Objekt des Monats

Objekt des Monats Oktober 2019

Ein Kammerherrenschlüssel aus der Zeit von Kaiser Maximilian von Mexiko

In diesem Monat wird ein filigran gearbeiteter Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit von Kaiser Maximilian von Mexiko (1864-1867) vorgestellt. Doch was hat es mit diesen besonderen Schlüsseln auf sich? Wie kam es dazu, dass gerade ein Habsburger die Herrschaft in einem Land so weit entfernt von seiner Heimat angenommen hat? Diese und andere Fragen werden hier geklärt werden.

Das Objekt

Inv.-Nr. 6826; Länge: 14,5 cm

Wenn man den Schlüssel genauer betrachtet, dann fällt vor allem seine Gestaltung ins Auge. Beim Material des Objekts handelt es sich um vergoldetes Silber. In der Mitte des Griffs befindetsich eine ovale Kartusche mit dem kaiserlichen Wappen von Maximilian. Man sieht einen Adler, der auf einem Kaktus sitzt und eine Schlange im Schnabel

Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit von Kaiser Maximilian von Mexiko, Inv.-Nr. 6826, Schell Collection

hält. Diese Darstellung erinnert an den Gründungsmythos der aztekischen Stadt Tenochtitlán, auf deren Ruinen das heutige Mexiko City erbaut wurde. Nach einer Weissagung sollte man an jenem Ort eine Stadt bauen, wo sich ein Adler auf einem Kaktus niedergelassen hatte und mit einer Schlange kämpft. Wenn man den Griff weiter betrachtet, sieht man zwei Degen, die diagonal gekreuzt durch die Kartusche verlaufen. Rechts und links neben dem Wappen stehen zwei Greife und halten die Kartusche in ihren Klauen. Über der Wappenkartusche ist die mexikanische Kaiserkrone dargestellt.

 

Als Gesenk befindet sich direkt unterhalb des Wappens eine kleinere Kartusche mit den Buchstaben „MMI“, den Initialen von Kaiser Maximilian von Mexiko. Der Schlüssel selbst ist ein Volldornschlüssel, dessen Schaft etwas über den Schlüsselbart hinausragt. Dieser verfügt über keinerlei Durchbrüche. Als Verzierung sieht man ein „X“, dessen Ränder an krautige Blätter erinnern.

Das Amt des Kammerherrn

Bevor auf die Geschichte der Kammerherren eingegangen werden kann, soll darauf hingewiesen werden, dass in der Literatur sowohl der Begriff „Kammerherr“, aber auch „Kämmerer“ gebräuchlich ist.

Bereits in der Antike existierte ein Amt, das den Namen „cubicularius“ trägt. Dies war der Kammerdiener des römischen Kaisers und wird vom Begriff „sacrum cubiculum“ (dt. „heilige Kammer“) abgeleitet, der das Schlafgemach des Herrschers bezeichnete. In der Spätantike gab es bereits mehrere dieser Kammerdiener gleichzeitig. Eine Art Oberkammerherr, der „praepositus sacri cubiculi“ hatte die Aufsicht über die „cubicularii“. Meistens handelte es sich bei den Kammerdienern um Sklaven, die gleichzeitig auch Eunuchen waren. Der Oberkammerdiener kam häufig aus dem Stand der Freigelassenen. Weiters verfügten auch die Kaiserinnen über Kammerdiener, aber erst im 5. Jh. über einen Oberkammerdiener.[1] Einige dieser Kammerherren sind namentlich bekannt wie Eusebius[2], der unter Kaiser Constantius II. (337-361 n. Chr.) das Amt des Oberkammerherren innehatte. Weiters diente Eutropios[3], der ein einflussreicher Politiker im oströmischen Reich war, dem Kaiser Theodosius (379-395 n. Chr.) zunächst als Kammerherr und ab 395 n. Chr. wird er dann als Oberkammerherr genannt.

Abb. 1:  Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg mit Kammerherrnschlüssel.

Das Amt des Kammerherrn findet man auch bei europäischen Herrschern des Frühmittelalters – sei es bei den Goten oder Merowingern − zusammen mit den drei anderen Hofämtern (Mundschenk, Truchsess und Marschall).[4] Eines der bekanntesten deutschsprachigen Epen – das Nibelungenlied (um 1200) – erwähnt einen Mann namens Hunold als Kammerherrn des Burgunderkönigs Gunther sowie das Amt an sich an mehreren Stellen. Es ist auch bereits von mehreren „Kämmerern“ die Rede, über die Hunold wohl den Oberbefehl hatte.[5] Im Mittelalter hatte der Kammerherr die Aufgabe, die Verpflegung des Hofstaates zu gewährleisten, aber auch die Finanzen des Königs im Auge zu haben. Aus diesem Grund erhielt er vom Herrscher den Schlüssel zu dessen Räumlichkeiten, aber auch zur Schatzkammer.[6] Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches übernahmen die Tradition der Hofämter (auch Erzämter genannt) und damit den Kammerherrn von den fränkischen Königen. Zu einer Fixierung der Aufgaben des Kammerherrn kam es im Zuge der Veröffentlichung des Reichsgrundgesetzes im Jahr 1356, auch Goldene Bulle genannt. Die Zahl der Kurfürsten, die den Kaiser wählten, wurde auf sieben festgelegt: drei geistliche und vier weltliche. Zu letzteren zählte auch der jeweilige Markgraf von Brandenburg, der den Titel „Erzkämmerer“ trug.[7] Auf der Abbildung unterhalb ist Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg (1595-1640) zu sehen, der in seiner linken Hand das Symbol der Kammerherren in Form eines Schlüssels hält.

Detail am Griff des Kammerherrenschlüssels, Schell Collection

Da in diesem Beitrag ein Kammerherrenschlüssel − verliehen von einem Habsburger − im Zentrum des Interesses steht, soll nun auf die Entwicklung des Amtes unter den Herrschern dieses Adelsgeschlechts eingegangen werden. Die ursprünglich aus der Schweiz stammenden Habsburger beherrschten das Erzherzogtum Österreich seit 1282, welches 1804 in ein Kaiserreich umgewandelt wurde. Mit Rudolf I. wurde 1273 erstmals ein Habsburger zum König des Heiligen Römischen Reiches gewählt. Ebenfalls von Bedeutung ist das Jahr 1438 als Albrecht II. von Habsburg zum König des Reiches ernannt wurde. Nach ihm folgten nur noch Habsburger − bis auf eine Ausnahme eines Wittelsbachers − auf den Thron des Heiligen Römischen Reiches, das 1806 in den Wirren der Napoleonischen Kriege aufgelöst wurde.[8]

In der Frühen Neuzeit nahm die Größe des Gefolges eines Herrschers generell enorm zu. Ein gutes Beispiel dafür ist Kaiser Karl V. (1530-1558) aus dem Haus Habsburg. Für seine Regierungszeit sind mehrere Kammerherren belegt. Diese unterstanden dem sogenannten Oberkammerherrn, dessen verantwortungsvolle Aufgaben ihn in ein Vertrauensverhältnis mit dem Herrscher brachte. Man muss jedoch zwischen jenen Kammerherren unterscheiden, die im Rahmen ihres Amtes den Dienst bei Hofe versahen und jene, die diesen Titel nur ehrenhalber trugen. Als einen der berühmtesten Namen in der langen Liste der Kammerherren der Habsburger findet man auch Albrecht von Wallenstein (1583-1634), den Feldmarschall der Katholischen Liga während der ersten Jahre des Dreißigjährigen Krieges. Dieses Amt hatte er unter Kaiser Ferdinand II. seit 1614 inne. An Wallensteins Beispiel zeigt sich auch, dass nicht nur Kaiser und Könige, sondern auch Herzöge wie er über Kammerherren verfügten. In Wallensteins Fall handelte es sich um einen Oberkammerherren und 24 Kammerherren. Doch Wallenstein fiel in Ungnade beim Kaiser und wurde im Zuge eines Komplotts von vermeintlichen Getreuen in Eger ermordet. Das Interessante dabei ist, dass zwei davon – Schotten namens Leslie und Cordon − als Belohnung zu Kammerherren ernannt wurden.[9]

Die Zahl der Kammerherren nahm mit den Jahren weiter zu und so dienten mehrere 100

Detail des Kammerherrenschlüssel am Schlüsselbart, Schell Collection

Personen in diesem Amt unter Kaiser Ferdinand II. (1619-1637). Doch nicht jeder der Kammerherren schien mit einem goldenen oder vergoldeten Schlüssel geehrt worden zu sein. Kaiser Leopold I. (1658-1705) verlieh von insgesamt 450 ernannten Kammerherren in der gesamten Regierungszeit nur 49 dieser Ehrenabzeichen. Die Erhebung in dieses Amt fand häufig im Zuge eines besonderen Anlasses oder Festes statt. Ein gutes Beispiel ist die Hochzeit von Erzherzogin Maria Theresia (1740-1780) mit Franz Stephan von Lothringen (1745-1765). Hier wurden auf einen Schlag 168 Adelige in das Amt des Kammerherrn erhoben.[10] Nach Maria Theresia wurde ihr Sohn Joseph II. (1765-1790) sowohl Herrscher über das Heilige Römische Reich aber auch über die österreichischen Erblande. Joseph II. galt als nüchterner aber auch als sparsamer Mensch, der für einen Kaiser genügsam lebte. Er baute die Reformtätigkeit, die unter seiner Mutter begonnen hatte, weiter aus und beschränkte vor allem die Institutionen der Kirche und versuchte die Ausgaben des Hofstaates zu minimieren.[11] Dies betraf vor allem die Anzahl der Hofämter, was die Kammerherren miteinschloss. Unter dem Reformkaiser kamen kaum Personen in den Genuss neu in dieses Amt erhoben zu werden. Als nächster Kaiser kam Leopold II. (1790-1792) auf den Thron und anders als sein Bruder Joseph vor ihm ging er wieder dazu über zahlreiche Kammerherren zu ernennen.[12] Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches kam es auch zum Ende des Amtes der dazugehörigen Kammerherren. Doch bereits zwei Jahre zuvor hatte Franz II./I. (1792-1806 / 1804-1835) das Kaiserreich Österreich ausrufen lassen.[13] Auch die insgesamt vier österreichischen Kaiser ernannten und verfügten über zahlreiche Kammerherren. Im Jahr 1825 sollen laut den Quellen über 1700 Personen in dieses Amt erhoben worden sein. Man kann sich vorstellen wie groß die Macht und die Würde eines Oberkammerherrn Anfang des 19. Jhs. gewesen sein muss.

Eingangs dieses Kapitels wurden bereits die Kammerdiener der römischen Kaiserinnen kurz erwähnt. Bereits in der Antike versahen nicht nur Eunuchen dieses Amt, sondern auch Kammerfrauen. Auch im Mittelalter und in der Neuzeit genoss die Frau eines Herrschers das Privileg über eine beachtliche Schar an persönlicher Dienerschaft zu verfügen zu denen auch Kammerfrauen zählten. Am österreichischen Hof wurden diese häufig auch als „Schlüsseldamen“ bezeichnet.[14]

Aus dem 19. Jh. ist auch bekannt, welche Kleidung ein Kammerherr zu tragen hatte. Je nach

Anlass musste es das schwarze Hofkleid oder die kleine bzw. große Galauniform sein. Die Kosten für die Anfertigung hatte der Kammerherr selbst zu tragen. Zur Dauer des Dienstes eines

Abb. 2: Österreichische große Gala-Uniform von Graf Geschi a. Santa Croce, Kammerherr von Erzherzog Maximilian, späterer Kaiser von Mexico.

Kammerherrn ist zu sagen, dass die Amtszeit erst seit Maria Theresia auf Lebenszeit ausgeweitet wurde. So blieb es dann unter allen weiteren Herrschern der habsburgischen Erblande. Zuvor war es nicht immer gesichert, dass ein Kammerherr nach dem Ableben seines Herren vom nächsten Monarchen übernommen wurde. Wenn man die Absicht hatte jemals Kammerherr zu werden, dann war eine untadelige, lückenlose Ahnenreihe eine der Voraussetzungen. Dazu wurden im Lauf der Jahrhunderte mehrere Richtlinien erlassen.[15]

 

Es ist nicht mehr genau auszumachen, wann sich der Schlüssel eines Kammerherrn von dem sperrenden Objekt in ein reines Amtssymbol ohne tatsächliche Sperrfunktion wandelte. Ein möglicher Anhaltspunkt ist die Vergrößerung des Hofstaates um eine Vielzahl an Kammerherren, die im 16. Jh. und 17. Jh. ihren Anfang nahm. Ebenso soll an dieser Stelle noch einmal erwähnt werden, dass bis zur Herrschaft von Kaiser Leopold I. von Habsburg nicht alle Kammerherren einen Schlüssel als Amtszeichen erhielten, sondern nur die „Dienstkämmerer“. Dies änderte sich unter seinem Nachfolger Joseph I. (1705-1711). Wenn man einen Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit eines Habsburgerherrschers betrachtet, verrät das Aussehen der Objekte, um welchen Kaiser es sich handelt. Seit Kaiser Karl VI. wurden die Monogramme der jeweiligen Herrscher im Griff des Schlüssels angebracht, in diesem Fall „C VI“. Die Schlüssel der habsburgischen Kammerherren bestanden meistens aus vergoldetem Eisen und waren ungefähr

Abb. 3: Karikatur von Lothar Meggendorfer, Humoristische Monatshefte. 2, 1890.

19 cm lang.[16] Kammerherrenschlüssel aus Österreich kennt man aber auch als Messing- oder Bronzeguss, der mit einer Vergoldung versehen war.[17] Was den als Griff (Reide) genannten, oberen Teil des Schlüssel betrifft, so änderte sich die Form je nach Monarchen, wie am Beispiel jener aus der Zeit Maria Theresias deutlich wird.[18] Häufig wurden die Kammerherrenschlüssel mit Posamenten – also Zierbändern, Kordeln oder Quasten – geschmückt und dann an der linken Seite oder über die Schulter an einem Band getragen. Angefertigt wurden die Schlüssel nicht von einem Schlosser, sondern von eigenen Hofmanufakturen bzw. Posamentierern.

Wie eingangs bereits erwähnt stammt der vorliegende Kammerherrnschlüssel aus der Regierungszeit von Kaiser Maximilian von Mexiko. Wem er genau gehörte, kann nicht mehr eruiert werden. Dennoch ist der Autorin der Name von einem der Kammerherren des österreichischen Erzherzogs und späteren Kaisers von Mexiko in der Literatur begegnet: Graf Geschi a. Santa Croce. Abbildung 2 zeigt die große Galauniform dieses Kammerherrn.

Kommen wir nun zu einem kurzen Abriss über das Leben von Kaiser Maximilian und seiner Rolle in der Geschichte Mexikos des 19. Jhs.

Kaiser Maximilian von Mexiko

Abb. 4: Porträt von Kaiser Maximilian von Mexiko. Fotografiert von Mathew Brady, 1864.

Bevor auf die politischen Verhältnisse von Mexiko in der Mitte des 18. Jhs. eingegangen werden kann, ist es wichtig zu wissen, wer Kaiser Maximilian von Mexiko überhaupt war. Geboren wurde Erzherzog Ferdinand Maximilian – wie er eigentlich hieß – im Jahr 1832 als zweitältester Sohn von Erzherzog Franz Karl von Habsburg-Lothringen und Erzherzogin Sophie. Damit war niemand geringerer als Kaiser Franz Joseph I. sein älterer Bruder. Die beiden galten jedoch als äußerst unterschiedlich und was die Beliebtheit beim Volk betrifft, hatte Maximilian die Nase vorne. Schon während seiner Jugend zeigte sich Maximilians Liebe zu Kunst und Wissenschaft. Für militärischen Drill und strenge Bürokratie hatte er nicht viel übrig. Dennoch strebte Maximilian nach Höherem; im Idealfall nach einer Kaiserwürde. Dieser Traum blieb vorerst unerfüllt. Stattdessen wurde der Erzherzog 1854 zum Oberkommandanten der k.k. Marine bestellt. Maximilian unternahm zahlreiche Reisen – unter anderem auch nach Mittel- und Südamerika. Er brachte nicht nur viele Eindrücke über die fernen Länder mit, sondern betätigte sich auch als eifriger Sammler exotischer Objekte. 1857 heiratete Maximilian die belgische Prinzessin Charlotte, eine ebenso gebildete wie reiche junge Dame mit Ambitionen. Im gleichen Jahr kam es zur Ernennung Maximilians zum Generalgouverneur von Lombardo-Venetien. Dieses Amt hatte der Erzherzog nicht lange inne, denn nach der verheerenden Niederlage bei Solferino 1859 gegen Sardinien-Piemont und Frankreich, ging dieser Teil des Reiches verloren. Maximilian und seine Gattin zogen sich nach Schloss Miramare in Triest zurück, das eigens für sie erbaut wurde.[19]

Die politische Situation in Mexiko in den Jahren vor Maximilians Herrschaft war instabil und von Bürgerkriegen geprägt. Einige Regionen, die heute Teil der USA sind, zählten damals zum Staatsgebiet von Mexiko. In den Jahren 1821-1823 gab es bereits ein kurzlebiges Kaiserreich in Mexiko. 1824 kam es zur Ausrufung einer Republik, die bis 1864 Bestand hatte. Das Land blieb jedoch weiterhin politisch unruhig und so erklärte sich das Gebiet des heutigen Texas 1836 für unabhängig. Zehn Jahre später kam es zum Krieg mit den USA, die Texas als Bundesstaat integriert hatten. Auch die Region von Südarizona ging für Mexiko verloren, wenngleich nicht durch Krieg, sondern durch Verkauf an die USA. 1858 setzte sich mit Benito Juárez ein neuer mächtiger Mann aus dem liberalen Lager an die politische Spitze Mexikos. So begann ein Bürgerkrieg der Liberalen gegen die Kirche und ihre Anhänger. Europäische Mächte wie Spanien, Großbritannien und Frankreich mischten sich in die Kämpfe ein, da sie politisches Interesse an Mexiko hatten. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die enormen Staatsschulden von Mexiko, welches sich von anderen Mächten wie Frankreich Unsummen geliehen hat. Benito Juárez stellte die Rückzahlungen ein, was eben die europäischen Gläubiger auf den Plan rief. Vor allem der französische König Napoleon III. (1852-1870), Neffe von Napoleon Bonaparte, intervenierte massiv und entsandte eine Armee nach Mexiko, um so die Zahlung der Schulden zu erzwingen. Und an dieser Stelle kommt Erzherzog Maximilian wieder ins Spiel.[20]

Der Plan von Napoleon III. sah vor, Erzherzog Maximilian als kaiserliche Marionette in Mexiko einzusetzen. 1863 bot eine Versammlung von Notablen (Mitglieder der Adelsschicht), hinter denen Napoleon III. stand, dem österreichischen Erzherzog die Kaiserkrone von Mexiko an. Maximilian war geneigt anzunehmen. Dies wiederum rief seinen Bruder Franz Joseph auf den Plan, der Maximilian von diesem Vorhaben abbringen wollte. Dieser ließ sich nicht umstimmen, musste aber auf Drängen von Franz Joseph auf alle Erbansprüche des Hauses Habsburg-Lothringen verzichten. In großer Vorfreude reiste Maximilian mit seiner Gattin über den Atlantik, im Glauben das mexikanische Volk erwarte seinen neuen Monarchen schon sehnsüchtig. Doch die Ankunft verlief wenig glamourös und auch die Jubelrufe blieben aus. Kaiser Maximilian versuchte mit Reformen und Identifikation mit dem Volk – z.B. durch Tragen eines Sombreros – die Mexikaner auf seine Seite zu ziehen. Es kam jedoch erneut zum Ausbruch eines Bürgerkriegs, wobei Benito Juárez von den USA unterstützt wurde, die kurz zuvor den Sezessionskrieg (1861-1865) beendet hatte. Die französischen Truppen wurden von Napoleon III. abberufen, denn in Europa hatte sich die politische Lage für Frankreich verschärft. So brachte das Jahr 1867 das Ende des mexikanischen Kaiserreichs unter Maximilian. Er wurde mit seinen Truppen in Querétaro gefangen gesetzt und wartete dort auf seine Hinrichtung. Interventionen und Gesuche seitens verschiedener Staatsoberhäupter oder dem Papst konnten Maximilian nicht vor seinem Schicksal bewahren. Am 19. Juni 1867 wurden Kaiser Maximilian und zwei seiner Generäle von einem Erschießungskommando hingerichtet.[21]

Abb. 5: Édouard Manet: Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko, 1868

Dieses Ereignis ist auf einem Gemälde von Édouard Manet festgehalten, welches der Maler 1869 fertigstellte. Es zeigt Maximilian im schwarzen Anzug mit einem Sombrero auf dem Kopf gerade in jenem Moment als die Soldaten schießen. Bemerkenswert ist, dass es keine Mexikaner sind, die den Kaiser hinrichten, sondern Männer in französischer Uniform, was historisch nicht korrekt ist. Manet transportierte die Botschaft, dass eigentlich Napoleon III. den Tod Maximilians verschuldet hat. Der Leichnam des unglücklichen Habsburgers wurde nach Österreich überführt und heute liegt Maximilian neben anderen namhaften Familienmitgliedern in einem schlichten Kupfersarg mit vergoldeten Ornamenten – unter anderem die Kaiserkrone von Mexiko – in der Wiener Kapuzinergruft begraben.[22]

Der Kammerherrnschlüssel, verliehen von Kaiser Maximilian von Mexiko, ist ein verbliebener Zeuge dieser geschichtlichen Ereignisse. Derzeit ist der Schlüssel in der Sonderausstellung „Historische Momente“ zu bewundern, ebenso wie viele andere Objekte der Schell Collection mit einem Bezug zur Geschichte.

 

Text: Mag. Verena Lang

 

Literatur:

Brunner, Karl: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters. Verlag C.H. Beck, München – 2012.

Der Kleine Pauly – Lexikon der Antike in fünf Bänden. J.B. Metzler Verlag, Stuttgart/Weimar – 2013.

Duwe, Georg: Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel -Historische Entwicklung eines der ältesten Hofämter vom Mittelalter bis 1918. Biblio Verlag – Osnabrück – 1990.

Kinder, Hermann u. Hilgemann, Werner: dtv-Atlas Weltgeschichte, Bd. 2 Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart, 37. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München – 2004.

Heimann, Heinz-Dieter: Die Habsburger – Dynastie und Kaiserreiche, 4. durchgesehene Auflage. Verlag C.H. Beck, München – 2009.

Lang, Verena: Historische Momente – Feldherren, Forscher und Künstler auf Objekten der Schell Collection. Graz – 2019.

Rinke, Stefan: Geschichte Lateinamerikas. Von den frühesten Kulturen bis zur Gegenwart. C.H. Beck Verlag, München – 2010.

Vocelka, Karl: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik, 2. Aufl. Verlag Styria, Graz/Wien/Köln – 2002.

Vocelka, Karl: Österreichische Geschichte, 3. Aufl. Verlag C.H. Beck, München – 2010.

Wittwer, Samuel: Kammerherrenschlüssel im Historischen Museum Basel. In: Weltkunst, Heft 12, Berlin – November 1997. S. 1266-1268.

http://kapuzinergruft.com/kaiser-maximilian-von-mexiko vom 5. Juli 2019.

Abbildungsverzeichnis:

  • Abb. 1: Duwe, Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel. S. 15
  • Abb. 2: Duwe, Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel. S. 63
  • Abb. 3: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/meggendorfer2/0015
  • Abb. 4: https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_I._(Mexiko)#/media/
  • Datei:Maximilian_of_Mexico_bw.jpg
  • Abb. 5: https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_I._(Mexiko)#/media/
  • Datei:Edouard_Manet_022.jpg

 

[1] Vgl. Der Kleine Pauly – Lexikon der Antike. Bd. 1. Sp. 1337-1338.

[2] Vgl. Der Kleine Pauly – Lexikon der Antike, Bd. 2. Sp.459.

[3] Vgl. Der Kleine Pauly – Lexikon der Antike, Bd. 2. Sp. 469.

[4] Vgl. Duwe, Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel. S. 5.

[5] Vgl. Das Nibelungenlied, 1, 11; 10, 616; 10, 638.

[6] Vgl. Wittwer, Kammerherrenschlüssel. S. 1266.

[7] Vgl. Duwe, S. 6ff.

[8] Vgl. Heimann, Die Habsburger. S. 14.

[9] Vgl. Duwe. S. 26-30; Wittwer, Kammerherrenschlüssel. S. 1266.

[10] Vgl. Ebda. S. 32-36.

[11] Vgl. Vocelka, S. 64f.

[12] Vgl. Duwe. S. 38f.

[13] Vgl. Heimann. S. 87f.; Vocelka. S. 72.

[14] Vgl. Duwe. S. 28; Wittwer, Kammerherrenschlüssel. S. 1266.

[15] Vgl. Duwe. S. 41ff.

[16] Vgl. Duwe. S. 47ff.

[17] Vgl. Wittwer, Kammerherrenschlüssel. S. 1267.

[18] Vgl. Wittwer, Kammerherrenschlüssel. S. 1267.

[19] Vgl. Vocelka, Österreichische Geschichte. S. 85; Vocelka, Geschichte Österreichs. S. 255.

[20] Vgl. dtv-Atlas Weltgeschichte, Bd. 2. S. 371; Rinke, Geschichte Lateinamerikas. S. 80.

[21] Vgl. Heimann. S. 17, 104; Vocelka, Geschichte Österreichs. S. 255f.

[22] Vgl. http://kapuzinergruft.com/kaiser-maximilian-von-mexiko vom 5. Juli 2019.