Eisenkunstguss, Königlich Preußische Gießereien, um 1830
Im Jahr 1771 wurde eine riesige, römische Marmorvase[1] aus dem frühen 1. Jahrhundert n. Chr. in der Hadriansvilla in Tivoli bei Rom, zerbrochen in mehrere große Teile, gefunden. Bei den Römern sollte in solchen Gefäßen Wein mit Wasser gemischt werden. Die Ausgrabung leitete der Engländer Gavin Hamilton, der den Fund an den britischen Gesandten in Neapel übergab. Dieser, Sir William Hamilton, kaufte und restaurierte sie und brachte die Vase drei Jahre später, im Jahr 1774, nach England, wo sie an den Grafen George Earl of Warwick weiterverkauft wurde. Graf Warwick stellte das römische Kunstwerk in seinem Gartenhaus in Warwick-Castle auf. 1979 wurde sie an die Burrell Collection in Glasgow verkauft, wo sie noch heute steht. Durch Publikationen in Stichen und Reisebüchern wurde die Vase berühmt und der Besitzer war namensgebend für die Vase, die in den darauffolgenden Jahrhunderten tausendfach kopiert wurde. Auf alten Postkarten sieht man die Vase mit Menschen im Gartenhaus von Warwick-Castle stehen. Sie sind verschwindend klein neben der gewaltigen Vase.
Was ist der hohe Wiedererkennungswert der Vase? In erster Linie sind es die verknoteten Henkel, die auf beiden Seiten, einer Weinranke ähnlich, breit auslaufen und rund um den oberen Hals der Vase weitergehen. Der untere Rand der Vase ist mit Akanthusblättern dekoriert. Die Wandungen zeigen ein Pantherfell auf dem halb- bzw. vollplastische Köpfe montiert sind. Es sind das bärtige Haupt des Dionysos und rechter Hand, der Kopf eines bärtigen Silen samt Hirtenstab und Thyrsos (ein Stab umwunden mit Weinlaub, Efeu und Pinienzapfen). Die seitlichen Köpfe zeigen Satyrn, mit Efeu in den Haaren. Auf der Rückseite der Vase ist Dionysos durch den Kopf einer Frau ersetzt, der vermutlich Ariadne, seine Gemahlin zeigt. Diese weibliche Zutat ist auf dem römischen Original nicht vorhanden, und dürfte eine Ergänzung des 18. Jahrhunderts sein, die „…die Züge der Lady Hamilton der ersten Besitzerin der Vase zeigt.“[2]
Die erste, brauchbare Kopie der Vase gelang einem Kunsthandwerker in Birmingham, Sir Eward Thomason im Jahr 1820. Schon ein Jahr danach, 1821 wurde die Vase in einem Musterbuch für Fabrikanten und Handwerker abgebildet und Karl Friedrich Schinkel begutachtete die Nachbildung von Thomason auf seiner Englandreise 1826. Der Inspektor der Berliner Gießerei, Johann Friedrich Krigar fuhr ebenfalls nach England und brachte einen Nachguss der Warwick-Vase mit nach Berlin. Drei Meister der Berliner Gießerei wurden beauftragt, die Vase zu formen: Wilhelm August Stilarsky als Modellmeister, Joseph Glanz als Ziseleur und Gottlieb Müller als Formermeister. Der Gießer war Formerey-Vorsteher F.D.O. Grüttner. Die fertigen drei Modelle konnten an die anderen beiden Königlich Preußischen Gießereien, nach Gleiwitz und Sayn, gesandt werden. Zum Jahreswechsel 1827/28 wurde dem König Friedrich Wilhelm III. bereits ein gusseisernes Exemplar als Geschenk überreicht. Sein Exemplar war innen mit vergoldetem Kupferblech ausgekleidet, die Modelle aus Gleiwitz waren innen emailliert. Nicht nur die Königl. Preuß. Gießereien fertigten Exemplare, auch die Carlshütte in Rendsburg und die Harzer Hütten gossen Varianten der Warwick-Vase.
Die Vase erregte Bewunderung, vor allem auf der Berliner Akademie Ausstellung im Jahr 1828, wo eine Warwick-Vase aus Eisenkunstguss und Silber gezeigt wurde. Der Hofjuwelier Johann Georg Hossauer schuf das in Silber getriebene und gegossene Kunstwerk. Auch die Neujahrskarte der Gießerei des Jahres 1828, entworfen von Stilarsky, zeigt die Warwick-Vase. Als bedeutendster Guss des vorangegangenen Jahres wird sie Geschäftsfreunden und Kunden als „Werbestück“[3] dargeboten. Zu sehen auf der Karte sind links der Molosserhund nach dem antiken Original in den Uffizien, die Warwick-Vase auf der rechten Seite und mittig das Grabdenkmal des Generals L.M.N. von Brauchitsch, errichtet auf dem Garnisons-Friedhof in Berlin.
Die Mode der Vase hielt an – sie wurde in verschiedenen Größen aber auch in verschiedenen Materialien gegossen, neben Eisen auch in Zink und Bronze. Im Preiscourant der Königlich Preußischen Gießerei Berlin ist die Vase abgebildet und wird in drei verschiedenen Varianten angeboten: Als Vase mit vergoldetem Futter 2 Fuß hoch, kleiner auf Postament ohne Futter mit 10 Zoll und 5,5 Zoll im Sockel und dieselbe ziseliert mit vergoldetem Futter. Das Exemplar der Schell Collection steht auf einem Postament, ein Futter (Innenverkleidung in vergoldetem Kupfer) ist nicht vorhanden.[4] Die angegebenen Höhen von 10 Zoll[5] für die Vase und 5,5 Zoll für den Sockel ergeben rund 39 cm Gesamthöhe, was der Höhe des Exemplars in der Schell Collection entspricht. Das größte Exemplar jedoch goss eine russische Gießerei, ungefähr in etwa zwei Drittel der Originalgröße. 1834 schenkte Zar Nikolaus I. dem Preußischen König Friedrich Wilhelm III., den monumentalen Abguss einer nicht genannten Gießerei in Russland. Diese wurde im Treppenhaus des Königlichen Museums in Berlin aufgestellt (heute Altes Museum), wo sie immer noch steht. (Abb. Aquarell Gregorovius 1843) und (Abb. Foto Treppenhaus Altes Museum Berlin, 20. Jh.)
Aber kommen wir noch einmal auf den genialen Former, Künstler und Bildhauer Wilhelm August Stilarsky zurück, durch dessen Modell die Warwick-Vase große Vervielfältigung erfuhr[6]. 1790 in Malapane geboren, starb er 1838 in Berlin. Seine Laufbahn führte ihn zuerst nach Gleiwitz, wo er 1803 erstmals als Former genannt wurde. Zwei Jahre später wurde er in die neu gegründete Gießerei in Berlin gesandt, wo er bei niemand geringerem als dem berühmten Leonhard Posch die Kunst der Formerei vertiefte. Stilarsky arbeitet nach eigenen Zeichnungen und erregte Aufsehen durch technische Versuche, den Hohlguss auch in Eisen zu verwirklichen. Bis dorthin war das teure Wachsausschmelzverfahren zum Gießen von Hohlgüssen notwendig. Teuer deshalb, da es sehr umständlich und aufwändig war und weil das Modell nach dem Guss nicht wiederverwendet werden konnte. Durch das von Stilarsky entwickelte Verfahren, mittels zerlegbarer Gussmodelle aus Bronze oder Zinn, große Hohlgüsse mit Kernstücken zu fertigen, wurde eine gleichmäßige Eisenstärke erreicht. Die Güsse wurden leichter und der Guss gewann an Schärfe und Reinheit. 1814 gelang ihm erstmals eine Pilgerstatue, entworfen von Schadow, nach diesem Kernstückverfahren zu gießen. Von diesem Zeitpunkt an wurde das neue Verfahren überall verwendet. Auf Stilarsky gehen unter anderem die monumentalen Hohlgussfiguren des Kreuzbergdenkmals in Berlin, diverse große Reiterstatuen und Denkmäler und auch der Guss der Warwick-Vase zurück.
Wie funktionierte das Formen in Kernteilstücken?[7] Das Modell wird in den vorbereiteten Formsand gedrückt, wobei unterschnittene Partien wie Ohren, Henkel etc. separat in kleinen Teilstücken abgeformt werden. Diese müssen konisch zulaufen, nämlich vom Modell weg in Richtung Oberkasten um sie leicht abheben zu können. So wird das gesamte Model, in Kernstücke zerteilt, abgeformt. Der gesamte Kasten wird nun mit Modell und Kernstücken mit Sand gefüllt und festgeklopft. Danach werden Ober- und Unterkasten wieder getrennt und auseinandergenommen, um das originale Modell aus Metall oder Gips vor dem Guss zu entfernen. Dazu müssen die zuvor präzise gefertigten Kernstücke mithilfe von Kernstückgabeln weggenommen werden um danach, ohne Modell aber mit dem neuem etwas kleineren Kern, wieder puzzleartig im Kasten zusammengefügt zu werden. Anstatt des Modells wird der kleinere Kern in den Sand gelegt, die vorher abgeformten Kernstücke werden um den neuen Kern herum passgenau draufgelegt. Der Kern der Figur bildet den späteren Hohlraum der Büste. Dieser wird nach dem Guss aus der fertigen Büste/Vase etc. herausgeklopft. Der Spalt, der sich zw. Kern und Formaußenwand ergibt, wird mit dem flüssigen Eisen gefüllt. So kann der Hohlguss des gegossenen Objektes entstehen. Ober- und Unterkasten müssen vor dem Einguss des Eisens noch gut getrocknet werden um dem Formsand sehr große Festigkeit zu geben. Lüftungs- und Eingussöffnungen werden im Formsand angebracht, erst danach werden die Kästen erneut verbunden und das flüssige, heiße Eisen wird eingefüllt. Der geschlossene Formkasten besteht aus zwei Teilen, dem Ober- und Unterkasten, die zusammen gesteckt und verschraubt werden. Zum Eingießen steht die Form mit der Eingussöffnung nach oben, zur Aufnahme des flüssigen Metalls bereit. Nach dem Erkalten der Kästen werden diese auseinandergenommen, der Formsand wird abgenommen, der Kern herausgeschlagen und der fertige Hohlguss muss anschließend gesäubert werden.
Wilhelm August Stilarsky entwickelte seine Erfindung in der Zeit von 1805-1808 und wurde von Graf von Reden tatkräftig unterstützt. In den Königlich Preußischen Gießereien wurde das neue Verfahren ab 1812/13 umgesetzt. Die Warwickvase begleitet uns auch im 21. Jahrhundert noch – der Pokal des Grand Slam Tennisturniers in Melbourne ist der berühmten Vase nachempfunden. Und der Name der Vase wird noch in vielen Generationen an den einstigen Besitzer, Graf von Warwick erinnern.
Text: Mag. Martina Pall
Abbildungen, wenn nicht anders angegeben von der Autorin.
Abb. 2: https://de.wikipedia.org/wiki/Warwick-Vase#/media/Datei:Warwick_Vase_Schinkel_Beuth_1821.jpg, abgerufen 25. März 2020.
ARENHÖVEL Willmuth: Manufaktur und Kunsthandwerk im 19. Jahrhundert. In: Berlin und die Antike, Katalog Berlin Schloss Charlottenburg Große Orangerie, 22.4.-22.7.1979. Seite 209-250.
ARENHÖVEL Willmuth: Eisen statt Gold. Preußischer Eisenkunstguss aus dem Schloß Charlottenburg, dem Berlin Museum und anderen Sammlungen. Aussstellungskatalog Berlin 1982.
BARTEL Elisabeth, Marina de Fümel: Die Warwick-Vase – viel bewundert und oft kopiert. In: Eiserne Zeiten, ein Kapitel Berliner Industriegeschichte. Ausstellungskatalog, Berlin 2007, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Seite 87-93.
CHRISTIANS Jutta: Quellenrecherchen und Werkstoffuntersuchungen zum Eisenkunstguss des 19. Jahrhunderts. Technologische Aspekte zur Eisenbeschaffenheit und Formtechnik. Diplomarbeit.
PREISCOURANT BERLIN (kopiertes Exemplar), Königliche Eisengießerei bei Berlin, Mitte 19. Jh.
SCHMIDT Eva: Der preußische Eisenkunstguss. Technik, Geschichte, Werke, Künstler. Berlin 1981.
[1] Die Maße betrugen 1,70 m Höhe und 2,11 m im Durchmesser.
Warwick-Vase, Eisenkunstguss, Königlich Preußische Gießereien
Inv. Nr. 2346
Maße: Gesamthöhe: 38,8 cm (Sockel 18×18 cm)
Eisenkunstguss, Königlich Preußische Gießereien, um 1830
Im Jahr 1771 wurde eine riesige, römische Marmorvase[1] aus dem frühen 1. Jahrhundert n. Chr. in der Hadriansvilla in Tivoli bei Rom, zerbrochen in mehrere große Teile, gefunden. Bei den Römern sollte in solchen Gefäßen Wein mit Wasser gemischt werden. Die Ausgrabung leitete der Engländer Gavin Hamilton, der den Fund an den britischen Gesandten in Neapel übergab. Dieser, Sir William Hamilton, kaufte und restaurierte sie und brachte die Vase drei Jahre später, im Jahr 1774, nach England, wo sie an den Grafen George Earl of Warwick weiterverkauft wurde. Graf Warwick stellte das römische Kunstwerk in seinem Gartenhaus in Warwick-Castle auf. 1979 wurde sie an die Burrell Collection in Glasgow verkauft, wo sie noch heute steht. Durch Publikationen in Stichen und Reisebüchern wurde die Vase berühmt und der Besitzer war namensgebend für die Vase, die in den darauffolgenden Jahrhunderten tausendfach kopiert wurde. Auf alten Postkarten sieht man die Vase mit Menschen im Gartenhaus von Warwick-Castle stehen. Sie sind verschwindend klein neben der gewaltigen Vase.
Was ist der hohe Wiedererkennungswert der Vase? In erster Linie sind es die verknoteten Henkel, die auf beiden Seiten, einer Weinranke ähnlich, breit auslaufen und rund um den oberen Hals der Vase weitergehen. Der untere Rand der Vase ist mit Akanthusblättern dekoriert. Die Wandungen zeigen ein Pantherfell auf dem halb- bzw. vollplastische Köpfe montiert sind. Es sind das bärtige Haupt des Dionysos und rechter Hand, der Kopf eines bärtigen Silen samt Hirtenstab und Thyrsos (ein Stab umwunden mit Weinlaub, Efeu und Pinienzapfen). Die seitlichen Köpfe zeigen Satyrn, mit Efeu in den Haaren. Auf der Rückseite der Vase ist Dionysos durch den Kopf einer Frau ersetzt, der vermutlich Ariadne, seine Gemahlin zeigt. Diese weibliche Zutat ist auf dem römischen Original nicht vorhanden, und dürfte eine Ergänzung des 18. Jahrhunderts sein, die „…die Züge der Lady Hamilton der ersten Besitzerin der Vase zeigt.“[2]
Die erste, brauchbare Kopie der Vase gelang einem Kunsthandwerker in Birmingham, Sir Eward Thomason im Jahr 1820. Schon ein Jahr danach, 1821 wurde die Vase in einem Musterbuch für Fabrikanten und Handwerker abgebildet und Karl Friedrich Schinkel begutachtete die Nachbildung von Thomason auf seiner Englandreise 1826. Der Inspektor der Berliner Gießerei, Johann Friedrich Krigar fuhr ebenfalls nach England und brachte einen Nachguss der Warwick-Vase mit nach Berlin. Drei Meister der Berliner Gießerei wurden beauftragt, die Vase zu formen: Wilhelm August Stilarsky als Modellmeister, Joseph Glanz als Ziseleur und Gottlieb Müller als Formermeister. Der Gießer war Formerey-Vorsteher F.D.O. Grüttner. Die fertigen drei Modelle konnten an die anderen beiden Königlich Preußischen Gießereien, nach Gleiwitz und Sayn, gesandt werden. Zum Jahreswechsel 1827/28 wurde dem König Friedrich Wilhelm III. bereits ein gusseisernes Exemplar als Geschenk überreicht. Sein Exemplar war innen mit vergoldetem Kupferblech ausgekleidet, die Modelle aus Gleiwitz waren innen emailliert. Nicht nur die Königl. Preuß. Gießereien fertigten Exemplare, auch die Carlshütte in Rendsburg und die Harzer Hütten gossen Varianten der Warwick-Vase.
Die Vase erregte Bewunderung, vor allem auf der Berliner Akademie Ausstellung im Jahr 1828, wo eine Warwick-Vase aus Eisenkunstguss und Silber gezeigt wurde. Der Hofjuwelier Johann Georg Hossauer schuf das in Silber getriebene und gegossene Kunstwerk. Auch die Neujahrskarte der Gießerei des Jahres 1828, entworfen von Stilarsky, zeigt die Warwick-Vase. Als bedeutendster Guss des vorangegangenen Jahres wird sie Geschäftsfreunden und Kunden als „Werbestück“[3] dargeboten. Zu sehen auf der Karte sind links der Molosserhund nach dem antiken Original in den Uffizien, die Warwick-Vase auf der rechten Seite und mittig das Grabdenkmal des Generals L.M.N. von Brauchitsch, errichtet auf dem Garnisons-Friedhof in Berlin.
Die Mode der Vase hielt an – sie wurde in verschiedenen Größen aber auch in verschiedenen Materialien gegossen, neben Eisen auch in Zink und Bronze. Im Preiscourant der Königlich Preußischen Gießerei Berlin ist die Vase abgebildet und wird in drei verschiedenen Varianten angeboten: Als Vase mit vergoldetem Futter 2 Fuß hoch, kleiner auf Postament ohne Futter mit 10 Zoll und 5,5 Zoll im Sockel und dieselbe ziseliert mit vergoldetem Futter. Das Exemplar der Schell Collection steht auf einem Postament, ein Futter (Innenverkleidung in vergoldetem Kupfer) ist nicht vorhanden.[4] Die angegebenen Höhen von 10 Zoll[5] für die Vase und 5,5 Zoll für den Sockel ergeben rund 39 cm Gesamthöhe, was der Höhe des Exemplars in der Schell Collection entspricht. Das größte Exemplar jedoch goss eine russische Gießerei, ungefähr in etwa zwei Drittel der Originalgröße. 1834 schenkte Zar Nikolaus I. dem Preußischen König Friedrich Wilhelm III., den monumentalen Abguss einer nicht genannten Gießerei in Russland. Diese wurde im Treppenhaus des Königlichen Museums in Berlin aufgestellt (heute Altes Museum), wo sie immer noch steht. (Abb. Aquarell Gregorovius 1843) und (Abb. Foto Treppenhaus Altes Museum Berlin, 20. Jh.)
Aber kommen wir noch einmal auf den genialen Former, Künstler und Bildhauer Wilhelm August Stilarsky zurück, durch dessen Modell die Warwick-Vase große Vervielfältigung erfuhr[6]. 1790 in Malapane geboren, starb er 1838 in Berlin. Seine Laufbahn führte ihn zuerst nach Gleiwitz, wo er 1803 erstmals als Former genannt wurde. Zwei Jahre später wurde er in die neu gegründete Gießerei in Berlin gesandt, wo er bei niemand geringerem als dem berühmten Leonhard Posch die Kunst der Formerei vertiefte. Stilarsky arbeitet nach eigenen Zeichnungen und erregte Aufsehen durch technische Versuche, den Hohlguss auch in Eisen zu verwirklichen. Bis dorthin war das teure Wachsausschmelzverfahren zum Gießen von Hohlgüssen notwendig. Teuer deshalb, da es sehr umständlich und aufwändig war und weil das Modell nach dem Guss nicht wiederverwendet werden konnte. Durch das von Stilarsky entwickelte Verfahren, mittels zerlegbarer Gussmodelle aus Bronze oder Zinn, große Hohlgüsse mit Kernstücken zu fertigen, wurde eine gleichmäßige Eisenstärke erreicht. Die Güsse wurden leichter und der Guss gewann an Schärfe und Reinheit. 1814 gelang ihm erstmals eine Pilgerstatue, entworfen von Schadow, nach diesem Kernstückverfahren zu gießen. Von diesem Zeitpunkt an wurde das neue Verfahren überall verwendet. Auf Stilarsky gehen unter anderem die monumentalen Hohlgussfiguren des Kreuzbergdenkmals in Berlin, diverse große Reiterstatuen und Denkmäler und auch der Guss der Warwick-Vase zurück.
Wie funktionierte das Formen in Kernteilstücken?[7] Das Modell wird in den vorbereiteten Formsand gedrückt, wobei unterschnittene Partien wie Ohren, Henkel etc. separat in kleinen Teilstücken abgeformt werden. Diese müssen konisch zulaufen, nämlich vom Modell weg in Richtung Oberkasten um sie leicht abheben zu können. So wird das gesamte Model, in Kernstücke zerteilt, abgeformt. Der gesamte Kasten wird nun mit Modell und Kernstücken mit Sand gefüllt und festgeklopft. Danach werden Ober- und Unterkasten wieder getrennt und auseinandergenommen, um das originale Modell aus Metall oder Gips vor dem Guss zu entfernen. Dazu müssen die zuvor präzise gefertigten Kernstücke mithilfe von Kernstückgabeln weggenommen werden um danach, ohne Modell aber mit dem neuem etwas kleineren Kern, wieder puzzleartig im Kasten zusammengefügt zu werden. Anstatt des Modells wird der kleinere Kern in den Sand gelegt, die vorher abgeformten Kernstücke werden um den neuen Kern herum passgenau draufgelegt. Der Kern der Figur bildet den späteren Hohlraum der Büste. Dieser wird nach dem Guss aus der fertigen Büste/Vase etc. herausgeklopft. Der Spalt, der sich zw. Kern und Formaußenwand ergibt, wird mit dem flüssigen Eisen gefüllt. So kann der Hohlguss des gegossenen Objektes entstehen. Ober- und Unterkasten müssen vor dem Einguss des Eisens noch gut getrocknet werden um dem Formsand sehr große Festigkeit zu geben. Lüftungs- und Eingussöffnungen werden im Formsand angebracht, erst danach werden die Kästen erneut verbunden und das flüssige, heiße Eisen wird eingefüllt. Der geschlossene Formkasten besteht aus zwei Teilen, dem Ober- und Unterkasten, die zusammen gesteckt und verschraubt werden. Zum Eingießen steht die Form mit der Eingussöffnung nach oben, zur Aufnahme des flüssigen Metalls bereit. Nach dem Erkalten der Kästen werden diese auseinandergenommen, der Formsand wird abgenommen, der Kern herausgeschlagen und der fertige Hohlguss muss anschließend gesäubert werden.
Wilhelm August Stilarsky entwickelte seine Erfindung in der Zeit von 1805-1808 und wurde von Graf von Reden tatkräftig unterstützt. In den Königlich Preußischen Gießereien wurde das neue Verfahren ab 1812/13 umgesetzt. Die Warwickvase begleitet uns auch im 21. Jahrhundert noch – der Pokal des Grand Slam Tennisturniers in Melbourne ist der berühmten Vase nachempfunden. Und der Name der Vase wird noch in vielen Generationen an den einstigen Besitzer, Graf von Warwick erinnern.
Text: Mag. Martina Pall
Abbildungen, wenn nicht anders angegeben von der Autorin.
Abb. 2: https://de.wikipedia.org/wiki/Warwick-Vase#/media/Datei:Warwick_Vase_Schinkel_Beuth_1821.jpg, abgerufen 25. März 2020.
Abb. 5: https://www.google.com/searchq=Aquarell+Warwick+Vase+Gregorovius&tbm=isch&ved=2ahUKEwiGn5XUr8noAhVQ0IUKHYX4AvEQ2cCegQIABAA&oq=Aquarell+Warwick+Vase+Gregorovius&gs_lcp=CgNpbWcQAzoCCAA6BQgAEIMBOgQIABBDOgYIABAIEB5Q3vAJWOi7CmCAwApoAnAAeACAAbYBiAHOFpIBBDM1LjGYAQCgAQGqAQtnd3Mtd2l6LWltZ7ABAA&sclient=img&ei=xaiFXsaoNdCglwSF8YuIDw&bih=706&biw=1536#imgrc=idsB5eW3rHbA_ Abgerufen 30. Jänner 2020.
Abb. 6: (http://www.schinkel-galerie.de/Bilder/Berlin1/Altes%20Museum/Berlin_Altes%20Museum.html# Abgerufen 30. Jänner 2020.)
Literatur:
ARENHÖVEL Willmuth: Manufaktur und Kunsthandwerk im 19. Jahrhundert. In: Berlin und die Antike, Katalog Berlin Schloss Charlottenburg Große Orangerie, 22.4.-22.7.1979. Seite 209-250.
ARENHÖVEL Willmuth: Eisen statt Gold. Preußischer Eisenkunstguss aus dem Schloß Charlottenburg, dem Berlin Museum und anderen Sammlungen. Aussstellungskatalog Berlin 1982.
BARTEL Elisabeth, Marina de Fümel: Die Warwick-Vase – viel bewundert und oft kopiert. In: Eiserne Zeiten, ein Kapitel Berliner Industriegeschichte. Ausstellungskatalog, Berlin 2007, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Seite 87-93.
CHRISTIANS Jutta: Quellenrecherchen und Werkstoffuntersuchungen zum Eisenkunstguss des 19. Jahrhunderts. Technologische Aspekte zur Eisenbeschaffenheit und Formtechnik. Diplomarbeit.
PREISCOURANT BERLIN (kopiertes Exemplar), Königliche Eisengießerei bei Berlin, Mitte 19. Jh.
SCHMIDT Eva: Der preußische Eisenkunstguss. Technik, Geschichte, Werke, Künstler. Berlin 1981.
[1] Die Maße betrugen 1,70 m Höhe und 2,11 m im Durchmesser.
[2] Bartel, Fümel, Seite 87.
[3] Schmidt Eva, Seite 164.
[4] Arnhövel, Seite 247. Schmidt, Seite 164 f. Preiscourant Berlin, kopiertes Exemplar um 1850.
[5] 1 Zoll entsprechen 2,54 cm
[6] Schmidt, Seite 115 f.
[7] Christians, Seite 77 ff.