Objekt des Monats

Objekt des Monats Mai 2019

Ein Truhenschloss mit reicher Ätzung

Inv. Nr. 7576

Maße: 36 x 28 cm

Das schwere und große Schloss besticht durch überreiche Ätzung sowohl an der Vorderseite, am Stulp als auch auf der Rückseite. Die Schlossdecke ist zusätzlich durchbrochen und mit einer gebläuten Unterlagsplatte versehen.[1]

Das Meisterstück aus der Renaissance mit Grotesken, Meerjungfrauen, Ranken und Blumen sperrt mit vier Fallen und zwei seitlichen Sperr-Riegeln. Das Schloss hat einen Rollstudel (arretiert die Fallen) und eine hoch aufgerichtete achteckige Kapelle. Neben der Vorderseite ist auch die Hinterseite durchbrochen gestaltet, diesmal ebenfalls geätzt mit einer Meerjungfrau. Eine zusätzliche Sperre, die auch von vorne zu erkennen ist, ist das mittig angebrachte Vierkant-Loch. Dahinter verbarg sich eine zusätzliche Sicherung die bedient werden musste, bevor das Schloss zu öffnen war.

Beim Betrachten dieses aufwändigen Schlosses denkt der Fachmann schnell an ein Meisterstück. Alle Teile sind geschraubt, fein geätzt und exakt gearbeitet. Schlösser aus Süddeutschland dieser Art gibt es in der ausgehenden Renaissance – viele davon in Museen wie der Schell Collection oder dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Möglicherweise wurden sie nie in Gebrauch genommen.

Durch Zufall konnte die Autorin eine alte Abbildung genau dieses Schlosses finden. Der Antiquitätenhändler Wilhelm Böhler in München stellte das Stück Ende des 19. Jahrhunderts, für Aufnahmen als „Vorlage für Schloss- und Schmiedearbeiten“ zur Verfügung. Veröffentlicht wurden die Fotografien durch Georg Hirth in seinem „Formenschatz“, Jg. 1895, Nummer 186. Gekauft wurde das Schloss von die Schell Collection in Kalifornien. Der ehemalige Sammler aus den USA kaufte das Schloss von einem Schmiedemeister, der im Zweiten Weltkrieg in Deutschland stationiert war.

Wo waren diese Schlösser eigentlich eingebaut? Wie funktionierte die Sperrung? Wie gelang eine derart feine Ätzung? Gibt es weitere Vergleichsbeispiele? Auf diese Fragen soll eingegangen werden.

 

Wo waren diese Schlösser eingebaut? Sie waren außen angeschlagen, an der Vorderseite von Truhen. Welker schreibt dazu: „Schlösser an der Frontseite von Truhen sowie die Schlossmechanik in den Truhendeckeln kommen im 16. Jh. gleichzeitig vor ….. der zeitliche Rahmen …. reicht vom 15. bis zum 16. Jahrhundert.“[2] Leider kann die Autorin auf kein Bildmaterial eines in einer Truhe außen angeschlagenen Schlosses zurückgreifen. Wohl aber auf ein Bild aus dem Jahr 1895, wo das Stück in einem Vorlagebuch abgebildet war.[3]

Wie funktionierte die Sperrung? Der an der Vorderseite, mittig angebrachte Exzenter – hier ein drehbarer Vierkantstab, dient als Vorgesperre, der gemeinsam mit dem Schlüssel gedreht werden muss. Erst danach können die Fallen bewegt werden. Beim Zusperren halfen zwei im Deckel angebrachte Haken, die zuerst in das Schloss durch die beiden seitlichen Öffnungen am Stulp eingreifen. Diese Sperriegel entsichern alle Fallen und das Zusperren des Schlosses ist bei abgezogenem Schlüssel möglich. Das System erinnert an jenes der Ablassfalle bei Truhen. Wird der Schlüssel eingesteckt, muss auch der Vierkanter gedreht werden, danach können die vier Fallen auf- oder zugesperrt werden. Lässt man den Deckel der Truhe einfach zufallen, so ist das Schloss ebenfalls geschlossen, da die beiden Sperrhaken die offenen Fallen schließen.

Wie gelang die Ätzung? Es handelt sich hier um eine sehr feine und nicht tiefe Ätzung. Die Platte wird gesamt mit einem Ätzgrund überzogen (Ölfarbe, Wachs, Asphalt der in Terpentin gelöst wurde). Das Ornament, das vertieft erscheinen soll, wird mit einer Nadel aus dem Ätzgrund herausgekratzt, bis das blanke Metall erscheint. Jetzt wird die gesamte Platte mit der Ätzflüssigkeit übergossen. Diese wirkt so lange auf das Eisen ein, bis die herausgekratzte Zeichnung die gewünschte Tiefe hat (herausgeätzt war). Die Ätzflüssigkeit wird abgegossen, die Platte gereinigt, mit Terpentin abgewaschen und die nun vertieften Stellen (die Zeichnung) wird mit Schwarzlot (Ruß und Ölgemisch) eingerieben. Die Platte wird nun erhitzt und das Schwarzlot bleibt fest in der Vertiefung haften.

Gibt es Vergleichsbeispiele? Vorweg bleibt zu sagen, dass diese Art von Schlössern sehr selten zu finden sind. Eines davon hat sich in der Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum erhalten und ist auch ausgestellt.[4] In der Schell Collection finden sich 4 Stück. Allesamt im Buch „Schlüssel und Schloss“ abgebildet und genau beschrieben.[5]

Text: Mag. Martina Pall

[1] Publiziert in: Pall Martina, Schlüssel und Schlösser, Schell Collection, Graz 2012, Seite 50f.

[2] Welker Manfred: Historische Schlüssel und Schlösser im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg 2014, Seite 203.

[3] Hirth Georg (Hg.): Formenschatz, 1895, Nr. 186.

[4] Inventar Nummer  KK_824, Datierung um 1550. Die Beschreibung geht mehr auf die geätzten Ornamente ein, als auf die Sperrung.

[5] Pall Martina: Schlüssel und Schlösser aus der Schell Collection. Graz 2012.