„Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.“ Mt. 26,21
Das letzte Abendmahl nach Leonardo da Vinci
Dieser eine Satz, den viele von Ihnen bestimmt schon in der einen oder anderen Form gehört haben, ist maßgebend für die Geschichte der Kunst und ihrer christlichen Werke. Die berühmtesten Abbildungen von Jesus zeigen ihn während des letzten Abendmahls, bei welchem er verkündete: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten“ (Mt. 26,21). Um einen kleinen Überblick oder eine Auffrischung in diese Thematik zu bekommen, werfen wir einen Blick in die Heilige Schrift:
In der Erzählung des Neuen Testaments soll Judas, der anders als die übrigen Apostel nicht aus Galiläa, sondern aus Judäa stammt, für 30 Silbermünzen Jesus an die Hohepriester verraten haben. Die Szene, die für dieses Objekt des Monats relevant ist, zeigt den Abend des Paschamahls, an dem Jesus gemeinsam mit seinen zwölf Jüngern am Tisch saß und gemeinsam speisten. Während des Mahls sprach er von einem Apostel, der ihn verraten wird. Nach dem Mahl gingen sie den Ölberg hinauf und kamen zum Garten Getsemani, wo Jesus zu beten begann. Als er nach dem dritten Gebet zu seinen Jüngern zurückkam, erblickte er Judas mit den Hohepriestern. Diese lieferten Jesus Christus an die Römer aus, die ihn später ans Kreuz nagelten.
Das Objekt
Inv. Nr.: 1291
Maße: 83 x 53,5 cm
Standort: 2. Stock, Wand 5
Leonardo da Vinci entschloss sich in seinem Wandgemälde in Santa Maria delle Grazie in Mailand diese Szene einzufangen, nichtsahnend dass er damit eines der berühmtesten Kunstwerke der ganzen Welt schaffen würde. Heute findet man Abbildungen seines Werkes in allen Varianten, Techniken und Formen. Von besonderem Interesse für die Schell Collection sind aber jene Exponate aus Gusseisen. Insgesamt zehn Nachbildungen von da Vincis Werk finden sich in der Sammlung, davon sind vier Plaketten, drei Wandbilder und drei Standkreuze. Bevor wir uns aber näher mit Leonardos Werk beschäftigen, werfen wir zunächst einen Blick auf das ausgewählte Objekt des Monats, welches als Repräsentation aller übrigen dient.
Die bronzierte Gussplatte (Abb. 1) in einem Rahmen mit Rosettenverzierung stammt von einem Modell nach Leonhard Posch, welches er 1822 anfertigte und 1823 in den Königlich Preußischen Gießereien gegossen wurde. Das Modell wurde nach dem Vorbild des Kupferstichs (Abb. 2) von dem Italiener Raffaello Morghen gefertigt. Die gestochene Graphik gilt als die detailgenaueste Nachbildung des Originalgemäldes. Darunter findet sich die Inschrift „AMEN DICO VOBIS QUIA UNUS VESTRUM ME TRADITURUS EST. Matt: C. XXVI“. Das Wandbild aus der Schell Collection wurde um 1830 gegossen und stammt aus der Gießerei Horowitz-Komarau. Zurückführen lässt sich dies auf die beiden Signaturen „Komarau“ und „Komárov“ in den unteren Ecken des Gussbildes, auf die später noch näher eingegangen wird. Gezeigt wird auf der Reliefplatte das Letzte Abendmahl nach Leonardo da Vinci.
Gießerei Komarau
„Als überragend und dem preußischen Eisenguß nicht nachstehend“, wie im Buch Kleinkunst in Eisenguss nachzulesen ist, besticht die Eisengießerei des Wiener Grafen Rudolph Johann Nepomuk von Wrbna-Freudenthal (1761-1823) durch ihre außerordentliche Qualität. Graf Wrbna-Freudenthal studierte Philosophie und Rechtswissenschaften und besuchte anschließend die Bergakademie in Chemnitz. Sein erlangtes Wissen konnte er später in seinem Betrieb anwenden.[1]
Nach 1802 stellte er seine anderen Verpflichtungen zurück, um sich auf die Verwaltung seiner privaten Güter zu konzentrieren. Der Fokus lag hierbei auf der Etablierung einer Eisenindustrie in Komarau, welche er 1785 gründete. Seit 1815 wurde dort in der ersten böhmischen Hütte Eisenkunstguss erzeugt. Diese spezifische Abteilung unterstand dem Schichtamt in Komarau, wohingegen die Ateliers und Werkstätten der Künstler in Horowitz waren. Jene Orte befinden sich im heutigen Tschechien nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Komplex fallen deswegen die Signaturen (Abb. 3) aus, die in unterschiedlichen Versionen auftreten können. Manchmal wurden beide Orte angegeben, manchmal nur einer und auch die Schreibweise derselben konnte variieren.[2]
In der Gründungsphase der Gießerei spezialisierte man sich zunächst auf die Produktion von Öfen. Fünfzig Modelleure und Former waren im Betrieb tätig, wobei sechs davon ihr Aufgabengebiet im Eisenkunstguss fanden. Die Feinheit der Kunstgüsse wurde durch einen königlichen Bergmeister überprüft. Die Gießerei verwendete für ihre Produktion einen mageren Formsand. Um vor dem Polieren die Form einstauben zu können, wurde hingegen ein feiner, fetter Formsand verarbeitet. Für Medaillen hingegen ließ Graf Wrbna-Freudenthal sogar einen eigenen Sand aus Wien anliefern. Er hatte als hoher Beamter der österreichischen kaiserlichen Kommission für Bergbauangelegenheiten gute Beziehungen zu den preußischen Gießereien und erhielt neben Modellstücken auch die Erlaubnis zu deren Nachgüssen. [3]
Zu den signifikantesten Produktionen von Horowitz-Komarau zählte aber der Schmuck aus Eisenguss. Als im Jahr 1823 Rudolph Johann Nepomuk von Wrbna-Freudenthal starb, übernahm sein Sohn Eugen, und in späterer Folge dessen Sohn Rudolf Eugen, den Betrieb und führte ihn erfolgreich bis 1852 weiter. Anschließend wurde die Gießerei an den hessischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. verkauft und wechselte in weiterer Folge mehrfach ihren Besitzer. Auch heute noch widmet sie sich der Erzeugung von Nutzabgüssen und einigen Kunstgussobjekten unter der Firma Buzuluk.[4]
Interessanterweise lässt sich auf deren Website die Entwicklung der Vorgänger nachverfolgen. Laut der Firma Buzuluk, die seit 2017 als neues Unternehmen Piston Rings Komarov bekannt ist, wurde nach ungeprüften Angaben bereits im Jahr 596 eine Eisenhütte Comoravium gegründet. Beweise sollen eine sehr alte Existenz der Eisenverhüttung in der Region Podbrdy belegen, in der heute Komarau gelegen ist. Nach alten Archivaufzeichnungen ist das Jahr 1460 das historische Jahr für die Gründung der Eisenindustrie in Komarau. Seit ihrer Begründung haben die Hüttenwerke in Komarau einen Aufschwung erlebt. Danach folgten mehrere Besitzwechsel, bis sie wie oben angeführt in die Grafenfamilie Wbrna-Freudenthal überging und sich neu aufstellte.[5]
Das Genie
Nach diesem kleinen Exkurs nach Tschechien kommen wir nun zurück nach Graz zu unserem Exponat aus der Schell Collection. Wie deutlich erkennbar ist, handelt es sich bei der Darstellung des Reliefbildes um eine Nachbildung des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci (Abb. 4). Aber wer war da Vinci überhaupt? Was steckt hinter dem Genie und seinen Werken? Tätig am Hof für Ludovico Sforza zählte er als herzoglicher Maler und Ingenieur zu den herausragendsten Männern der Renaissance. Der gebürtige Toskaner war nach Mailand gekommen, in der Hoffnung beeindruckende Kriegsmaschinen zu entwerfen und umzusetzen. Jedoch musste er sich zunächst mit bescheideneren Aufgaben begnügen. Leonardo wurde am 15. April 1452 in der Nähe eines kleinen Dorfes namens Vinci, welches westlich von Florenz liegt, geboren. 20 Jahre später ließ er sich in die Bruderschaft der Maler in Florenz aufnehmen. In seiner Freizeit zeichnete Leonardo zunächst sehr gerne Skizzen, auf die sein Vater aufmerksam wurde. Dies veranlasste ihn, seinen Sohn in die Lehre zum Florentiner Maler und Goldschmied Andrea del Verrocchio, welcher einen ausgezeichneten Ruf besaß und für die Familie Medici arbeitete, zu schicken. Für gewöhnlich war die Lehrzeit für sechs bis sieben Jahre angedacht, die man bei einem anerkannten Meister verbringen musste, was der Junge auch tat. Durch seine unglaubliche Begabung stieg der Bekanntheitsgrad des jungen Künstlers rasant an. Die Beziehungen Verrocchios zu den Medici eröffneten auch für Leonardo unerwartete Möglichkeiten. Mit 30 Jahren dachte er daran seinem Meister nachzueifern und ebenfalls eine eigene Werkstatt zu eröffnen.[6]
Die Verbindungen zu einflussreichen Personen und daraus resultierende Aufträge ließen nicht lange auf sich warten. So hervorragend da Vinci in seinem Können war, so hatte er doch einen großen Makel. Die immensen Ansprüche, die er an sich selbst stellte, verleiteten ihn dazu, viele seiner Werke nicht zu Ende zu führen. Ungewöhnlich war er auch in seiner Herangehensweise bei Studien. Anders als die übrigen Künstler, malte er auf öffentlichen Plätzen, um seine Mitmenschen genau betrachten und studieren zu können. Normalerweise wurde in Ateliers mit Modellen gearbeitet. Menschen als Modell zu benutzen, die vorher schon von anderen reproduziert wurden, sah der Maler als massive Schwäche an. Dahingehend beschloss er seine Studien im Freien fortzuführen. Jedoch nahm Leonardo auch sich selbst häufig als Vorlage.[7]
Diese Studien verewigte er in kleinen Skizzenbüchlein, die er immer am Gürtel bei sich trug. Dieselbe Vorgehensweise galt auch für die Szene des Letzten Abendmahls. Es existiert ein Notizbuch mit detaillierten Angaben zu den individuellen Reaktionen von einer Tischgesellschaft. Der Sprecher derselben kann aber nicht mit Jesus identifiziert werden. Indessen werden nur Gesten von elf Personen näher erläutert. Besonders die kleinen Details und Einzelheiten waren für ihn von hoher Wichtigkeit. Die Personen spiegeln dabei eine Momentaufnahme, abgekupfert aus dem realen Leben, wider und halten in ihren Bewegungen inne. So wirkt es als würde die Szene eingefroren sein. Die Erzählung des Letzten Abendmahls war dem Künstler aus der Bibel sowie aufgrund der großen Zahl bildlicher Darstellungen aus Florenz durchaus bekannt. Aufzeichnungen zufolge erwarb er Ende 1494/Anfang 1495 eine Bibel, um den Bericht in den vier Evangelien genau studieren zu können. Ziemlich wahrscheinlich besaß er die italienische Übersetzung von Niccoló di Malermis. Diese Biblia volgare historiata war illustriert mit hunderten Holzschnitten (Abb. 5). Zu dieser Zeit begann auch seine Tätigkeit in Santa Maria delle Grazie. Eine Vielzahl von Künstlern hielt sich an das Johannesevangelium bei ihren Darstellungen, erkennbar wenn sich Johannes auf der Brust Jesu wiederfindet. Andernfalls wurde die Szene sehr frei gestaltet. Besonders populär waren im 14. Jahrhundert Abendmahldarstellungen in der wiederentdeckten Freskotechnik.[8]
Das Letzte Abendmahl
Das Thema dieser Darstellung war für die Künstler mit immens hohen Ansprüchen verknüpft. Problematisch waren dabei nicht die Größe des Bildes oder der zur Verfügung stehende Platz. Die größte Herausforderung stellte wohl eher eine so große Personenanzahl an einen Tisch zu versammeln und einen ausgewählten Moment festzuhalten, dar. Im Jahr 1494 wandte sich Leonardo da Vinci seiner neuen Aufgabe zu, welche ihn bis zum Sommer 1497 beschäftigen würde. Vor der Arbeit an dem eigentlichen Wandbild mussten hunderte Vorskizzen angefertigt werden. Leonardo führte die Vorarbeiten mit Tusche auf Papier aus. Der Künstler besaß eine große Sehnsucht nach Innovation, welche man auch in seinen Erfindungen entdeckt. Deshalb entschloss er sich für ein besonderes Wagnis – das Wandgemälde mit Ölfarben auf trockenem Putz, in sogenannter Secco Technik, auszuführen. Er ging sogar noch einen Schritt weiter: Seine Pigmente mischte er nicht nur mit Öl, sondern zusätzlich mit Eigelb, sodass eine Art „Öl-Tempera-Farbe“ entstand. Noch nie zuvor hatte jemand einen ähnlichen Versuch gestartet. Das Abendmahl hat in vielerlei Hinsicht eine neue Richtung eingeschlagen. Auch der Untergrund wurde ganz anders hergestellt. Die erste getrocknete Putzschicht wurde mit einer dünnen und leicht körnigen Schicht aus Kalziumkarbonat, gemischt mit Magnesium und vermutlich auch Knochenleim, bedeckt. Danach folgte eine Grundierung aus Bleiweiß, das für eine höhere Leuchtkraft der Farben sorgt. Jenes Mittel wurde zwar oft in der Kunst verwendet, war aber nicht ratsam bei Fresken. Zudem, wie Ihnen sicher bekannt ist, ist Blei ein giftiges Metall und bringt gesundheitsschädigende Auswirkungen mit sich, die sehr wohl seit der Römerzeit bekannt waren.[9]
Welche Vorgehensweise der Künstler beim Auftrag des Wandgemäldes wählte, ist nicht genau bekannt. Die Forschung belegt, dass neben Leonardos Umrisszeichnungen mit Rötelstift, an anderen Stellen auch schwarze Pinselstriche und eingeritzte Linien vorhanden sind. Nicht immer hielt sich Leonardo stoisch an seine Vorzeichnungen, aber im Großen und Ganzen wich er selten stark von diesen ab. Nach dem Mischen der richtigen Rezeptur seiner Farben trug er diese schichtweise auf, wobei er jede Schicht einzeln trocknen ließ. Diese Vorgehensweise wäre bei einem herkömmlichen Fresko nicht möglich. Es kamen bis zu fünf Schichten der Farben zum Einsatz, um die Gestalten aufzubauen. Um dieses enorme Gemälde ausführen zu können, musste ein komplettes Gerüst vor der Wand installiert werden. Höhenangst durfte man also nicht haben. Häufig wurde von oben nach unten gearbeitet, um keine Farbe auf die fertigen Flächen zu tropfen. Wie schon seit jeher üblich, wurden die Künstler von ihren Gehilfen unterstützt. Jedoch führten diese meist Partien mit weniger hoher Wichtigkeit aus. Diese Vorgehensweise wurde auch von den Auftraggebern angenommen und unter bestimmten Voraussetzungen geduldet.[10]
Jeder Künstler, der sich dazu entschließt das Letzte Abendmahl in einer Form darzustellen, sieht sich mit demselben Kompositionsproblem konfrontiert. An einer Tafel dreizehn Personen, die sich miteinander im Gespräch befinden, ansprechend abzubilden, ist eine Aufgabe für sich. Bereits bei den Entwürfen Leonardos wird deutlich, dass er die Apostel in vier Dreiergruppen aufteilte und Jesus die Mitte einnimmt. Die interaktivste Gruppe von ihnen befindet sich auf der rechten Seite, die aus Judas, Petrus und Johannes besteht. Dabei ist Johannes in die Richtung zu Petrus geneigt, welcher sich aufgeregt nach vorne beugt und diesem etwas ins Ohr flüstert. Unterdessen muss sich Judas, der zwischen den beiden Platz genommen hat, zurücklehnen. Diesen Augenblick fängt da Vinci ein, der Moment in dem Jesus den Verrat ankündigt und die Apostel sich ratlos anblicken und zu diskutieren beginnen. In den übrigen Gesichtern kann man Emotionen wie Ärger, Verwunderung oder Bestürzung ausmachen. Johannes kann als einziger Apostel sehr gut von allen anderen unterschieden werden. In allen Abendmahldarstellungen wird er, im Gegensatz zu den anderen Jüngern, mit sehr femininen Gesichtszügen porträtiert. Seit dem 12. Jahrhundert wird er vielfach in den Abendmahldarstellungen entweder halb schlafend oder an die Brust Jesu gelehnt gezeigt. Einzigartig ist hingegen da Vinci mit seiner Entscheidung der Anordnung in diesem Werk. Um nicht von der Hauptgestalt abzulenken, wird der Moment ausgewählt, wo Johannes nach den Worten Jesu seinen Kopf von der Brust hebt und sich zu Petrus hinüberlehnt. Dieser fordert Johannes auf, Jesus nach dem Namen des Verräters zu fragen.[11]
Diejenigen von Ihnen, die gerne Thriller lesen oder ansehen, werden vermutlich aufhorchen, denn Sie werden auch über eine andere Vermutung Bescheid wissen. In dem 2004 erschienen Werk von Dan Brown – Sakrileg (engl. The Da Vinci Code), äußert die Figur Sophie Neveu eine völlig andere Theorie: Die feminin wirkende Gestalt sei in Wahrheit tatsächlich eine Frau und zwar Maria Magdalena. Dieser Umstand würde den Beweis liefern, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet gewesen sei oder zumindest in einer Beziehung stand. Ob es sich bei dieser These bloß um eine Verschwörungstheorie handelt oder der Wahrheit nahekommt, bleibt ungewiss.
„Sag mir, ob jemals etwas vollbracht wurde“ war ein sehr häufiger Satz, den Leonardo da Vinci in seinen Skizzenbüchern vermerkte. Wie bereits erwähnt, zählte der überragende Künstler nicht zu den verlässlichsten Persönlichkeiten. Ganz im Gegenteil führte er nur verhältnismäßig wenige Werke bis zur Vollendung aus. Oftmals wurde er von seiner Leidenschaft für Erfindungen derart abgelenkt, dass er sich nicht mehr auf seine Aufträge konzentrieren konnte und diese nicht fertigstellte. Auch dieses bedeutende Gemälde wurde nicht ohne Widrigkeiten realisiert. Jedoch schaffte es Leonardo allen Anstrengungen und Ablenkungen zu trotzen und schuf ein 140 m2 großes Meisterwerk, welches alles bisher Erschaffene übertraf. Es gehört nicht nur zu den besten Kunstwerken aller Zeiten, sondern stellt einen Meilenstein in der Geschichte der Kunst dar. Ein weiteres Zitat Leonardos besagt: „Was schön ist an Menschen, vergeht. Was schön an der Kunst ist, jedoch nicht“. In ihren Ursprüngen trifft dieser Satz auf das Letzte Abendmahl zu, wie auch Ross King anmerkt. Der Stil des Künstlers war zwar perfekt, jedoch war es in der handwerklichen Ausführung der neuen Technik und der verwendeten Farben fehlerhaft. Neben der schlechten Haftung der Farben kamen auch noch Umweltbedingungen hinzu. Alles zusammen führte dazu, dass sich 20 Jahre nach der Fertigstellung Farbschichten zu lösen begannen. Daraufhin folgten bis heute Bemühungen das Werk zu retten bzw. zu erhalten. Kopien in den unterschiedlichsten Techniken und Ausführungen helfen dabei, das Werk gewissermaßen zu bewahren.[12]
Dasselbe gilt für die Objekte (Abb. 6-7) aus der Schell Collection. Alle Exponate mit der Darstellung des Abendmahls zeichnen sich durch unterschiedliche Ausführungen aus. Die Gussmodelle können zudem oftmals durch die Anordnung der Worte aus dem Matthäusevangelium unterschieden werden. Diese sind auf den Abbildungen der Standkreuze nicht enthalten. Häufig wird das Originalbild in einigen Details abgewandelt bzw. der Detailreichtum einzelner Werke sowie die Qualität variiert stark. Damit sie sich aber ein eigenes Bild von unseren Exponaten machen können, besuchen sie gerne den 2. Stock der Schell Collection und tauchen sie in die Welt von Leonardo da Vincis Abendmahl ein.
Text: Jasmin Längle, MA
Literaturverzeichnis
Brown, Dan: Sakrileg. Bergisch Gladbach 2004.
Ferner, Helmut/Genée Elfriede: Kleinkunst in Eisenguss. Brünn 1992.
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band XVI, Lfg. 72. Wien 2021.
Pall, Martina: Eisenkunstguss aus Österreich und der Monarchie. In: Fachzeitschrift der Österreichischen Giesserei-Vereinigungen, Jhg. 61, Heft 11/12. Wien 2014, S. 356-369.
Ross, King: Leonardo und Das Letzte Abendmahl. München 2014.
Salleck, Leonhard: Der Schlüssel zu Leonardo da Vincis „Abendmahl“. Abensberg 2006.
Objekt des Monats Juni 2024
„Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.“
Mt. 26,21
Das letzte Abendmahl nach Leonardo da Vinci
Dieser eine Satz, den viele von Ihnen bestimmt schon in der einen oder anderen Form gehört haben, ist maßgebend für die Geschichte der Kunst und ihrer christlichen Werke. Die berühmtesten Abbildungen von Jesus zeigen ihn während des letzten Abendmahls, bei welchem er verkündete: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten“ (Mt. 26,21). Um einen kleinen Überblick oder eine Auffrischung in diese Thematik zu bekommen, werfen wir einen Blick in die Heilige Schrift:
In der Erzählung des Neuen Testaments soll Judas, der anders als die übrigen Apostel nicht aus Galiläa, sondern aus Judäa stammt, für 30 Silbermünzen Jesus an die Hohepriester verraten haben. Die Szene, die für dieses Objekt des Monats relevant ist, zeigt den Abend des Paschamahls, an dem Jesus gemeinsam mit seinen zwölf Jüngern am Tisch saß und gemeinsam speisten. Während des Mahls sprach er von einem Apostel, der ihn verraten wird. Nach dem Mahl gingen sie den Ölberg hinauf und kamen zum Garten Getsemani, wo Jesus zu beten begann. Als er nach dem dritten Gebet zu seinen Jüngern zurückkam, erblickte er Judas mit den Hohepriestern. Diese lieferten Jesus Christus an die Römer aus, die ihn später ans Kreuz nagelten.
Das Objekt
Inv. Nr.: 1291
Maße: 83 x 53,5 cm
Standort: 2. Stock, Wand 5
Leonardo da Vinci entschloss sich in seinem Wandgemälde in Santa Maria delle Grazie in Mailand diese Szene einzufangen, nichtsahnend dass er damit eines der berühmtesten Kunstwerke der ganzen Welt schaffen würde. Heute findet man Abbildungen seines Werkes in allen Varianten, Techniken und Formen. Von besonderem Interesse für die Schell Collection sind aber jene Exponate aus Gusseisen. Insgesamt zehn Nachbildungen von da Vincis Werk finden sich in der Sammlung, davon sind vier Plaketten, drei Wandbilder und drei Standkreuze. Bevor wir uns aber näher mit Leonardos Werk beschäftigen, werfen wir zunächst einen Blick auf das ausgewählte Objekt des Monats, welches als Repräsentation aller übrigen dient.
Die bronzierte Gussplatte (Abb. 1) in einem Rahmen mit Rosettenverzierung stammt von einem Modell nach Leonhard Posch, welches er 1822 anfertigte und 1823 in den Königlich Preußischen Gießereien gegossen wurde. Das Modell wurde nach dem Vorbild des Kupferstichs (Abb. 2) von dem Italiener Raffaello Morghen gefertigt. Die gestochene Graphik gilt als die detailgenaueste Nachbildung des Originalgemäldes. Darunter findet sich die Inschrift „AMEN DICO VOBIS QUIA UNUS VESTRUM ME TRADITURUS EST. Matt: C. XXVI“. Das Wandbild aus der Schell Collection wurde um 1830 gegossen und stammt aus der Gießerei Horowitz-Komarau. Zurückführen lässt sich dies auf die beiden Signaturen „Komarau“ und „Komárov“ in den unteren Ecken des Gussbildes, auf die später noch näher eingegangen wird. Gezeigt wird auf der Reliefplatte das Letzte Abendmahl nach Leonardo da Vinci.
Gießerei Komarau
„Als überragend und dem preußischen Eisenguß nicht nachstehend“, wie im Buch Kleinkunst in Eisenguss nachzulesen ist, besticht die Eisengießerei des Wiener Grafen Rudolph Johann Nepomuk von Wrbna-Freudenthal (1761-1823) durch ihre außerordentliche Qualität. Graf Wrbna-Freudenthal studierte Philosophie und Rechtswissenschaften und besuchte anschließend die Bergakademie in Chemnitz. Sein erlangtes Wissen konnte er später in seinem Betrieb anwenden.[1]
Nach 1802 stellte er seine anderen Verpflichtungen zurück, um sich auf die Verwaltung seiner privaten Güter zu konzentrieren. Der Fokus lag hierbei auf der Etablierung einer Eisenindustrie in Komarau, welche er 1785 gründete. Seit 1815 wurde dort in der ersten böhmischen Hütte Eisenkunstguss erzeugt. Diese spezifische Abteilung unterstand dem Schichtamt in Komarau, wohingegen die Ateliers und Werkstätten der Künstler in Horowitz waren. Jene Orte befinden sich im heutigen Tschechien nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Komplex fallen deswegen die Signaturen (Abb. 3) aus, die in unterschiedlichen Versionen auftreten können. Manchmal wurden beide Orte angegeben, manchmal nur einer und auch die Schreibweise derselben konnte variieren.[2]
In der Gründungsphase der Gießerei spezialisierte man sich zunächst auf die Produktion von Öfen. Fünfzig Modelleure und Former waren im Betrieb tätig, wobei sechs davon ihr Aufgabengebiet im Eisenkunstguss fanden. Die Feinheit der Kunstgüsse wurde durch einen königlichen Bergmeister überprüft. Die Gießerei verwendete für ihre Produktion einen mageren Formsand. Um vor dem Polieren die Form einstauben zu können, wurde hingegen ein feiner, fetter Formsand verarbeitet. Für Medaillen hingegen ließ Graf Wrbna-Freudenthal sogar einen eigenen Sand aus Wien anliefern. Er hatte als hoher Beamter der österreichischen kaiserlichen Kommission für Bergbauangelegenheiten gute Beziehungen zu den preußischen Gießereien und erhielt neben Modellstücken auch die Erlaubnis zu deren Nachgüssen. [3]
Zu den signifikantesten Produktionen von Horowitz-Komarau zählte aber der Schmuck aus Eisenguss. Als im Jahr 1823 Rudolph Johann Nepomuk von Wrbna-Freudenthal starb, übernahm sein Sohn Eugen, und in späterer Folge dessen Sohn Rudolf Eugen, den Betrieb und führte ihn erfolgreich bis 1852 weiter. Anschließend wurde die Gießerei an den hessischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. verkauft und wechselte in weiterer Folge mehrfach ihren Besitzer. Auch heute noch widmet sie sich der Erzeugung von Nutzabgüssen und einigen Kunstgussobjekten unter der Firma Buzuluk.[4]
Interessanterweise lässt sich auf deren Website die Entwicklung der Vorgänger nachverfolgen. Laut der Firma Buzuluk, die seit 2017 als neues Unternehmen Piston Rings Komarov bekannt ist, wurde nach ungeprüften Angaben bereits im Jahr 596 eine Eisenhütte Comoravium gegründet. Beweise sollen eine sehr alte Existenz der Eisenverhüttung in der Region Podbrdy belegen, in der heute Komarau gelegen ist. Nach alten Archivaufzeichnungen ist das Jahr 1460 das historische Jahr für die Gründung der Eisenindustrie in Komarau. Seit ihrer Begründung haben die Hüttenwerke in Komarau einen Aufschwung erlebt. Danach folgten mehrere Besitzwechsel, bis sie wie oben angeführt in die Grafenfamilie Wbrna-Freudenthal überging und sich neu aufstellte.[5]
Das Genie
Nach diesem kleinen Exkurs nach Tschechien kommen wir nun zurück nach Graz zu unserem Exponat aus der Schell Collection. Wie deutlich erkennbar ist, handelt es sich bei der Darstellung des Reliefbildes um eine Nachbildung des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci (Abb. 4). Aber wer war da Vinci überhaupt? Was steckt hinter dem Genie und seinen Werken? Tätig am Hof für Ludovico Sforza zählte er als herzoglicher Maler und Ingenieur zu den herausragendsten Männern der Renaissance. Der gebürtige Toskaner war nach Mailand gekommen, in der Hoffnung beeindruckende Kriegsmaschinen zu entwerfen und umzusetzen. Jedoch musste er sich zunächst mit bescheideneren Aufgaben begnügen. Leonardo wurde am 15. April 1452 in der Nähe eines kleinen Dorfes namens Vinci, welches westlich von Florenz liegt, geboren. 20 Jahre später ließ er sich in die Bruderschaft der Maler in Florenz aufnehmen. In seiner Freizeit zeichnete Leonardo zunächst sehr gerne Skizzen, auf die sein Vater aufmerksam wurde. Dies veranlasste ihn, seinen Sohn in die Lehre zum Florentiner Maler und Goldschmied Andrea del Verrocchio, welcher einen ausgezeichneten Ruf besaß und für die Familie Medici arbeitete, zu schicken. Für gewöhnlich war die Lehrzeit für sechs bis sieben Jahre angedacht, die man bei einem anerkannten Meister verbringen musste, was der Junge auch tat. Durch seine unglaubliche Begabung stieg der Bekanntheitsgrad des jungen Künstlers rasant an. Die Beziehungen Verrocchios zu den Medici eröffneten auch für Leonardo unerwartete Möglichkeiten. Mit 30 Jahren dachte er daran seinem Meister nachzueifern und ebenfalls eine eigene Werkstatt zu eröffnen.[6]
Die Verbindungen zu einflussreichen Personen und daraus resultierende Aufträge ließen nicht lange auf sich warten. So hervorragend da Vinci in seinem Können war, so hatte er doch einen großen Makel. Die immensen Ansprüche, die er an sich selbst stellte, verleiteten ihn dazu, viele seiner Werke nicht zu Ende zu führen. Ungewöhnlich war er auch in seiner Herangehensweise bei Studien. Anders als die übrigen Künstler, malte er auf öffentlichen Plätzen, um seine Mitmenschen genau betrachten und studieren zu können. Normalerweise wurde in Ateliers mit Modellen gearbeitet. Menschen als Modell zu benutzen, die vorher schon von anderen reproduziert wurden, sah der Maler als massive Schwäche an. Dahingehend beschloss er seine Studien im Freien fortzuführen. Jedoch nahm Leonardo auch sich selbst häufig als Vorlage.[7]
Diese Studien verewigte er in kleinen Skizzenbüchlein, die er immer am Gürtel bei sich trug. Dieselbe Vorgehensweise galt auch für die Szene des Letzten Abendmahls. Es existiert ein Notizbuch mit detaillierten Angaben zu den individuellen Reaktionen von einer Tischgesellschaft. Der Sprecher derselben kann aber nicht mit Jesus identifiziert werden. Indessen werden nur Gesten von elf Personen näher erläutert. Besonders die kleinen Details und Einzelheiten waren für ihn von hoher Wichtigkeit. Die Personen spiegeln dabei eine Momentaufnahme, abgekupfert aus dem realen Leben, wider und halten in ihren Bewegungen inne. So wirkt es als würde die Szene eingefroren sein. Die Erzählung des Letzten Abendmahls war dem Künstler aus der Bibel sowie aufgrund der großen Zahl bildlicher Darstellungen aus Florenz durchaus bekannt. Aufzeichnungen zufolge erwarb er Ende 1494/Anfang 1495 eine Bibel, um den Bericht in den vier Evangelien genau studieren zu können. Ziemlich wahrscheinlich besaß er die italienische Übersetzung von Niccoló di Malermis. Diese Biblia volgare historiata war illustriert mit hunderten Holzschnitten (Abb. 5). Zu dieser Zeit begann auch seine Tätigkeit in Santa Maria delle Grazie. Eine Vielzahl von Künstlern hielt sich an das Johannesevangelium bei ihren Darstellungen, erkennbar wenn sich Johannes auf der Brust Jesu wiederfindet. Andernfalls wurde die Szene sehr frei gestaltet. Besonders populär waren im 14. Jahrhundert Abendmahldarstellungen in der wiederentdeckten Freskotechnik.[8]
Das Letzte Abendmahl
Das Thema dieser Darstellung war für die Künstler mit immens hohen Ansprüchen verknüpft. Problematisch waren dabei nicht die Größe des Bildes oder der zur Verfügung stehende Platz. Die größte Herausforderung stellte wohl eher eine so große Personenanzahl an einen Tisch zu versammeln und einen ausgewählten Moment festzuhalten, dar. Im Jahr 1494 wandte sich Leonardo da Vinci seiner neuen Aufgabe zu, welche ihn bis zum Sommer 1497 beschäftigen würde. Vor der Arbeit an dem eigentlichen Wandbild mussten hunderte Vorskizzen angefertigt werden. Leonardo führte die Vorarbeiten mit Tusche auf Papier aus. Der Künstler besaß eine große Sehnsucht nach Innovation, welche man auch in seinen Erfindungen entdeckt. Deshalb entschloss er sich für ein besonderes Wagnis – das Wandgemälde mit Ölfarben auf trockenem Putz, in sogenannter Secco Technik, auszuführen. Er ging sogar noch einen Schritt weiter: Seine Pigmente mischte er nicht nur mit Öl, sondern zusätzlich mit Eigelb, sodass eine Art „Öl-Tempera-Farbe“ entstand. Noch nie zuvor hatte jemand einen ähnlichen Versuch gestartet. Das Abendmahl hat in vielerlei Hinsicht eine neue Richtung eingeschlagen. Auch der Untergrund wurde ganz anders hergestellt. Die erste getrocknete Putzschicht wurde mit einer dünnen und leicht körnigen Schicht aus Kalziumkarbonat, gemischt mit Magnesium und vermutlich auch Knochenleim, bedeckt. Danach folgte eine Grundierung aus Bleiweiß, das für eine höhere Leuchtkraft der Farben sorgt. Jenes Mittel wurde zwar oft in der Kunst verwendet, war aber nicht ratsam bei Fresken. Zudem, wie Ihnen sicher bekannt ist, ist Blei ein giftiges Metall und bringt gesundheitsschädigende Auswirkungen mit sich, die sehr wohl seit der Römerzeit bekannt waren.[9]
Welche Vorgehensweise der Künstler beim Auftrag des Wandgemäldes wählte, ist nicht genau bekannt. Die Forschung belegt, dass neben Leonardos Umrisszeichnungen mit Rötelstift, an anderen Stellen auch schwarze Pinselstriche und eingeritzte Linien vorhanden sind. Nicht immer hielt sich Leonardo stoisch an seine Vorzeichnungen, aber im Großen und Ganzen wich er selten stark von diesen ab. Nach dem Mischen der richtigen Rezeptur seiner Farben trug er diese schichtweise auf, wobei er jede Schicht einzeln trocknen ließ. Diese Vorgehensweise wäre bei einem herkömmlichen Fresko nicht möglich. Es kamen bis zu fünf Schichten der Farben zum Einsatz, um die Gestalten aufzubauen. Um dieses enorme Gemälde ausführen zu können, musste ein komplettes Gerüst vor der Wand installiert werden. Höhenangst durfte man also nicht haben. Häufig wurde von oben nach unten gearbeitet, um keine Farbe auf die fertigen Flächen zu tropfen. Wie schon seit jeher üblich, wurden die Künstler von ihren Gehilfen unterstützt. Jedoch führten diese meist Partien mit weniger hoher Wichtigkeit aus. Diese Vorgehensweise wurde auch von den Auftraggebern angenommen und unter bestimmten Voraussetzungen geduldet.[10]
Jeder Künstler, der sich dazu entschließt das Letzte Abendmahl in einer Form darzustellen, sieht sich mit demselben Kompositionsproblem konfrontiert. An einer Tafel dreizehn Personen, die sich miteinander im Gespräch befinden, ansprechend abzubilden, ist eine Aufgabe für sich. Bereits bei den Entwürfen Leonardos wird deutlich, dass er die Apostel in vier Dreiergruppen aufteilte und Jesus die Mitte einnimmt. Die interaktivste Gruppe von ihnen befindet sich auf der rechten Seite, die aus Judas, Petrus und Johannes besteht. Dabei ist Johannes in die Richtung zu Petrus geneigt, welcher sich aufgeregt nach vorne beugt und diesem etwas ins Ohr flüstert. Unterdessen muss sich Judas, der zwischen den beiden Platz genommen hat, zurücklehnen. Diesen Augenblick fängt da Vinci ein, der Moment in dem Jesus den Verrat ankündigt und die Apostel sich ratlos anblicken und zu diskutieren beginnen. In den übrigen Gesichtern kann man Emotionen wie Ärger, Verwunderung oder Bestürzung ausmachen. Johannes kann als einziger Apostel sehr gut von allen anderen unterschieden werden. In allen Abendmahldarstellungen wird er, im Gegensatz zu den anderen Jüngern, mit sehr femininen Gesichtszügen porträtiert. Seit dem 12. Jahrhundert wird er vielfach in den Abendmahldarstellungen entweder halb schlafend oder an die Brust Jesu gelehnt gezeigt. Einzigartig ist hingegen da Vinci mit seiner Entscheidung der Anordnung in diesem Werk. Um nicht von der Hauptgestalt abzulenken, wird der Moment ausgewählt, wo Johannes nach den Worten Jesu seinen Kopf von der Brust hebt und sich zu Petrus hinüberlehnt. Dieser fordert Johannes auf, Jesus nach dem Namen des Verräters zu fragen.[11]
Diejenigen von Ihnen, die gerne Thriller lesen oder ansehen, werden vermutlich aufhorchen, denn Sie werden auch über eine andere Vermutung Bescheid wissen. In dem 2004 erschienen Werk von Dan Brown – Sakrileg (engl. The Da Vinci Code), äußert die Figur Sophie Neveu eine völlig andere Theorie: Die feminin wirkende Gestalt sei in Wahrheit tatsächlich eine Frau und zwar Maria Magdalena. Dieser Umstand würde den Beweis liefern, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet gewesen sei oder zumindest in einer Beziehung stand. Ob es sich bei dieser These bloß um eine Verschwörungstheorie handelt oder der Wahrheit nahekommt, bleibt ungewiss.
„Sag mir, ob jemals etwas vollbracht wurde“ war ein sehr häufiger Satz, den Leonardo da Vinci in seinen Skizzenbüchern vermerkte. Wie bereits erwähnt, zählte der überragende Künstler nicht zu den verlässlichsten Persönlichkeiten. Ganz im Gegenteil führte er nur verhältnismäßig wenige Werke bis zur Vollendung aus. Oftmals wurde er von seiner Leidenschaft für Erfindungen derart abgelenkt, dass er sich nicht mehr auf seine Aufträge konzentrieren konnte und diese nicht fertigstellte. Auch dieses bedeutende Gemälde wurde nicht ohne Widrigkeiten realisiert. Jedoch schaffte es Leonardo allen Anstrengungen und Ablenkungen zu trotzen und schuf ein 140 m2 großes Meisterwerk, welches alles bisher Erschaffene übertraf. Es gehört nicht nur zu den besten Kunstwerken aller Zeiten, sondern stellt einen Meilenstein in der Geschichte der Kunst dar. Ein weiteres Zitat Leonardos besagt: „Was schön ist an Menschen, vergeht. Was schön an der Kunst ist, jedoch nicht“. In ihren Ursprüngen trifft dieser Satz auf das Letzte Abendmahl zu, wie auch Ross King anmerkt. Der Stil des Künstlers war zwar perfekt, jedoch war es in der handwerklichen Ausführung der neuen Technik und der verwendeten Farben fehlerhaft. Neben der schlechten Haftung der Farben kamen auch noch Umweltbedingungen hinzu. Alles zusammen führte dazu, dass sich 20 Jahre nach der Fertigstellung Farbschichten zu lösen begannen. Daraufhin folgten bis heute Bemühungen das Werk zu retten bzw. zu erhalten. Kopien in den unterschiedlichsten Techniken und Ausführungen helfen dabei, das Werk gewissermaßen zu bewahren.[12]
Dasselbe gilt für die Objekte (Abb. 6-7) aus der Schell Collection. Alle Exponate mit der Darstellung des Abendmahls zeichnen sich durch unterschiedliche Ausführungen aus. Die Gussmodelle können zudem oftmals durch die Anordnung der Worte aus dem Matthäusevangelium unterschieden werden. Diese sind auf den Abbildungen der Standkreuze nicht enthalten. Häufig wird das Originalbild in einigen Details abgewandelt bzw. der Detailreichtum einzelner Werke sowie die Qualität variiert stark. Damit sie sich aber ein eigenes Bild von unseren Exponaten machen können, besuchen sie gerne den 2. Stock der Schell Collection und tauchen sie in die Welt von Leonardo da Vincis Abendmahl ein.
Text: Jasmin Längle, MA
Literaturverzeichnis
Brown, Dan: Sakrileg. Bergisch Gladbach 2004.
Ferner, Helmut/Genée Elfriede: Kleinkunst in Eisenguss. Brünn 1992.
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band XVI, Lfg. 72. Wien 2021.
Pall, Martina: Eisenkunstguss aus Österreich und der Monarchie. In: Fachzeitschrift der Österreichischen Giesserei-Vereinigungen, Jhg. 61, Heft 11/12. Wien 2014, S. 356-369.
Ross, King: Leonardo und Das Letzte Abendmahl. München 2014.
Salleck, Leonhard: Der Schlüssel zu Leonardo da Vincis „Abendmahl“. Abensberg 2006.
Online Quellen
Piston Rings Komarov GmbH 2017, https://www.komapistonrings.com/de/unsere-fabrik/historie
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Gussplatte Letztes Abendmahl nach da Vinci, Schell Collection, Inv. Nr. 1291, stammt von: Schell Collection, Graz
Abb. 2: Raphael Morghen, Das letzte Abendmahl, 1800, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. Nr. A 85554, stammt von: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/931627 (Zugriff: 28.05.2024)
Abb. 3: Details Signaturen, Gussplatte Letztes Abendmahl nach da Vinci, Schell Collection, Inv. Nr. 1291, stammt von: Schell Collection, Graz
Abb. 4: Leonardo da Vinci, Das Letzte Abendmahl, 1494–1497, Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie, Mailand, stammt von: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/931627 (Zugriff: 28.05.2024)
Abb. 5: Detailseite aus dem Matthäusevangelium, Biblia volgare historiata, 1494, stammt von: https://www.loc.gov/resource/rbc0001.2021rosen0289/?sp=683&st=image (Zugriff: 28.05.2024)
Abb. 6: Standkruzifix, 1820/30, Inv. Nr. 551, Schell Collection, stammt von: Schell Collection, Graz
Abb. 7: Plakette mit dem Letzten Abendmahl, 1. H. 19. Jh., Inv. Nr., 668, Schell Collection
[1] Vgl. Ferner/Genée 1992, S. 81.
[2] Vgl. Ferner/Genée, 1992, S. 81 und vgl. ÖBL 2021, S. 355f.
[3] Vgl. Pall, 2014, S. 365-366.
[4] Vgl. Ferner/Geneé, 1992, S. 82.
[5] Vgl. Piston Rings Komarov GmbH 2017, https://www.komapistonrings.com/de/unsere-fabrik/historie.
[6] Vgl. Ross, 2014, S. 14-15, 34, 41-42, 48.
[7] Vgl Ebd., S. 52-53, 92.
[8] Vgl. Ebd., S. 80, 87, 91, 98-99.
[9] Vgl. Ebd., S. 113-114, 156-157.
[10] Vgl. Ebd., S. 161, 163.
[11] Vgl. Ebd., S. 253-255.
[12] Vgl. Ebd., S. 369, 373.