Wenn man seine Blicke in der Schell Collection schweifen lässt, so fällt einem eine ganz besondere Vitrine im 1. Stock ins Auge. Hervorstechen dabei eine Vielzahl an goldenen Schlüsseln. Dabei handelt es sich um Kammerherrenschlüssel, welche auch Kämmererschlüssel genannt werden und als Zeichen eines bestimmten Amtes am Hof getragen wurden. Das Objekt für den Monat Oktober repräsentiert ebenfalls diese Art der Schlüssel (Abb. 1) in Form eines Exemplars aus der Zeit des österreichischen Kaisers Ferdinand I. Außergewöhnlich sticht dieses Exponat von den übrigen seiner Art durch die bemerkenswerte Gestaltung hervor. Der Volldornschlüssel wurde aus Eisen gefertigt und ist stellenweise aus Bronze und partiell vergoldet. Das gesamte Objekt wurde mit goldenen Ornamenten (Abb. 2) verziert.
Besonders der Griff fasziniert: Auf einem Hintergrund aus rotem Karneol ist der „Böhmische Löwe“ abgebildet. Der Löwe wurde aus Eisen gefertigt und trägt eine goldene Krone auf dem Haupt. Der ebenfalls eiserne Griff, der auch Reide genannt wird, erregt durch seine volutenförmige goldene Umrahmung besondere Aufmerksamkeit. Die Inschrift auf der Vorderseite zeigt „Ferd. I. Aust. R. Imperator.“ und auf der Rückseite „Cor. In Reg. Boh. Prag. 7. Sept. 1836.“. Zurückzuführen ist diese auf die Krönung Ferdinands I. am 7. September 1836 zum böhmischen König in Prag. Darüber erfahren Sie in diesem Artikel später noch Näheres. Der gezeigte Schlüssel wurde an hochgestellte Würdenträger, vermutlich böhmische Adelige, verliehen.
Bereits im Zuge des Objekts des Monats Oktober 2019 war ein Kämmererschlüssel, verliehen von Kaiser Maximilian I. von Mexiko, Mittelpunkt einer ausführlichen Recherche zu dieser Thematik. Wenn Sie also mehr zu den Kammerherren und ihren Schlüsseln sowie zu dem mexikanischen Kaiser erfahren wollen, lesen Sie gerne hier mehr dazu: https://www.schell-collection.com/objekt-des-monats/objekt-des-monats-oktober-2019/.
Das Wappen
Beschäftigen wir uns nun näher mit der Darstellung auf der Reide. Die Abbildung des sogenannten „Böhmischen Löwen“ findet sich unter anderem auf dem Wappen Böhmens. Die Heraldik beschreibt dieses mit „auf rotem Schild [ist ein] als silberner doppelschwänziger, gold- oder rotgezungter, goldbewehrter und ebenso gekrönter steigender Löwe.“[1] zu sehen. Deutlich zu erkennen, befindet sich dieser auch auf unserem Exponat (Abb. 3). Typisch ist die im Profil aufrechte schreitende Haltung. Der Blick geht nach heraldisch rechts und die Pranken sind nach oben gehalten. Auffällig ist dabei der Schweif, bei dem es sich um die Art des Doppelschweifes handelt. Auf dem Kopf trägt das Tier eine Krone. Der Löwe galt schon immer als beliebtestes Wappentier, denn er symbolisiert königliche Tugenden wie beispielsweise Mut.
Karneol
Besondere Betrachtung verdient auch das Material Karneol. Dieses ist hier eine schwach durchscheinende und rötlich gefärbte Variante des Minerals Quarz (Chalcedon). Die Farbe kommt vom Eisen, das in unterschiedlichen Mengen beim Karneol zu finden ist.[2] Bereits im alten Ägypten galt der an Blut erinnernde Stein als „Lebensstein“ und spielte bei Bestattungsritualen eine wichtige Rolle. Diese wurden auch im Ägyptischen Totenbuch dokumentiert.
Verwendung fand der Edelstein bereits in der Antike hauptsächlich bei der Herstellung von Schmucksteinen und auch bei kunstgewerblichen Gegenständen. Der rötliche Stein wurde auch für die Produktion von Gemmen oder Siegelringen verwendet, die häufig Schutzsymbole oder Glückssymbole zeigten.[3] Die Schell Collection besitzt sowohl einen Ringschlüssel aus der Römerzeit, der mit einer Gemme aus rotem Karneol verziert wurde, als auch eine Schatulle (Abb. 4), welche mit halbrunden glattgeschliffenen Karneolen auf dem Deckel gestaltet wurde.
Kammerherrenschlüssel
Kammerherren waren Inhaber eines Hofamtes. Dabei standen sie ständig zur Verfügung und mussten von adeliger Herkunft sein, um diese Position zu erlangen. Es muss dazu gesagt werden, dass hohe Kosten anfielen um Kammerherr zu werden. Per Taxgesetz von 1850 musste man für die Ernennung einen fixen Betrag bezahlen und noch andere anfallende Kosten begleichen. Mit dem Titel ging aber auch ein gesellschaftliches Ansehen sowie ein Aufschwung in wirtschaftlicher und beruflicher Hinsicht einher. Somit genossen die Ernannten sehr viele Vorteile. Nicht nur Männer erhielten diesen Posten, auch die Kaiserin stellte weibliche Kämmerer, die sogenannten „Schlüsseldamen“, an. Bei den Kammerherren musste man zudem unterscheiden, wer den Titel nur ehrenhalber bekam und wer tatsächlich dieses Amt auch ausübte. Denn viele haben nur die Amtsbezeichnung verliehen bekommen. Je nach Regenten bzw. Regentin wurden die Posten unterschiedlich oft vergeben. Als Beispiel sei hier Kaiser Ferdinand I. angeführt, der 535 Kämmerer ernannt hat. Kaiser Franz Joseph I. hat als Vergleich mehr als 3.000 Kämmerer erwählt. Bis zum 17. Jahrhundert waren diese besonderen goldenen Schlüssel tatsächlich noch in Gebrauch, das änderte sich aber im Laufe der Zeit zu der Verleihung von rein symbolischen Schlüsseln. Auch das Material veränderte sich mit den Jahren von Eisen zu Messing und die einzelnen Schlüssel wandelten sich in der Gestaltung.[4]
Ferdinand I., Kaiser von Österreich
Kommen wir nun aber zu dem Mann, der diesen Schlüssel verliehen hat. Er gehört einer der bekanntesten und mächtigsten Dynastien Europas an – den Habsburgern.
Aber wer war Ferdinand I. (Abb. 5) überhaupt? Um das herauszufinden, gehen wir in das Jahr 1793 zurück. In diesem Jahr kam Ferdinand Karl Leopold Joseph Franz Marcellin als erster Sohn von Kaiser Franz II./I. und Maria Theresia von Neapel zur Welt. Somit wäre seine Bestimmung, später seinem Vater auf den Thron zu folgen, festgestanden. Jedoch beobachtete man seit der Geburt bei dem Kind einen Entwicklungsrückstand. Aufgrund dessen schirmte man Ferdinand von der Öffentlichkeit ab und er lebte viele Jahre im Verborgenen. Immer wieder liest man in der Literatur, dass der Junge an Epilepsie und anderen Krankheiten gelitten hat, was zu einer Lernverzögerung führte und ihn schwer erziehbar machte. Trotz den schwierigen Umständen konnte er dieses Defizit mit viel Erziehung ausgleichen, sodass sich die anfängliche Sorge aller, nie verheiratet zu werden oder die Thronfolge nicht antreten zu können, minimierte. Dennoch muss festgehalten werden, dass er aufgrund seiner Entwicklungsumstände kein wirklich selbstständig regierender Kaiser sein konnte. So wurde er auch erst spät im Alter von 36 Jahren mit offiziellen Staatsangelegenheiten betraut. 1831 wurde die Heirat mit Maria Anna von Sardinien arrangiert, die Ehe blieb aber kinderlos.[5]
In Pressburg folgte 1830 Ferdinands Krönung zum König von Ungarn. Dabei spendete Ferdinand I. sein Krönungsgeschenk von 50.000 Dukaten an das Volk. Durch seine wohltätigen Züge und für das Einsetzen der Forderungen seiner Untertanen erhielt er den Beinamen „Ferdinand der Gütige“. Mit dem Tod seines Vaters kam das Legitimitätsprinzip der Erbfolge zum Einsatz und Ferdinand wurde 1835 Kaiser von Österreich. Durch die zuvor angeführten Umstände wurde ihm die „Geheime Staatskonferenz“ zur Seite gestellt. Zugehörig waren dieser Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich, Graf Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky sowie Erzherzog Ludwig und Erzherzog Franz Karl, um Ferdinand bei den hohen Anforderungen des Regierens zu unterstützen und dieses Vorhaben auch effektiver bewerkstelligen zu können. Diese Organisation führte die Regierungsgeschäfte und Ferdinand war vielmehr der Repräsentant nach außen. Es folgte 1836 die Krönung zum König von Böhmen und 1838 jene zum König von Lombardo-Venetien. Lediglich bei einigen Ereignissen während der Revolution 1848 zeigte der Kaiser ein selbstständiges Handeln.[6]
Eben jene Krönung zum König von Böhmen ist für das gezeigte Exponat interessant. Denn die Inschrift (Abb.6) auf der Reide bezieht sich auf die Krönung vom 7. September 1836 in Prag. Diese Königskrönung war die letzte ihrer Art in der böhmischen Hauptstadt. Die beiden Nachfolger Ferdinands bekamen zwar offiziell den Titel, aber ließen sich nicht mehr mit der Königskrone krönen. Auf dem dargestellten Gemälde sieht man Ferdinand I., der sich während der Krönung im Veitsdom befindet (Abb.7). Im Zuge dieser verlieh er den gezeigten Kammerherrenschlüssel an einen böhmischen Würdenträger.[7]
Entscheidend war in Ferdinands Regierungsjahren das bereits angeschnittene Revolutionsjahr 1848. In der ersten Jahreshälfte begannen mehrere Aufstände im Habsburgerreich, diese waren durch die Unzufriedenheit mit dem vormärzlichen System und der absolutistisch geführten Politik bedingt und weiteten sich rasch länderübergreifend aus. Die Forderungen nach einem Umbruch hatten die Entlassung des Staatskanzlers Metternichs zur Folge.[8] Dabei gewährte man auch die Bildung einer Nationalgarde und die Aufhebung der Zensur. Die Revolutionäre waren noch nicht zufrieden und durch immer wiederkehrende Unruhen floh der Kaiser von Wien nach Innsbruck.[9] Die Revolution wurde mithilfe des Militärs niedergeschlagen und die Lage der Arbeiter und Bürger hatte sich kaum gebessert. Nur der Bauernstand, der sich nicht an der Revolution beteiligte, wurde vom System der Grundherrschaft befreit.[10] Auf Drängen seines Umfeldes und des Volkes kehrte der Kaiser im selben Jahr nach Wien zurück und verkündete seinen Rücktritt und die Regierungsübergabe. Nur sehr selten war es in der Habsburgermonarchie der Fall, dass ein Kaiser vor seinem Tod die Krone niederlegte. Zudem forderte die Familie einen Generationenwechsel und sprach sich gegen Ferdinands Bruder Franz Karl als nächsten in der Thronfolge aus. Dieser stimmte zu und verzichtete zugunsten seines Sohnes Franz Joseph I. auf den Thron. Der ehemalige Kaiser Ferdinand ging nach seiner Abdankung seinen Interessen folgend nach Prag und verbrachte seinen Lebensabend bis 1875 dort, wo er im Alter von 82 Jahren starb.[11]
Wenn nun Ihr Interesse an diesem Kammerherrenschlüssel geweckt ist, freuen wir uns auf Ihren Besuch in der Schell Collection. Denn sie besticht durch ihre umfangreiche Sammlung an Kammerherrenschlüsseln, verliehen von verschiedenen Kaisern, Königen und anderen Würdenträgern aus dem europäischen Raum.
Text: Jasmin Längle, MA
Literaturverzeichnis
Auer, Julian Gregor: „Leben und Bedeutung Kaiser Ferdinands I. von Österreich in der Historiographie“, Dipl. Arbeit, Wien 2013.
Duwe, Georg: Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel, Osnabrück 1990.
Heimann, Heinz-Dieter: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche, München 2009.
Vocelka, Karl: Österreichische Geschichte, München 2005.
Abb. 4: Kästchen mit Karneol, Schell Collection, Graz
Abb. 5: Leopold Kupelwieser, Kaiser Ferdinand I. von Österreich im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, 1847, https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_I._%28%C3%96sterreich%29#/media/Datei:Leopold_Kupelwieser_-_Kaiser_Ferdinand_I.jpg (Zugriff: 24.08.2023)
Objekt des Monats Oktober 2023
Kammerherrenschlüssel Ferdinands I.
Das Objekt
Inv. Nr. 8624
Maße: 22 x 7 cm
Standort: 1. Stock, Vitrine 70
Wenn man seine Blicke in der Schell Collection schweifen lässt, so fällt einem eine ganz besondere Vitrine im 1. Stock ins Auge. Hervorstechen dabei eine Vielzahl an goldenen Schlüsseln. Dabei handelt es sich um Kammerherrenschlüssel, welche auch Kämmererschlüssel genannt werden und als Zeichen eines bestimmten Amtes am Hof getragen wurden. Das Objekt für den Monat Oktober repräsentiert ebenfalls diese Art der Schlüssel (Abb. 1) in Form eines Exemplars aus der Zeit des österreichischen Kaisers Ferdinand I. Außergewöhnlich sticht dieses Exponat von den übrigen seiner Art durch die bemerkenswerte Gestaltung hervor. Der Volldornschlüssel wurde aus Eisen gefertigt und ist stellenweise aus Bronze und partiell vergoldet. Das gesamte Objekt wurde mit goldenen Ornamenten (Abb. 2) verziert.
Besonders der Griff fasziniert: Auf einem Hintergrund aus rotem Karneol ist der „Böhmische Löwe“ abgebildet. Der Löwe wurde aus Eisen gefertigt und trägt eine goldene Krone auf dem Haupt. Der ebenfalls eiserne Griff, der auch Reide genannt wird, erregt durch seine volutenförmige goldene Umrahmung besondere Aufmerksamkeit. Die Inschrift auf der Vorderseite zeigt „Ferd. I. Aust. R. Imperator.“ und auf der Rückseite „Cor. In Reg. Boh. Prag. 7. Sept. 1836.“. Zurückzuführen ist diese auf die Krönung Ferdinands I. am 7. September 1836 zum böhmischen König in Prag. Darüber erfahren Sie in diesem Artikel später noch Näheres. Der gezeigte Schlüssel wurde an hochgestellte Würdenträger, vermutlich böhmische Adelige, verliehen.
Bereits im Zuge des Objekts des Monats Oktober 2019 war ein Kämmererschlüssel, verliehen von Kaiser Maximilian I. von Mexiko, Mittelpunkt einer ausführlichen Recherche zu dieser Thematik. Wenn Sie also mehr zu den Kammerherren und ihren Schlüsseln sowie zu dem mexikanischen Kaiser erfahren wollen, lesen Sie gerne hier mehr dazu: https://www.schell-collection.com/objekt-des-monats/objekt-des-monats-oktober-2019/.
Das Wappen
Beschäftigen wir uns nun näher mit der Darstellung auf der Reide. Die Abbildung des sogenannten „Böhmischen Löwen“ findet sich unter anderem auf dem Wappen Böhmens. Die Heraldik beschreibt dieses mit „auf rotem Schild [ist ein] als silberner doppelschwänziger, gold- oder rotgezungter, goldbewehrter und ebenso gekrönter steigender Löwe.“[1] zu sehen. Deutlich zu erkennen, befindet sich dieser auch auf unserem Exponat (Abb. 3). Typisch ist die im Profil aufrechte schreitende Haltung. Der Blick geht nach heraldisch rechts und die Pranken sind nach oben gehalten. Auffällig ist dabei der Schweif, bei dem es sich um die Art des Doppelschweifes handelt. Auf dem Kopf trägt das Tier eine Krone. Der Löwe galt schon immer als beliebtestes Wappentier, denn er symbolisiert königliche Tugenden wie beispielsweise Mut.
Karneol
Besondere Betrachtung verdient auch das Material Karneol. Dieses ist hier eine schwach durchscheinende und rötlich gefärbte Variante des Minerals Quarz (Chalcedon). Die Farbe kommt vom Eisen, das in unterschiedlichen Mengen beim Karneol zu finden ist.[2] Bereits im alten Ägypten galt der an Blut erinnernde Stein als „Lebensstein“ und spielte bei Bestattungsritualen eine wichtige Rolle. Diese wurden auch im Ägyptischen Totenbuch dokumentiert.
Verwendung fand der Edelstein bereits in der Antike hauptsächlich bei der Herstellung von Schmucksteinen und auch bei kunstgewerblichen Gegenständen. Der rötliche Stein wurde auch für die Produktion von Gemmen oder Siegelringen verwendet, die häufig Schutzsymbole oder Glückssymbole zeigten.[3] Die Schell Collection besitzt sowohl einen Ringschlüssel aus der Römerzeit, der mit einer Gemme aus rotem Karneol verziert wurde, als auch eine Schatulle (Abb. 4), welche mit halbrunden glattgeschliffenen Karneolen auf dem Deckel gestaltet wurde.
Kammerherrenschlüssel
Kammerherren waren Inhaber eines Hofamtes. Dabei standen sie ständig zur Verfügung und mussten von adeliger Herkunft sein, um diese Position zu erlangen. Es muss dazu gesagt werden, dass hohe Kosten anfielen um Kammerherr zu werden. Per Taxgesetz von 1850 musste man für die Ernennung einen fixen Betrag bezahlen und noch andere anfallende Kosten begleichen. Mit dem Titel ging aber auch ein gesellschaftliches Ansehen sowie ein Aufschwung in wirtschaftlicher und beruflicher Hinsicht einher. Somit genossen die Ernannten sehr viele Vorteile. Nicht nur Männer erhielten diesen Posten, auch die Kaiserin stellte weibliche Kämmerer, die sogenannten „Schlüsseldamen“, an. Bei den Kammerherren musste man zudem unterscheiden, wer den Titel nur ehrenhalber bekam und wer tatsächlich dieses Amt auch ausübte. Denn viele haben nur die Amtsbezeichnung verliehen bekommen. Je nach Regenten bzw. Regentin wurden die Posten unterschiedlich oft vergeben. Als Beispiel sei hier Kaiser Ferdinand I. angeführt, der 535 Kämmerer ernannt hat. Kaiser Franz Joseph I. hat als Vergleich mehr als 3.000 Kämmerer erwählt. Bis zum 17. Jahrhundert waren diese besonderen goldenen Schlüssel tatsächlich noch in Gebrauch, das änderte sich aber im Laufe der Zeit zu der Verleihung von rein symbolischen Schlüsseln. Auch das Material veränderte sich mit den Jahren von Eisen zu Messing und die einzelnen Schlüssel wandelten sich in der Gestaltung.[4]
Ferdinand I., Kaiser von Österreich
Kommen wir nun aber zu dem Mann, der diesen Schlüssel verliehen hat. Er gehört einer der bekanntesten und mächtigsten Dynastien Europas an – den Habsburgern.
Aber wer war Ferdinand I. (Abb. 5) überhaupt? Um das herauszufinden, gehen wir in das Jahr 1793 zurück. In diesem Jahr kam Ferdinand Karl Leopold Joseph Franz Marcellin als erster Sohn von Kaiser Franz II./I. und Maria Theresia von Neapel zur Welt. Somit wäre seine Bestimmung, später seinem Vater auf den Thron zu folgen, festgestanden. Jedoch beobachtete man seit der Geburt bei dem Kind einen Entwicklungsrückstand. Aufgrund dessen schirmte man Ferdinand von der Öffentlichkeit ab und er lebte viele Jahre im Verborgenen. Immer wieder liest man in der Literatur, dass der Junge an Epilepsie und anderen Krankheiten gelitten hat, was zu einer Lernverzögerung führte und ihn schwer erziehbar machte. Trotz den schwierigen Umständen konnte er dieses Defizit mit viel Erziehung ausgleichen, sodass sich die anfängliche Sorge aller, nie verheiratet zu werden oder die Thronfolge nicht antreten zu können, minimierte. Dennoch muss festgehalten werden, dass er aufgrund seiner Entwicklungsumstände kein wirklich selbstständig regierender Kaiser sein konnte. So wurde er auch erst spät im Alter von 36 Jahren mit offiziellen Staatsangelegenheiten betraut. 1831 wurde die Heirat mit Maria Anna von Sardinien arrangiert, die Ehe blieb aber kinderlos.[5]
In Pressburg folgte 1830 Ferdinands Krönung zum König von Ungarn. Dabei spendete Ferdinand I. sein Krönungsgeschenk von 50.000 Dukaten an das Volk. Durch seine wohltätigen Züge und für das Einsetzen der Forderungen seiner Untertanen erhielt er den Beinamen „Ferdinand der Gütige“. Mit dem Tod seines Vaters kam das Legitimitätsprinzip der Erbfolge zum Einsatz und Ferdinand wurde 1835 Kaiser von Österreich. Durch die zuvor angeführten Umstände wurde ihm die „Geheime Staatskonferenz“ zur Seite gestellt. Zugehörig waren dieser Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich, Graf Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky sowie Erzherzog Ludwig und Erzherzog Franz Karl, um Ferdinand bei den hohen Anforderungen des Regierens zu unterstützen und dieses Vorhaben auch effektiver bewerkstelligen zu können. Diese Organisation führte die Regierungsgeschäfte und Ferdinand war vielmehr der Repräsentant nach außen. Es folgte 1836 die Krönung zum König von Böhmen und 1838 jene zum König von Lombardo-Venetien. Lediglich bei einigen Ereignissen während der Revolution 1848 zeigte der Kaiser ein selbstständiges Handeln.[6]
Eben jene Krönung zum König von Böhmen ist für das gezeigte Exponat interessant. Denn die Inschrift (Abb.6) auf der Reide bezieht sich auf die Krönung vom 7. September 1836 in Prag. Diese Königskrönung war die letzte ihrer Art in der böhmischen Hauptstadt. Die beiden Nachfolger Ferdinands bekamen zwar offiziell den Titel, aber ließen sich nicht mehr mit der Königskrone krönen. Auf dem dargestellten Gemälde sieht man Ferdinand I., der sich während der Krönung im Veitsdom befindet (Abb.7). Im Zuge dieser verlieh er den gezeigten Kammerherrenschlüssel an einen böhmischen Würdenträger.[7]
Entscheidend war in Ferdinands Regierungsjahren das bereits angeschnittene Revolutionsjahr 1848. In der ersten Jahreshälfte begannen mehrere Aufstände im Habsburgerreich, diese waren durch die Unzufriedenheit mit dem vormärzlichen System und der absolutistisch geführten Politik bedingt und weiteten sich rasch länderübergreifend aus. Die Forderungen nach einem Umbruch hatten die Entlassung des Staatskanzlers Metternichs zur Folge.[8] Dabei gewährte man auch die Bildung einer Nationalgarde und die Aufhebung der Zensur. Die Revolutionäre waren noch nicht zufrieden und durch immer wiederkehrende Unruhen floh der Kaiser von Wien nach Innsbruck.[9] Die Revolution wurde mithilfe des Militärs niedergeschlagen und die Lage der Arbeiter und Bürger hatte sich kaum gebessert. Nur der Bauernstand, der sich nicht an der Revolution beteiligte, wurde vom System der Grundherrschaft befreit.[10] Auf Drängen seines Umfeldes und des Volkes kehrte der Kaiser im selben Jahr nach Wien zurück und verkündete seinen Rücktritt und die Regierungsübergabe. Nur sehr selten war es in der Habsburgermonarchie der Fall, dass ein Kaiser vor seinem Tod die Krone niederlegte. Zudem forderte die Familie einen Generationenwechsel und sprach sich gegen Ferdinands Bruder Franz Karl als nächsten in der Thronfolge aus. Dieser stimmte zu und verzichtete zugunsten seines Sohnes Franz Joseph I. auf den Thron. Der ehemalige Kaiser Ferdinand ging nach seiner Abdankung seinen Interessen folgend nach Prag und verbrachte seinen Lebensabend bis 1875 dort, wo er im Alter von 82 Jahren starb.[11]
Wenn nun Ihr Interesse an diesem Kammerherrenschlüssel geweckt ist, freuen wir uns auf Ihren Besuch in der Schell Collection. Denn sie besticht durch ihre umfangreiche Sammlung an Kammerherrenschlüsseln, verliehen von verschiedenen Kaisern, Königen und anderen Würdenträgern aus dem europäischen Raum.
Text: Jasmin Längle, MA
Literaturverzeichnis
Auer, Julian Gregor: „Leben und Bedeutung Kaiser Ferdinands I. von Österreich in der Historiographie“, Dipl. Arbeit, Wien 2013.
Duwe, Georg: Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel, Osnabrück 1990.
Heimann, Heinz-Dieter: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche, München 2009.
Vocelka, Karl: Österreichische Geschichte, München 2005.
Online Quellen
https://annette-ahrens.at/das-kroenungsbankett-von-ferdinand-dem-guetigen-in-prag-1836/#:~:text=September%201836%20wurde%20der%20Habsburger,b%C3%B6hmische%20Hauptstadt%20eine%20K%C3%B6nigskr%C3%B6nung%20erlebte. (Zugriff: 21.08.2023)
https://www.edelsteine.net/karneol/ (Zugriff: 22.09.2023)
https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Quarz/Karneol#Definition (Zugriff: 01.09.2023)
Abbildungsnachweis
Abb. 1: Vorderseite Kammerherrenschlüssel, Schell Collection, Graz
Abb. 2: Detail Ornamente Schlüssel, Schell Collection, Graz
Abb. 3: Detail Schlüssel Vorderansicht, Schell Collection, Graz
Abb. 4: Kästchen mit Karneol, Schell Collection, Graz
Abb. 5: Leopold Kupelwieser, Kaiser Ferdinand I. von Österreich im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, 1847, https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_I._%28%C3%96sterreich%29#/media/Datei:Leopold_Kupelwieser_-_Kaiser_Ferdinand_I.jpg (Zugriff: 24.08.2023)
Abb. 6: Detail Schlüssel Rückansicht
Abb. 7: Leopold Bucher, Die Krönung Ferdinands I. zum böhmischen König im Veitsdom 1836, Prag Nationalgalerie, https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%B6nung_b%C3%B6hmischer_K%C3%B6nige#/media/Datei:Coronation_Ferdinand_V_of_Bohemia.jpeg (Zugriff: 22.08.2023)
[1] https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/220293 (Zugriff: 27.09.2023)
[2] Vgl. https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Quarz/Karneol#Definition (Zugriff: 01.09.2023)
[3] Vgl. https://www.edelsteine.net/karneol/ (Zugriff: 22.09.2023)
[4] Vgl. Duwe, Georg: Erzkämmerer, Kammerherren und ihre Schlüssel, Osnabrück 1990, S. 1; 20-25; 42.
[5] Vgl. Auer, Julian Gregor: „Leben und Bedeutung Kaiser Ferdinands I. von Österreich in der Historiographie“, Dipl. Arbeit, Wien 2013, S. 5-12.
[6] Vgl. Auer 2013, S. 34-54.
[7] Vgl. https://annette-ahrens.at/das-kroenungsbankett-von-ferdinand-dem-guetigen-in-prag-1836/#:~:text=September%201836%20wurde%20der%20Habsburger,b%C3%B6hmische%20Hauptstadt%20eine%20K%C3%B6nigskr%C3%B6nung%20erlebte (Zugriff: 21.08.2023)
[8] Vgl. Heimann, Heinz-Dieter: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche, München 2009, S. 98.
[9] Vgl. Auer 2013, S. 57-59.
[10] Vgl. Vocelka, Karl: Österreichische Geschichte, München 2005, S82-83.
[11] Vgl. Auer 2013, S. 57-59.