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Objekt des Monats Februar 2022

Vorhangschlösser mit Papiersiegel in der Schell Collection

Inv. Nr. 8168, 5,5 x 3,8 cm, Messing und Eisen mit Papiersiegeln (Abb. 1, Abb. 2)

Inv. Nr. 7269, 5 x 3,5 cm, Messing und Eisen (Abb. 3, Abb. 4))

Inv. Nr. 3702, 14 x 8,3 cm, Messing und Eisen (Abb. 5)

Inv. Nr. 7663, 9,5 x 5,3 cm, Messing (Abb. 7, Abb. 8))

Inv. Nr. 7269, 11 x 7,5 M, Messing und Eisen (Abb.9, Abb.10)

 

Siegel-Vorhangschlösser wurden von Elektrizitätswerken verwendet, vom Zoll beim Einheben der Branntweinsteuer oder vom Zoll sowie Militär zum Versiegeln von Behältnissen.

Das kleine Vorhangschloss (Abb. 1.) wurde in London erworben und gehört in die Reihe der Siegel-Vorhangschlösser, mit denen plombenartig etwas behördlich versiegelt und verschlossen wurde. Das Siegel bestand meist in Form eines kleinen Papierstreifens, der im Schloss eingelegt, beim Öffnen mit dem Schlüssel oder mit kleinen Stiften zerstört wurde (Abb. 2). So war bei Kontrollen sofort ersichtlich, dass Unbefugte das Schloss geöffnet hatten, weil das kleine Papierstück zerstört/zerrissen war.

Abb. 1: Lowe & Fletscher, Siegel-Vorhangschloss

Zwei dieser kleinen Schlösser dienen zur Bezahlung bei häuslicher Stromabnahme (Abb. 1, 3). Die Schlösser hingen am Zählerkasten, nach dem Einwurf von Geld floss der Strom. Jedes Elektrizitätswerk hatte seine eigenen Schlösser. Die Firma Lowe & Fletcher hat sie für ganz Großbritannien erzeugt, auf den Schlössern ist der jeweilige Distrikt eingraviert. Bei dem aus der Schell Collection ist es Brighton. Die Schlösser waren bis 1947 in Verwendung. In England nennt man sie „utility meter seal padlocks“ und bei einem ist auch ein Briefchen vorhanden, wo einzelne Papiersiegel abgerissen und in das Schloss gelegt werden können. Der Sammler Ingo Schmöckl korrespondierte im Jahr 1987 mit der South Eastern Electricity in East Sussex und berichtet darüber: „… es diente der Elektrizitätsgesellschaft von Brighton zum Verschließen des beim Kunden aufgestellten Münzmagazins.“

Bis zum Jahre 1947 wurde der Strom an Privathaushalte in der Weise geliefert und abgerechnet, dass der Kunde eine Münze in dieses Magazin steckte, um eine bestimmte Menge Strom geliefert zu bekommen.“[1] Ein informatives Video zeigt wie diese Geräte funktioniert haben und welche Funktion das Vorhangschloss bei der Sicherung der Münzen hatte.[2] Es verhinderte, dass der Münzbehälter mit den eingeworfenen Münzen abgenommen werden konnte. Durch das sichtbare Papiersiegel konnte der Kontrollor sofort erkennen, ob der Geldbehälter von Unbefugten entleert wurde.

Wie funktioniert nun die Verplombung beim Schloss der Elektrizitätswerke? Die Schlossplatte lässt sich nach vorne aufklappen und das Papier wird eingelegt. Wenn das Schloss mit Hilfe des Schlüssels wieder geöffnet werden soll, muss der Schlüssel das Papier durchstoßen und zerstört es. Damit ist sichtbar, dass das Schloss durch Unbefugte geöffnet wurde.

Abb.2: Papiersiegel zum Einlegen

Unser zweites Schloss einer Elektrizitätsfirma ist in der Form sehr ähnlich. (Abb. 3, Abb. 4) Es wird gleich dem ersten Schloss, durch das Einlegen der Papiermarke zu einem Sicherheitsschloss. Auch hier wird die Vorderseite aufgeklappt und beim Aufsperren durchsticht der Schlüssel das Papier.

 

Andere Schlösser funktionieren, indem sich beim Drehen des Schlüssels kleine Eisenstifte drehen oder kurz nach vorne schießen und so das eingelegte Papiersiegel zerreißen. Schmöckel führt darüber in seinem Buch aus: „.. das etwa seit 1890 produziert und bis 1981 verwendet wurde und das wohl auf ein Patent aus dem Jahr 1829 von Andrew Gottlieb zurückgeht, verschloss die englische Steuerbehörde bestimmte Behältnisse bei der Alkohol-Destillation, um die korrekte Erhebung der Branntweinsteuer sicherzustellen.“[3]  Beim Drehen des Schlüssels dreht sich auch der Nietenknopf mit den fünf spitzen Nieten und zerreißt das Siegel. (Abb. 5)

Abb. 5: Spiritus Safe Lock, Papiersiegelschloss

Schlösser der Firma Tucker & Reeves aus London[4] sind in sehr ähnlicher Form auch in der Sammlung Schell vorhanden.

Diese Vorhangschlösser sichern einen gläsernen Kasten den sogenannten „spiritus safe“. Hier hinein gelangt das Destillat und kann vom Destillateur eingesehen, beobachtet und gesteuert werden in den sogenannten Vor- und den Nachlauf, die beide nicht von guter Qualität sind und anderweitig Verwendung finden. Der „spiritus safe“, ein Gerät zum leichteren Kontrollieren der Qualität während des Destilliervorganges, soll in den 1820er Jahren von einem Mann namens Septimus oder James Fox erfunden und schon ein Jahr später zur verpflichtenden Ausrüstung aller Destillerien gemacht worden sein.[5] Vor dem Jahr 1983 hatten in Schottland nur der Zoll- und Verbrauchssteuerbeamte allein den Schlüssel für das Vorhangschloss. So konnte verhindert werden, dass der Alkohol an der Steuer vorbei gewonnen werden konnte. Jetzt ist der Schlüssel auch im Besitz der Brennerei und der Brennmeisters.

Ein sehr ähnliches Schloss konnte von der Autorin in einer Destillerie in Dublin im Jahr 2013 fotografiert werde (Abb. 6), hängend am dortigen „spiritus safe“.

Abb. 6: Spiritus Safe Lock, Dublin 2013

Das in Dublin entdeckte Schloss, ähnelt jenem der Schell Collection (Abb. 7), das von der Firma V&R Blakemore in Birmingham erzeugt wurde. Zum Öffnen des Schlosses, beim Einführen des Schlüssels in das Schlüsselloch, muss das Türchen auf der Vorderseite nach oben geschoben werden. Beim Einführen des Schlüssels in das Schlüsselloch wird das eingelegte Papiersiegel zerstört. Zum Einlegen des Siegels wird das Schloss aufgesperrt, die Vorderseite nach vorne geklappt und der Papierstreifen wird eingelegt. (Abb. 8)

Eine andere Art, diesmal aus Frankreich, zeigt das letzte der vorgestellten Schlösser (Abb. 9). Ein Siegelschloss der Firma Ferret J. Desailly aus Paris. Es hat eine fast quadratische Form mit einer beweglichen Lasche im oberen Drittel des Schlosskörpers. Zum Einlegen des Papierstreifens wird das Schloss geöffnet, der Bügel hochgezogen und die vordere Lasche geöffnet. Das Siegel wird über die runde Stiftplatte gelegt und die Lasche wieder geschlossen. Beim Aufsperren und Hochziehen des Bügels, schießen die Nieten nach vorne und zerreißen das Siegel. Diese Lasche wird mitsamt dem Bügel verschlossen und beherbergt sichtbar, ein kreisrundes Loch, wo das Papier eingelegt wurde. Dazu gibt es auch eine Patentschrift mitsamt detaillierter Zeichnung aus dem Jahr 1878 wo das Patent des Franzosen Eugene Ferret in den USA eingereicht wurde.[6] (Abb. 10) In der Patentschrift ist zu lesen, dass die dahinterliegende Idee für die Erfindung, die Verhinderung von unbefugtem Öffnen war.

 

Zusammenfassung

Vorhangschlösser mit zusätzlicher Sicherheitsfunktion in Form von in das Schloss gelegten Papiermarken waren in ganz Mitteleuropa und auch in Amerika verbreitet. Die Sicherheit des Schlosses vor unbefugtem Öffnen wurde durch das eingelegte Papierstück, das sichtbar unbeschädigt sein musste, gewährleistet. So gelang, mit einem simplen Papier, das billig herzustellen war, ein brauchbarer Sicherheitsaspekt und die Schlösser waren jahrzehntelang in Gebrauch.

Text: Mag. Martina Pall

 

 

Abbildungsverzeichnis: Alle Fotos Hannah Konrad, Schell Collection außer Abb. 6

Abb. 1 Schloss von Lowe & Fletcher

Abb. 2 Papiersiegel für Schloss von Lowe & Fletcher

Abb. 3 Schloss Tourtels Diamond

Abb. 4 Schloss Tourtels Diamond, geöffnet

Abb. 5 Schloss Spiritus Safe Lock mit Schlüssel

Abb. 6 Fotografiert von Pall in Dublin: Spiritus Safe Lock, Dublin 2013

Abb. 7 Schloss Blackmore

Abb. 8 Schloss Blackmore, geöffnet

Abb. 9 Französisches Papiersiegelschloss Fa. Ferret

Abb. 10 Französisches Patent (Zitat siehe Endnote 6)

 

Literatur:

ARNALL Franklin M: The Padlock Collector, a price guide. Claremont 1996.

PALL Martina, Das europäische Vorhangschloss, Graz 2009.

SCHMOECKEL Ingo: Vorhängeschlösser Sammlung Ingo Schmoeckel, Oberursel 2000.

 

Online-Quellen:

Foto Schloss Spirit Safe Lock: https://myannoyingopinions.com/2018/08/24/pulteney-properly/spirit-safe-lock/ (abgerufen am 3.2.2021)

Französisches Patent: https://pdfpiw.uspto.gov/.piw?PageNum=0&idkey=NONE&SectionNum=3&HomeUrl=&docid=210844 (abgerufen am 4.2.2021), Abb. 10

www.1st-net-lock-museum.com (abgerufen am 3.2.2021)

 

[1] Schmoeckel, Vorhängeschlösser, Seite 10 f.

[2] https://www.youtube.com/watch?v=PNdeYW5Plwg (abgerufen am 3.2.2021)

[3] Schmoeckel, Vorhängeschlösser, Seite 10.

[4]http://digital.slv.vic.gov.au/view/action/singleViewer.do?dvs=1612363928936~22&locale=de&metadata_object_ratio=10&show_metadata=true&VIEWER_URL=/view/action/singleViewer.do?&preferred_usage_type=VIEW_MAIN&DELIVERY_RULE_ID=10&frameId=1&usePid1=true&usePid2=true (abgerufen am 3.2.2021)

[5] https://vinepair.com/wine-blog/weird-whisky-term-spirit-safe/ (abgerufen am 3.2.2021)

[6] https://pdfpiw.uspto.gov/.piw?PageNum=0&idkey=NONE&SectionNum=3&HomeUrl=&docid=210844 (abgerufen am 4.2.2021)