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Objekt des Monats Oktober 2021

„Ausg’steckt is‘!“

Ein Buschenschankzeichen, das auszog um die Natur zu schützen

Abb.1 Das Buschenschankzeichen

Inventarnummer: 8366

Maße: 54 x 37cm

Ein guter Wein und eine herzhafte Brettljause, genossen auf einer schönen Panoramaterrasse mit Blick auf den Weingarten oder in einer urigen Stube. Dazu die ersten Kastanien, die die goldene Herbstzeit einleiten. Ist Ihnen diese Szene bekannt? Dann sind Sie sicher schon in den Genuss gekommen, in einem sogenannten „Buschenschank“ einzukehren.

Falls nicht, folgt eine kurze Erklärung, worum es sich bei solch einer Gastwirtschaft handelt. Viele Weinproduzenten betreiben einen „Heurigen“ (abgeleitet von „heuriger Wein“) oder „Buschenschank“, in welchen der hauseigene Wein und selbstgemachte, kalte Mahlzeiten konsumiert werden können. Die Landwirtschaftskammer Österreich bezeichnet als Buschenschank den Ausschank von Wein, Obstwein, Trauben- und Obstmost, Trauben- und Obstsaft sowie selbstgebrannten geistigen Getränken durch Besitzer von Wein- oder Obstgärten.[1]  „Buschen“ werden die Weinschenken genannt, weil ober der Tür der Wirtschaft ein grüner, aus Buchsbaum-, Tannen-, oder Fichtenzweigen zusammengebundener Weinzeiger angebracht wurde.[2] Solch ein Weinzeiger – bestehend jedoch aus Eisen, nicht aus frischen Zweigen – ist Gegenstand des heutigen Objekts des Monats.

Abb. 2: Der Bienenkorb

Woher kommt der Brauch, Buschenschankzeichen vor den Weinschenken anzubringen? Die Weinzeiger haben wir –  genauso wie die Spitzhaue und das Rebmesser zur Pflege der Reben, die Weinpresse und die Art der Weinlagerung – den Römern zu verdanken. So wurden im alten Rom Efeukränze als Kennzeichen der Weinschenke genutzt. Dies ist nicht verwunderlich, da Efeu die heilige Pflanze des Weingottes Dionysus geweiht war.[3]

Zur Zeit Karls des Großen (747-814 n. Chr.) wurde der Buschen als Zeichen des frischen Weinzapfs und Ausschanks nördlich der Alpen verwendet. So geht aus der Capitulare de villis (Landgüterordnung) hervor, dass der Ausschank des für die Hofhaltung nicht nötigen Weines durch aufgehängte Kränze (coronae de racemio) und Weinreben angezeigt werden solle.[4]

 

Das Buschenschankzeichen

Abb. 3: Die roten Schleifen

Das seltene Buschenschankzeichen wurde der Schell Collection im Frühjahr 2021 vom Em. Univ.-Prof. Dr. h.c. Gernot Kocher als Geschenk gewidmet. An dieser Stelle sei ihm ein herzlicher Dank für dieses außergewöhnliche Stück ausgesprochen! Das Buschenschankzeichen stammt, laut der Auskunft die Prof. Kocher vom damaligen Händler bekam, aus Niederösterreich und wurde um 1800 hergestellt. Sollte es in dieser Zeit gefertigt worden sein, so befindet sich der Ausleger in einem überraschend gutem Zustand. Es ist zu vermuten, dass die jetzige Bemalung später hinzugefügt oder zumindest erneuert wurde.

Abb. 4: Der Stern an der Unterseite des Bienenkorbs

Der Großteil des Zeichens besteht aus einem Busch grüner Zweige, welche vermutlich jene einer Fichte darstellen sollen. Bei Fichten sind die Zweige selbst benadelt, wie es auch auf den Zweigen unseres Objekts des Monat zu erkennen ist. Die Zweige wurden sehr fein und fragil gearbeitet, weshalb sie bei unachtsamer Behandlung schnell abzubrechen drohen.

Von den Zweigen ragt ein spiralförmiges Schmuckelement hervor, welches ebenfalls in grüner Farbe gehalten ist. An diesem Element hängt ein braun bemalter Bienenkorb bestehend aus gedrehten Eisenspiralen, der mit einer roten Schleife verziert ist und auf dessen Unterseite ein roter sechsstrahliger Stern versteckt ist. Eine weitere, kleinere rote Schleife ist am unteren Ende der Zweige befestigt. Laut Franz Leskoschek zeigen weiße oder rote Bänder am Buschenschankzeichen die Farbe des ausgeschenkten Weines an.[5] Aufgrund des Bienenkorbs ist anzunehmen, dass der Buschenschank auch Honig verkaufte.

Abb. 5: Buschenschankzeichen Niederösterreich 1950-1999

Sollte der Ausleger tatsächlich aus Niederösterreich stammen, so kann er für die Gegend als untypisch bezeichnet werden. Für Niederösterreich üblich waren Weinzeiger aus Stroh sowie kunstvoll geschlungene Winzerkränze, welche oftmals mit Efeublättern geschmückt wurden. Die runden Strohgeflechte bestanden aus zwei durch starke Strahlen verbundene konzentrische Strohkreise, von welchen ringsum Strohhalme ausgingen. Dieses meist von den Winzern selbst hergestellte Geflecht sieht wie die Nachbildung einer Sonne aus und wurde manchmal mit Fichtenzweigen ergänzt. [6] Auf der Website der Landessammlung Niederösterreich finden sich drei solcher Buschenschankzeichen, die aus dem 20. Jahrhundert stammen.[7] Leskoschek betont jedoch, dass diese ursprünglichen Weinzeiger im großen Weinbaugebiet am Wienerwald durch moderne Blechkränze oder Schilder ersetzt wurden.[8] So könnte vermutet werden, dass unser Objekt des Monats aus dieser Gegend stammt.

Vergleichsobjekte

Abb. 6: Inv. Nr. 5968

Im zweiten Stock der Schell Collection befindet sich das Zunftzeichen eines Imkers (Inv. Nr. 5968), welches über einen Bienenkorb verfügt, der jenem des Objekts des Monats deutlich ähnelt, jedoch dem 17. Jahrhundert zugeschrieben wird. Der Ausleger besteht ebenfalls aus gedrehten Eisenspiralen, welche einen Korb mit Quasten bilden. Auch ist der Bienenkorb bemalt, wenn auch nicht in den bunten Farben des Objekts des Monats, und wird durch mehrere Maschen geziert.

Eine weitere Abbildung solch eines Auslegers mit Bienenkorb ist in Margarete Baur-Heinholds Buch „Geschmiedetes Eisen vom Mittelalter bis um 1900“ zu finden. Das darin gezeigte Zunftzeichen stammt aus Erding, Oberbayern und wird ins 17. Jahrhundert datiert.[9] Auch der dort gezeigte Ausleger verfügt über gedrehte Eisenspiralen und eine Masche, jedoch über keine Quasten, wie es bei der Inv. Nr. 5968 der Fall ist.

In Mariazell in der Obersteiermark gibt es einen weiteren Ausleger mit Bienenkorb dieser Art. Angebracht ist er vor dem Geschäft eines sogenannten Lebzelters, also eines Lebkuchenbäckers. Folgendes Foto des Zunftzeichens stammt von Mag. Martina Pall, welche es bei einem Besuch in Mariazell entdeckte.

Abb. 7: Ausleger Mariazell (c) Martina Pall

Rechtliches zum bäuerlichen Buschenschank

Warum wurde nun ein Buschenschankausleger aus Eisen hergestellt, anstatt die frischen Wipfel der Bäume zu verwenden? Gernot Kocher und Susanne Pöschl beschäftigen sich in ihrem Aufsatz „Wein und Recht“ mit den rechtlichen Regelungen rund um den Weinbau, die Kellerpflege oder eben auch dem Ausschank von Weinen in den Buschenschänken. Festgestellt wird, dass ein josephinisches Patent aus 1784 als Beginn des Buschenschankwesens gilt. Besonders interessant ist der umweltpolitische Aspekt, den eine der Regelungen in Zusammenhang mit dem Buschenschankwesen aufweist. So wurde zur Schonungen der Waldungen verboten, Baumwipfel als Weinzeiger auszustecken und empfohlen, stattdessen bemalte Ersatzzeichen zu verwenden. Es ist anzunehmen, dass es sich bei unserem Objekt des Monats um ein solches Ersatzzeichen handelt.[10]

In folgender Passage aus den Gesetzen und Verordnungen für die österreichischen, böhmischen und galizischen Erbländer aus dem Jahr 1793 wurde das Verbot, die Wipfel der Bäume als Weinzeiger auszustecken, verschriftlicht:

 

65.

Verboth, die Wipfel der Bäume als Weinzeiger auszustecken. (Für Krain.)

Der Gebrauch, das die Weinschenker (in Krain) zum Zeichen ihres Gewerbs die Wipfel der Fichten und Tannenbäume vor ihren Häusern aushängen, ist für die Pflege der Waldungen, und sonderheitlich des Bauholzes, auffallend verderblich.

Wie dringend nothwendig es sei, diesem Unfunge zu steuern, muß jedermann in die Augen fallen, der die Menge der hier Landes bestehenden Schankhäuser in Betrachtung zieht, und berechnet, das solche alle Jahre meistens zweimahl frische Baumwipfel vom Nadelholze ausstecken, und hierdurch eben so viele Bauholzbäume in ihrem Wachsthume ersticken.

Dieser Unfug ist bereits durch ein Generale vom 6  Julius 1761, dann aber auch durch die Waldordnung vom 23 November 1771 ausdrücklich verbothen worden. In dieser Betrachtung nun, und da bekannt ist, das gemahlene Schilde, oder die Aushängung eines Trinkgeschirres, oder eines Baumreisers, das Gewerbezeichen des Weinschanks eben so gut, oder noch besser bezeichnen, findet sich diese Landesstelle veranlasset, das Verboth des Gebrauches der gegenwärtig üblichen Schankhauszeiger, welche in Gipfeln der Fichten und Tannenbäume bestehen, mit dem Beisatze hiermit zu erneuern, das von dem Tage der Kundmachung an, nach drey Monathen alle dergleichen Zeiger hinweggeräumt, und anstatt derselben andere nach Wohlbefinden, ausgehänget werden sollen.

Gedruckte Verordnung der Krainerischen Landeshauptmannschaft, vom 30 Junius[11]

 

Formuliert wurde diese Vorschrift zwar für Krain, jedoch ist laut Auskunft von Herrn Prof. Kocher anzunehmen, dass die Geltung aufgrund der Rechtsverwandtschaft der sogenannten Niederösterreichischen Länder (Steiermark, Kärnten, Krain, Niederösterreich und Oberösterreich) für alle Weinbaugebiete anzunehmen ist.

Auch heute wird der Buschenschank durch eigene Landesgesetze (Buschenschankgesetze) bezüglich Anmeldeverfahren, Dauer, Sperrstunde oder Aussteckkennzeichen geregelt. Es gibt landesspezifische Rechtsgrundlagen für alle Bundesländer Österreichs mit Ausnahme von Salzburg, Tirol und Vorarlberg, wo die Verabreichung von selbsterzeugten Produkten im Rahmen der Almausschank möglich ist.[12] Auf eiserne Ausleger muss jedoch nicht mehr zurückgegriffen werden. So ist zum Beispiel im Wiener Buschenschankgesetz Folgendes bezüglich des Buschenschankzeichens vermerkt:

„§ 6.

(1) Der Buschenschenker hat während der Dauer des Ausschankes am Ausschanklokal das Buschenschankzeichen (Abs. 2) und eine Tafel auszustecken, die seinen Vor- und Familien- oder Nachnamen, bei einer juristischen Person, Personengesellschaft des Handelsrechts oder eingetragenen Erwerbsgesellschaft deren Namen, enthält. Diese äußere Bezeichnung darf nicht so geartet sein, daß sie geeignet ist, einen Gastgewerbebetrieb vorzutäuschen.

(2) Das Buschenschankzeichen hat aus einem Föhren-, Tannen- oder Fichtenbuschen zu bestehen.

(3) Zur Führung des Buschenschankzeichens sind ausschließlich Buschenschenker berechtigt.“[13]

 

Für alle anderen Bundesländer sind nahezu idente Vorschriften bezüglich der Bewerbung des Ausschankes mittels Buschenschankzeichen zu finden. Wenn Sie also das nächste Mal einen Buschenschank besuchen, halten Sie Ausschau nach solch einem Weinzeiger. Gerne können Sie Fotos davon an unser Museum schicken!

 

Text: Hannah Konrad, MA

 

Literatur

Baur-Heinhold, Margarete: Geschmiedetes Eisen vom Mittelalter bis um 1900. Stuttgart 1963.

Gareis, Karl: Die Landgüterordnung Kaiser Karls des Grossen. Berlin 1895.

Kocher, Gernot und Pöschl, Susanne: Wein und Recht. In: Kulturreferat der Steiermärlischen Landesregierung (Hg.): Weinkultur. Graz 1990, S. 205-211.

Landwirtschaftskammer Österreich: Rechtliches zum bäuerlichen Buschenschank. Wien 2019.

Leskoschek, Franz: „Ausg’steckt is‘!“. Kurze Kulturgeschichte der Buschenschenke und des Schankrechtes im altösterreichischen Weinbauraum. Blätter für Heimatkunde 49 (1975), S. 73-83.

Quellen

Sr. K.K. Majestät Franz des Zweyten politische Gesetze und Verordnungen für die oesterreichischen, böhmischen und galizischen Erbländer. Wien 1793.

 

 

Bildquellen

Abb.1: Das Buschenschankzeichen, fotografiert von Hannah Konrad

Abb.2: Der Bienenkorb, fotografiert von Hannah Konrad

Abb.3: Die roten Schleifen, fotografiert von Hannah Konrad

Abb.4: Der rote Stern, fotografiert von Hannah Konrad

Abb.5: Niederösterreichisches Strohgeflecht. Landessammlung Niederösterreich Online: Buschenschankzeichen. Online unter: https://www.online.landessammlungen-noe.at/objects/1187253/buschenschankzeichen?ctx=5afba26e271f9671c400dbf3246b9f7558b8ae74&idx=2 (Zugriff: 04.08.2021).

Abb.6: Inv. Nr. 5968, Schell Collection, fotografiert von Hannah Konrad

Abb.7: Zunftzeichen in Mariazell, fotografiert von Martina Pall

 

[1] Vgl. Landwirtschaftskammer Österreich: Rechtliches zum bäuerlichen Buschenschank. Wien 2019, S.7.

[2] Vgl. Franz Leskoschek: „Ausg’steckt is‘!“. Kurze Kulturgeschichte der Buschenschenke und des Schankrechtes im altösterreichischen Weinbauraum. Blätter für Heimatkunde 49 (1975), S. 73-83, hier S. 73.

[3] Vgl. Ebda., S. 75.

[4] Vgl. Karl Gareis: Die Landgüterordnung Kaiser Karls des Grossen. Berlin 1895, S. 38. Online unter: https://archive.org/details/dielandgterordn00frangoog/page/n43/mode/2up (Zugriff: 04.08.2021).

[5] Vgl. Leskoschek 1975, S. 77.

[6] Vgl. Ebda., S. 77-78.

[7] Vgl. Landessammlung Niederösterreich Online: Buschenschankzeichen. Online unter: https://www.online.landessammlungen-noe.at/objects/1187253/buschenschankzeichen?ctx=5afba26e271f9671c400dbf3246b9f7558b8ae74&idx=2 (Zugriff: 04.08.2021).

[8] Vgl. Leskoschek 1975, S. 77-78.

[9] Vgl. Margarete Baur-Heinhold: Geschmiedetes Eisen vom Mittelalter bis um 1900. Stuttgart 1963, S. 42.

[10] Vgl. Gernot Kocher und Susanne Pöschl: Wein und Recht. In: Kulturreferat der Steiermärlischen Landesregierung (Hg.): Weinkultur. Graz 1990, S. 205-211, hier S. 209.

[11] Sr. K.K. Majestät Franz des Zweyten politische Gesetze und Verordnungen für die oesterreichischen, böhmischen und galizischen Erbländer. Wien 1793, S. 122.

[12] Vgl. Landwirtschaftskammer Österreich: Rechtliches zum bäuerlichen Buschenschank. Wien 2019, S. 22.

[13] Vgl. Gesetz über den Ausschank von selbsterzeugtem Wein und Obstwein, von Trauben- und Obstmost und von Trauben- und Obstsaft (Wiener Buschenschankgesetz) LGBl. Nr. 21/2021, § 6. Online unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000297 (Zugriff 03.08.2021).