierfass. Über ihm ist eine Banderole mit den Worten zu sehen: „Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“. Passend dazu wird der fassreitende König von Hopfenreben und Getreideähren umrahmt.

 

Unterhalb des Königs ist auf einem Wappenschild ein Zunftzeichen dargestellt – natürlich das der Bierbrauer. Es handelt sich hierbei um einen Braubottich, aus dem Bierschapf, Rührscheit und Malzschaufel ragen. Als weitere Anspielung auf die Brauerei stehen links und rechts Getreideähren hervor. Darunter ist ein Bierbrauer zu sehen. Er lehnt an einer Maschine – vermutlich ist dahinter bereits die Abfüllung des Bieres zu sehen. Die Darstellungen links und rechts geben einen Einblick in die Brauerei. Gezeigt werden die unterschiedlichen Arbeitsschritte der Bierherstellung. Noch ein Spruch zieht sich durch die beiden Seiten: „Hoch lebe die edle Bierbrauerei“. Der Krug ist somit eine Hommage an die Kunst des Bierbrauens.

Abb. 3: Detailansicht Vorderseite des Zunftkruges

 

„Eher soll die Welt verderben, als vor Durst ein Bauer sterben“, kann man außerdem über den Darstellungen lesen. Der Reim soll zum Trinken einladen – am besten natürlich ein kühles Bier. Am Fuß des Kruges steht ein Name: „Karl Sinko“. Leider ist nichts Genaueres zu diesem Namen bekannt. Es finden sich ähnliche Krüge, teils sogar mit demselben Motiv, wobei ein anderer Name angebracht ist. Aus diesem Grund wird angenommen, dass es sich hierbei eher um den Besitzer des Kruges handelt.

Der Klappdeckel des Kruges ist aus Zinnguss hergestellt und mit Verzierungen geschmückt. Man kann Rocaillen, Ranken und kleine Putti sehen. Der Deckel selbst erinnert an einen Helm. Im Vergleich zu ähnlichen Krügen fällt auf, dass die Form üblich war. Man findet sie auch bei Reservistenkrügen, welche als Andenken für Soldaten dienten.[1] Da sich der Deckel aufklappen lässt, hat er ein Scharnier mit einem Drücker, welches am Henkel des Kruges befestigt ist. Der Drücker ist ein vollplastischer doppelschwänziger Löwe. Er fungiert als Schildhalter. Löwen waren die beliebtesten heraldischen Figuren und wurden auch häufig als Schildhalter dargestellt.[2] Das Wappen selbst ist ein Warteschild (das ist ein leeres Schild). Weiters hat der Löwe eine Kopfbedeckung. Diese ist jedoch nicht eindeutig zuzuordnen. Sie weist große Ähnlichkeit zu einem Kurfürstenhut auf.

Abb. 4: Detailansicht Klappdeckel des Zunftkruges

Lithophanie

Im Boden des Kruges offenbart sich ein weiteres Detail: eine Lithophanie. Hebt man den Deckel des Kruges an und richtet den Krug in Richtung einer Lichtquelle, wird ein Bild sichtbar.[3] Dargestellt sind zwei Frauen in einer Stube mit einem Tisch und einem Stuhl. Sie b

Abb. 5: Lithophanie am Boden des Zunftkrugs

eugen sich über einen Brief. Sie tragen Tracht. Ihre Haare sind zu einer Flechtfrisur zusammengebunden und mit einem Haarschmuck geziert. Eine der zwei Damen trägt einen Schlüsselbund am Rock – ein kleines Detail, welches perfekt in die Schell Collection passt.

Solche Lithophanien schmücken häufig die Böden von Krügen. Sie wurden sichtbar, wenn der Humpen geleert wird. Auch dasselbe Motiv taucht öfter auf, es gibt jedoch eine Vielzahl an verschiedenen Lithophanien. Manchmal passte das Bild auch zur Darstellung am Krug. Das Motiv im Zunftkrug spielt eher auf einen Reservistenkrug an. Der Brief könnte als Nachricht von der Front interpretiert werden.

Zünfte und Zunftzeichen

Zünfte kann man als Zusammenschlüsse von Berufsgruppen verstehen. Sie haben eine lange Geschichte, welche bis ins Mittelalter zurückreicht und ihr Ende im 19. Jahrhundert findet.[4] Dadurch konnte man eine wirtschaftliche Stärkung des Handwerks erreichen. Wollte man ein Handwerk ausüben, musste man zur entsprechenden Zunft gehören. Die Zunft bestimmte alle möglichen Aspekte des Lebens, auch den Alltag. Brauchtum spielte eine wichtige Rolle und regelmäßige Versammlungen standen ebenfalls auf dem Plan.[5] Die Spuren der Zünfte sind immer noch sichtbar: Oftmals kann man die Bedeutung der Zunftzeichen in der Gegenwart noch erschließen.

Ähnlich wie Bäcker, Metzger und Handwerker waren auch die Bierbrauer in einer Zunft organisiert und hatten ihr eigenes Zunftzeichen. Es kam in verschiedenen Varianten vor, hatte aber immer wieder die gleichen Merkmale. Das typische Zunftwappen der Bierbrauer setzt sich aus ihren Arbeitsgeräten zusammen: Bottich, Bierschapf, Rührscheit und Malzschaufel. Oft kommen aber auch Hopfen und Gerste (oder einfach Getreideähren) hinzu, da sie die Hauptbestandteile für das Bier sind.[6] Das Zunftzeichen der Bierbrauer enthält Geräte, die von anderen Handwerkern hergestellt wurden. Der Bottich beispielsweise wurde von Böttchern hergestellt. Man findet ihn somit nicht allein in Zunftzeichen für Bierbrauer.[7]

Neben den Zunftzeichen und Zunftkrügen hat es auch Stammtischzeichen gegeben. Es war üblich für jede Zunft, einen Ort für Versammlungen zu haben. Dies konnte ein eigenes Zunfthaus sein oder auch nur ein angemieteter Stammtisch in einem Gasthaus. Um zu kennzeichnen, welche Zunft an welchem Tisch saß, gab es die Stammtischzeichen. Sie ähneln den Zunftzeichen sehr.[8] Auch in der Schell Collection sind zwei Stammtischzeichen der Bierbrauer vorhanden. Beide zeigen die typischen Werkzeuge für das Bierbrauen. Das Fass ist nur auf einem zu sehen.

Die Anfänge des Bierbrauens

Abb. 8: Ägyptische Statue eines Bierbrauers, ©Uni-Dia-Verlag

Seit wann wird denn eigentlich Bier gebraut? Seit dem Mittelalter oder vielleicht sogar noch früher? Das Bierbrauen ist keineswegs ein modernes Phänomen. Bier wurde bereits lange vor Christi Geburt getrunken. Als die Menschen anfingen, sesshaft zu werden (neolithische Revolution), war das Getränk bekannt.[9] Die Herstellung von Bier war zum Beispiel auch dem Volk der Sumerer im 3. Jahrtausend v. Chr. vertraut. Sie nutzten dafür den Emmer, welcher dem heutigen Weizen am ehesten gleicht. Ein überliefertes Schriftdokument zeigt den Brauprozess. Verwendet wurde es als Opfergabe für die Göttin Nin-Harra.[10] Im altbabylonischen Reich gab es sogar Gesetze, die das Bier betrafen. Im Codex Hammurabi wurden beispielsweise Würzgehalt und Bierpreis festgelegt. Weiters ist Bier auch im alten Ägypten nachgewiesen. Dazu fand man eine Statue eines Bierbrauers, welche in das Alte Reich datiert wurde. Das bedeutet, dass die Statue über 4000 Jahre alt ist. [11]

Die Bierherstellung, wie wir sie heute kennen, ist jedoch erst später entstanden. Das Bierbrauen war lange Zeit in den Händen von Privatpersonen. Jeder konnte das Bier für den Eigenbedarf selbst brauen. Erst im Mittelalter wurde die Tätigkeit in Zünften organisiert, womit das Brauen allmählich zu einem Gewerbe wurde.[12] Das nennt sich dann Braugerechtigkeit oder Braurecht.[13] Um auf diese hinzuweisen, gab es den Sechsstern. Er war entweder allein oder mit einem Trinkgefäß in der Mitte des Sterns dargestellt.[14] Auch die Klosterbrauereien kamen erst später auf. Sie hatten ihre Anfänge in der Karolingerzeit, also ca. im 8. Jahrhundert n. Chr.[15]

Das Reinheitsgebot

Es ist wohl eine der bekanntesten Überlieferungen aus dem Mittelalter: das Reinheitsgebot. Tatsächlich gab es nicht nur eines davon. Wenn heute vom Reinheitsgebot gesprochen wird, dann bezieht man sich auf jenes aus dem Jahr 1516. Es hatte lange Bestand und galt territorial übergreifend im deutschsprachigen Raum. Im Reinheitsgebot wurden die Inhaltsstoffe für Bier festgelegt. Man sollte demnach nur Gerste, Hopfen und Wasser verwenden. Weizen war folglich nicht mehr erlaubt. Es gab jedoch Sonderregelungen für königliche Bierbrauer.[16] Die Einführung solcher Regelungen hatte den Sinn, die Inhaltsstoffe übersichtlicher zu machen. Oftmals wurden die Biere mit diversen Würzstoffen versehen. Diese Beimengungen veränderten nicht nur Geschmack und Geruch des Bieres, sie konnten auch durchaus schädlich für die Gesundheit sein. Im Mittelalter gab es zudem oft Missernten bzw. Getreideknappheit. Dann war der Rohstoff für die Bierzubereitung nicht im ausreichenden Maß vorhanden. Die Menschen waren auf das Getreide angewiesen, da sie daraus Brot und andere Nahrungsmittel herstellten.[17]

Trinkkultur

Bier hatte als alkoholisches Getränk schon seit jeher einen großen Konkurrenten: den Wein. Auch der Wein blickt auf eine lange Geschichte zurück. Ob lieber Bier oder Wein getrunken wurde, war je nach Kultur, zeitlicher Epoche oder gesellschaftlichem Stand verschieden.[18] Grund für den Rückgang der Beliebtheit des Bieres war die Einfuhr von Kaffee, Tee und Kakao. Da diese Produkte als luxuriös und wohl schmeckend galten, entstand schnell eine große Nachfrage.[19] Wie wir heute wissen, konnten weder Wein noch die Kolonialprodukte das Bier als Getränk verdrängen.

Das gemeinsame Trinken galt damals wie heute als gesellig. Diese Geselligkeit findet sich bereits im alten Ägypten – Rechnungsbücher belegen dies. Somit hatte Bier auch eine soziale Bedeutung.[20] Bier war nicht nur ein Getränk. Es galt lange Zeit auch als Nahrungsmittel – man spricht heute noch von „flüssigem Brot“. Die Menschen nahmen an, dass Bier (aufgrund des Getreides) wirklich eine flüssige Form des Brotes war. Es galt auch als bekömmlicher als das klassische Brot.[21] Bier enthält zwar Nährstoffe, jedoch auch Kalorien und Alkohol. Übermäßiger Bierkonsum ist ungesund und kann zu Alkoholismus führen.[22]

Unser Zunftkrug steht also am Ende einer langen Geschichte. Er ist eine Erinnerung an die vergangene Zeit der Zünfte. Wenn Sie gerne mehr über Zunftzeichen erfahren möchten, besuchen Sie den 2. Stock der Schell Collection.

 

Text: Emma Haider, BA BA

 

Bibliografie

Drewes, Michael: Hopfen und Malz, Gott erhalt’s – Eine kleine Ökonomik des Bieres zum 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes. In: WiSt – Wirtschaftswissenschaftliches Studium (= Zeitschrift für Studium und Forschung Heft 12). München/Frankfurt 2016, S. 652 – 656, Online verfügbar: https://doi.org/10.15358/0340-1650-2016-12-652 (Zugriff: 5.8.2024).

Hetjens-Museum (Hg.): Leuchtender Stein – Die Geschichte der Lithophanie vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Dresden 2013.

Hirschfelder, G./Trummer, M.: Bier – Die ersten 13000 Jahre. Darmstadt 2022.

Hoffmann, Moritz: 5000 Jahre Bier. Frankfurt/Berlin 1956.

Leonhard, Walter: Schöne alte Wirtshausschilder. München 1977.

Museum Schloss Neuenburg (Hg.): Zünftig trinken, ständisch saufen. Von Gefäßen und Ritualen. Ausst.-Kat. Freyburg 2015.

Neubecker, Ottfried: Wappenkunde. München 2002.

Reith, Reinhold (Hg.): Das alte Handwerk – Von Bader bis Zinngießer. München 2008.

Schaich, Siegmund: Deutsche Reservisten-Bierkrüge: Zeitzeugen der Kaiserzeit von 1871 bis 1918. Waiblingen 2013.

Schmidt, Leopold: Zunftzeichen – Zeugnisse alter Handwerkskunst. München 1979.

Stieglitz, Leo von: Zünfte in Württemberg – Regeln und Zeichen altwürttembergischer Zünfte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Ausst.-Kat. Stuttgart 2000.

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1-5: Zunftkrug der Bierbrauer, Schell Collection, Graz

Abb. 6: Zunftzeichen der Bierbrauer, Schell Collection, Graz

Abb. 7: Stammtischzeichen der Fassbinder, Schell Collection, Graz

Abb. 8: Ägyptische Statue eines Bierbrauers, ©Uni-Dia-Verlag, Grosshesselohe bei München (Uni-Dia-Nr. 11132)

 

[1] Vgl. Schaich, 2013, S. 3-4.

[2] Vgl. Neubecker, 2002, S. 182.

[3] Vgl. Hetjens-Museum, 2013, S. 11.

[4] Vgl. Schmidt, 1979, S. 7.

[5] Vgl. Schloss Neuenburg, 2015, S. 7.

[6] Vgl. Leonhard, 1977, S. 189.

[7] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 173.

[8] Vgl. Stieglitz, 2000, S. 59.

[9] Vgl. Reith, 2008, S. 29.

[10] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 21-22, Sie galt als Fruchtbarkeitsgöttin und Erfinderin des Bieres.

[11] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 26-32.

[12] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 45.

[13] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 53.

[14] Vgl. Leonhard, 1977, S. 189.

[15] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 45.

[16] Vgl. Drewes, 2016, S. 653.

[17] Vgl. Hirschfelder/Trummer, 2016, S. 16.

[18] Vgl. Reith, 2008, S. 29.

[19] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 123-124.

[20] Vgl. Hirschfelde/Trummer, 2016, S. 14.

[21] Vgl. Hoffmann, 1956, S. 107.

[22] Vgl. Hirschfelder/Trummer, 2016, S. 10.