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Objekt des Monats Oktober 2024

Objekt des Monats Oktober 2024

Das Geheimnisvolle liegt im Verborgenen

Miniaturkabinett mit Geheimfächern

Dieses Mal nimmt Sie die Schell Collection mit dem Objekt des Monats mit ins 16. Jahrhundert in das heutige Deutschland. Es handelt sich hierbei um ein prunkvolles Kabinett mit Malerei auf Wismut aus der Zeit der Renaissance. Nicht nur das Objekt birgt spannende Rätsel, sondern auch der Materialbestandteil Wismut ist besonders interessant. Aber welche Geheimnisse verstecken sich in diesem Exponat? Finden Sie es in diesem Objekt des Monats heraus.

Abb. 1: Miniaturkabinett Innenansicht, Schell Collection, Inv. Nr. 8639

Das Objekt

Inv. Nr.: 8639

Maße: 41 x 24,2 x 29 cm

Datierung: um 1560

Standort: 1. Stock, Vitrine 15

Das im 16. Jahrhundert aus Buchenholz geschaffene Kabinettkästchen (Abb. 1) besticht nicht nur durch seine florale Malerei auf Wismutgrund an der Außenseite. Auch im Inneren verbergen sich bemerkenswert ausgeführte Darstellungen von zwei Paaren, Porträtköpfe, Putti sowie Blumen und Rankenornamente in hellen und kräftigen Farben. Öffnet man die Frontklappe, so kommen neben den schönen Abbildungen auch einige Schubladen hervor. Dasselbe gilt beim Öffnen der Deckelklappe, unter der sich einige Fächer verbergen. Aber das alleine macht dieses Objekt nicht interessant. Das Geheimnisvolle versteckt sich hinter den Laden. Eine erstaunlich hohe Anzahl an geheimen Fächern schmückt dieses facettenreiche Exponat. Aber wo befinden sich diese Geheimfächer?

 

Geheimfächer

Abb. 2: Frontseite Miniaturkabinett

Begeben wir uns gemeinsam auf die Suche. Zu Geheimfächern zählen nur jene Laden, Fächer usw., die man nicht auf den ersten Blick lokalisieren kann. Wie entdeckt man das Verborgene? Am wichtigsten ist es die einzelnen Elemente genau unter die Lupe zu nehmen.

 

Abb. 3+4: Geheimfach im Mittelfach und Rückseite mit vielen kleinen Geheimfächern

Klappt man die Frontseite dieses Kabinetts (Abb. 2) nach unten, so erblickt man vier kleine Schubladen, ein Mittelfach sowie eine große Schublade. Beginnt man mit dem Öffnen der Türe des Mittelfachs ① und sieht sich dieses genauer an, so fällt einem auf, dass das innere quaderförmige Kästchen herausnehmbar ist (Abb. 3). Zieht man dieses ganz heraus und betrachtet die Rückseite so entdeckt man ein Blendbrett, welches man nach oben schieben kann. Dahinter kommen elf kleine Schubladen zum Vorschein (Abb. 4). Das war aber noch nicht alles. Hinter dem herausgenommenen quaderförmigen mittleren Fach, welches nun leer ist, finden sich im Objekt rechts und links jeweils drei Schubladen übereinander (Abb. 5+6). Somit kommen sechs weitere Fächer dazu.

Abb. 5+6: Geheimfächer hinter dem mittleren Fach in den Seiten

Widmen wir uns nun den Schubladen an der Schauseite. Zieht man die erste Schublade links oben ② heraus, so ist diese in vier kleine Fächer unterteilt. Dreht man sie auf die Rückseite und schiebt die rückseitige Wand nach oben, so kommt eine weitere Schublade (Abb. 7) zum Vorschein und man hat ein zusätzliches geheimes Fach. Dasselbe gilt für die obere rechte Lade ③. Wie bereits bei den vorherigen Fächern befindet sich das Spannende auf der Rückseite. Schiebt man wieder das Blendbrett nach oben, kommen zwei Laden zum Vorschein. Aber aufgepasst! Nimmt man diese beiden Schubladen mit dem Mittelteil ganz heraus, so sind zwei weitere Laden im hinteren Bereich (Abb. 8) zu finden. Somit hat man bei dieser Schublade vier weitere Geheimfächer gefunden. Alle übrigen Schubladen ④⑤⑥ auf der Frontseite sind einfache Laden ohne geheime Verstecke. Dies ergibt nun für den vorderen Bereich eine Anzahl von 22 Geheimfächern.

Abb. 7+8: Details weiterer Geheimfächer

Begeben wir uns nun in den oberen Abschnitt (Abb. 9) des Kabinetts. Den rechteckigen Grundriss kann man einmal quer in der Mitte teilen.

Abb. 9: Oberer Teil des Miniaturkabinetts, Schell Collection, Inv. Nr. 8639

Es findet sich ein langes Fach ⑦ mit einem aufklappbaren Deckel. Hier gibt es keine zusätzlichen Fächer. Betrachtet man die untere Hälfte, so sind links und rechts an den Ecken ein würfelförmiges Deckelfach und in der Mitte ein Negativfach zu sehen. Beim linken Fach ⑧ kann man nach dem Öffnen wie zuvor ein Blendbrett nach oben schieben. Darunter kommen zunächst wieder zwei Laden zum Vorschein. Auch hier sind die Fächer inklusive Mittelteil herausnehmbar und dahinter finden sich noch einmal zwei weitere Schubladen (Abb. 10). Bei dem rechten Fach ⑨ verhält es sich ähnlich. Nach dem Öffnen und Verschieben des Blendbretts findet sich darunter eine große Lade (Abb. 11).

Abb. 10+11: Geheimfächer im oberen Bereich des Kabinetts

Zählt man nun alle geheimen Fächer zusammen, kommt man auf 27 Verstecke, in denen man kleine Schmuckstücke, Andenken, Geld, Briefe oder andere Dinge sicher vor neugierigen Augen verbergen kann.

Bildprogramm

Als Besonderheit dieses Exponats stechen das Bildprogramm und die Farbgebung hervor. Außen ist das Kabinett mit einer alpenländischen Blütenpracht verziert. Innen stehen sich zwei Paare (Abb. 12) von höherem Stand zueinander gewandt in typischer Kleidung des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts gegenüber. Rundum zieren Liebessymbole das Geschehen. Gerade bei der Abbildung auf der Deckelinnenseite kann man das Bildprogramm noch sehr gut erkennen und analysieren.

Abb. 12: Deckelinnenseite des Miniaturkabinetts

Sehen wir uns zunächst die Darstellung des Mannes genauer an. Hervorsticht die eindrucksvolle Kopfbedeckung. Diese repräsentiert die damalige Art der großen, breitkrempigen Männerhüte, jene fallen einerseits durch gerade flache Krempen in verschiedenen Breiten, als andererseits auch durch einen geraden flachen Kopf auf. Die dargestellte Bedeckung wird von einem roten Zierband umschlungen und von mehreren langen Federn geschmückt. Der Hut ist weit in die Stirn hineingezogen und verdeckt somit einen Großteil seiner gelockten, langen, braunen Haare. Um den Hals trägt der Mann eine sogenannte Halskrause, welche ein waagrecht abstehender Kragen ist. Dieser steigt im Nacken leicht an und ist häufig in mehreren Lagen gekraust. Unabhängig vom Geschlecht trug man ihn bis ca. 1660, er war vor allem für die spanische Mode charakteristisch. Die aus Leinen gefertigte Krause konnte verschieden eng gerollt werden und prägte lange die Modewelt. Vermutlich ist die Oberbekleidung ein sogenanntes Wams, welches durch Achselwülste verbreiterte Schultern erzeugt. Häufig wurden auch zwei Wämse übereinander getragen, eines davon ärmellos. Über dem Obergewand, welches durch Knöpfe geschlossen wird, wurde die Halskrause angelegt. Als Pendant dienten dazu sogenannte Handkrausen an den Handgelenken, wie sie auch hier zu sehen sind. Die Ärmel sind wie am Bild weit und gebauscht. Um die Hüfte trägt der Mann einen schwarzen Gürtel mit Schwert und der grüne spitzenbesetzte Umhang wurde quer über der Schulter zusammengebunden. Das Obergewand geht über in die Heerpauke, welche als allgemeine Bezeichnung für die oberschenkelkurze spanische Hose dient. Besonders sind dabei die stark ausgestopften und kugelförmig wirkenden Beine. Abgeschlossen wird die rote Heerpauke von grünen Canons: Diese langen Strumpfbänder werden an den Knien seitlich zu einer Schlaufe gebunden. Die Beine des Mannes stecken in weißen Strümpfen und enden in schwarzen Schnallenschuhen mit Absatz.[1]

Kennzeichnend bei der Dame hingegen ist neben dem Gewand das sogenannte Fazoletto – ein kleines mit Spitzen oder Stickerei besetztes Taschentuch – welches sie in ihrer rechten Hand hält. Diese waren vor allem in Europa üblich und wurden stets sichtbar getragen.[2] Ihr Haar ist zu einer hohen Frisur geformt, welche die ebenso modische hohe Stirn betont. Oftmals wurde auch mit einem Drahtgestell für die Haare nachgeholfen. Auffallend ist der Kragen des Kleides. Gegenüber der Halskrause beim Mann hat hier die Frau einen sogenannten „Medici-Kragen“ umgelegt. Dieser rahmt das Dekolleté ein und ragt, unterstützt durch einen Draht über den ein Spitzenkragen gelegt wird, im Nacken auf. Dieser versteifte Kragen wurde hauptsächlich in Italien und Frankreich Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts getragen. Zu Beginn trug man ihn in Falten gelegt, er wurde aber mit den Jahren immer glatter und durch einen Unterkragen unterstützt.[3] Die Kleider der Renaissance, zu der auch das hier gezeigte zählt, zeichneten sich durch bodenlange und weite Röcke aus. Häufig waren es Zweiteiler, die durch eine Naht zusammengefügt wurden. Das Kleid sticht besonders durch seine rote Farbe hervor, welche häufig mit Macht und Gnade assoziiert wurde. Abgeschlossen wird es durch Spitze am Ausschnitt und am Saum des Kleides sowie durch Handkrausen an den Handgelenken.[4] Um die Taille legt sich ein bodenlanger goldener Gürtel, den die Dame mit ihrer Linken aufgreift. Gleichzeitig hält sie damit ihr Kleid nach oben, somit wird das hochwertige, grüne Unterkleid mit Goldfäden durchzogen sichtbar. Gürtel wurden oftmals als Zweck- oder Schmuckgegenstand verwendet. Zum Beispiel zum Zusammenhalten der Kleidung, zum Anbringen von Gebrauchsgegenständen oder auch zur Entlastung bei schweren Stoffen oder zur Betonung der Taille. Wenn dieser eine Überlänge hatte, konnte man ihn durch einen speziellen Haken am Kleid befestigen. Gerade gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren metallbeschlagene Taillenketten in Mode, was dazu führte, dass sich ein spezielles Gürtlerhandwerk herausbildete. Die fast ausschließlich aus Metall bestehende Zierkette wurde häufig passend zum Arm- oder Halsschmuck gewählt. Durch die immer präsenteren, versteiften Kleider wurde sie zunehmend nur mehr als reine Dekoration getragen.[5] Die Abbildung und die darauf gezeigte Mode der Dame weist eine Ähnlichkeit zum Porträt von Louise de Lorraine-Vaudémont (1553-1601) (Abb. 13) auf. Als Ehefrau Heinrichs III. war sie Königin von Frankreich in den Jahren 1575 bis 1589. Das Porträt wurde von der Schule des Künstlers François Clouet ca. 1575 gemalt und zeigt den prachtvollen Stil der Mode Ende 16. Jahrhunderts.

Abb. 13: Porträt Louise de Lorraine-Vaudémont, Werkstatt François Clouet, ca. 1575, Museum of Fine Arts, Houston, USA

Kaum zu erkennen ist das Bildprogramm auf der unteren Klappe. Durch die Jahre hat es starke Abnutzungen erlitten, aus diesem Grund ist das Bild nur mehr schwer zu erkennen. Die Farben des oberen Porträts sind besser erhalten, höchstwahrscheinlich wurde hier aber eine neue Farbschicht aufgetragen und eine Übermalung bzw. Ausbesserung vorgenommen. Dabei ist nicht sicher, inwieweit das Bild verändert wurde oder ob nur Farbkorrekturen erfolgten. Umgeben sind die Paare von Liebessymbolen, Beeren und Blumen, welche typisch für Kästchen mit Wismutgrund sind.

 

Material

Aber was ist Wismut überhaupt? Der offizielle Name wird im Lateinischen als Bismut bezeichnet, welches kein Mineral, sondern ein Schwermetall ist. Dabei wird angenommen, dass man das Metall bereits im 14. Jahrhundert für das Imitieren von Tinte verwendete. In der Kunst hatte Wismut ursprünglich den Zweck als Ersatz für Metallauflagen zu dienen. Beispielsweise für die Vortäuschung von Silberintarsien oder für die Erzielung eines Goldglanzeffekts. Wismut war im 19. Jahrhundert deutlich billiger als Silber oder Gold. Zum Ende dieses Jahrhunderts hatte beispielsweise Silber den zehnfachen Wert von Wismut und Gold sogar den einhundertfünfzigfachen. Daraus lässt sich schließen, dass man es als Ersatz verwendet hatte. Für die Jahrhunderte zuvor, also 16.-18. Jahrhundert, lassen sich laut der Wissenschaftlerin Küthe leider keine Preisvergleiche ziehen. [6]

Um 1450 kam es zu einem enormen Anstieg an Bedarf von Wismut. Das hing mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg zusammen. Das Problem bis dahin war, dass die Lettern dem Druck der Presse nicht standhalten konnten. Der Erfinder goss aber Buchstaben aus Erz und Zinn und verwendete dabei eine Wismutlegierung. Der Grund liegt im sehr niedrigen Schmelzpunkt mit 270 °C bei Wismut und sogar unter 100 °C bei einer Wismutlegierung. Dabei verflüssigt sich diese Legierung nach kurzer Zeit schnell und komplett, erstarrt durchaus härter gegenüber den einzelnen Bestandteilen. Das Metall wurde wässrig gebunden verarbeitet und nach dem Trocknen poliert, beispielsweise mit einem Achatstein.[7]

Als Beispiel mussten für die Herstellung eines solchen Holzkästchens zunächst die Objekte mit Kreidegrund aus Schlämmerkreide und Leimlösung grundiert werden. Anschließend streute man das metallische Wismutpulver auf und polierte bzw. glättete es mit einem Achatstein. Zusätzlich konnte die dabei entstandene silbrig glänzende Oberfläche mit einem dünnen gelblichen Lacküberzug ein goldähnliches Aussehen verliehen werden. Anschließend folgte die Bemalung mit Tempera- oder Leimfarben, welche in hellen und kräftigen Farben aufgetragen wurde und sich durch ihr buntes Bildprogramm auszeichneten.[8] Heute kommt häufig ein mechanisch hergestelltes Wismutpulver zum Einsatz.[9]

Die genauen Anfänge der Malerei mit Wismut können nicht bislang ausgemacht werden. Jedoch lässt sich Wismutmalerei bis 1480 zurückverfolgen und erfuhr eine rasche Entwicklung. Die Blütezeit kann ins 16. bzw. 17. Jahrhundert datiert werden, wobei der Höhepunkt bis zum 18. Jahrhundert hin abklingt. Da man diese Objekte einem breiten Publikum zugänglich machen wollte, entstanden verschiedene Preiskategorien. Je nach Ausführung gab es günstigere Serienprodukte für die niedere Gesellschaft oder preziös gearbeitete Einzelanfertigungen für die elitäre Bevölkerungsschicht. Auch das hier gezeigte Objekt war aufgrund seiner Qualität und der Geheimfächer vermutlich als spezielle Auftragsarbeit angefertigt worden. Das Hauptthema spielten dabei Blumenmuster, Paare, allegorische Figuren, biblische Szenen und Zierbänder. Wobei Liebes- und Treuesymbole zu den häufigsten Symbolen gehören. Vielfach wurden diese Objekte als Braut- und Minnekästchen gehandelt. Wenig Änderungen gestand man sich bei der Farbauswahl und den Symbolen über die Jahrhunderte zu, weshalb es sehr schwierig ist eine Datierung oder Provenienzbestimmung vorzunehmen.[10]

Die einfachen, aus Buchenholz geschaffenen, Behälter sind häufig zusammengenagelte Kästchen mit flachem Deckel, der mit Holzscharnieren fixiert wurde. Die neuere Forschung geht davon aus, dass der Lacküberzug für das Oxidieren angebracht wurde, die Meinungen unterscheiden sich hierbei. Mit Sicherheit kann man aber auf fast allen Kästchen feststellen, dass wegen der verschmutzten Bemalung immer wieder Reinigungen durchgeführt wurden, welche nach und nach die Deckelbilder zerstört haben. Oder auch Teile der Objekte oder Abbildungen nicht mehr zusammenpassen, da sie nachgebessert wurden, wie es hier bei der Darstellung der Paare der Fall ist. Die Kästchen sind in verschiedenen Werkstätten entstanden und wurden nicht signiert. Dies erschwert eine Zuschreibung oder genaue Zeiteinteilung. Jedoch kommt es durchaus vor, dass auf den Kästchen Jahreszahlen zu finden sind. Bekannt sind diese zwischen 1538 und 1599. Oftmals waren sie ein Mitbringsel von einem Ausflug in einen Badeort, wie z.B. Bad Wildbad. Zu Beginn waren Wismutmaler keiner Zunft angehörig, unter anderem weil die Zahl der Wismutmaler minimal war. Dies änderte sich mit dem Jahr 1613, in dem eine eigene Ordnung für die Kunstschaffenden bewilligt wurde.[11]

Aus Bad Wildbad stammten nicht nur drei von den acht Wismutmalern, die der Zunft zu Beginn angehörten. Neben dem Ort, ca. 20 km entfernt wurde in Neubulach neben Silber auch Wismut jahrhundertelang abgebaut.[12] Bad Wildbad war bis zum Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) eine der beliebtesten Badestätten im heutigen Deutschland. Ein Grund dafür war der häufige Besuch des württembergischen Graf Eberhart in Wildbad, der die Herzogswürde erhalten hatte. Bevor es zur Standes- und Geschlechtertrennung in Bädern kam, zog dieser hohe Gast weitere Gesellschaft, vor allem aus adeligem oder gebildetem Stand, an.[13]

Die Technik wurde wahrscheinlich durch wandernde Wismutmaler verbreitet, die von einem Ort zum nächsten gezogen sind. Jedoch kann heute nicht mehr festgestellt werden, wo der Ursprung der Technik liegt. In Bad Wildbad kann man die Malerei mit Wismut jedoch ab 1514 nachweisen. Auch die Erzeugung von Souvenirkästchen mit Wismutpulver ist dort belegt. In Nürnberg hingegen kannte man dies bereits seit dem 15. Jahrhundert, aber erst nach 1572 wurden die Kästchen im großen Stil hergestellt.[14]

Abb. 14: Rückansicht mit Reinigungsstelle

Restaurierung

Bevor Neuzugänge in der Schell Collection ihren endgültigen Platz finden, werden sie von einem unserer fachkundigen Restauratoren genau unter die Lupe genommen. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass der aufgebrachte Firnis – ein klarer, farbloser Schutzanstrich – unseres Exponats über Jahrzehnte hinweg stark nachgedunkelt ist. Bei einem kleinen Teil wurde aus diesem Grund der Anstrich gereinigt und entfernt. Hervor kam ein kräftiger Grünton, wie er auf dem Foto zu sehen ist (Abb. 14). Nun kann man sich besser vorstellen, wie die Farben der Kästchen mit Wismutgrund zur Zeit ihrer Entstehung in etwa ausgesehen haben müssen. Zudem wurde festgestellt, dass der Mittelteil und mehrere Geheimfächer wohl erneuert wurden. Dies erkennt man an der Farbgebung (Abb. 4) und an den neuen Holzplatten. Auch die Beschläge und verlorenen Teile wurden ersetzt. Wie zuvor erwähnt, wurde in der Vergangenheit auch die Darstellung im Deckel bearbeitet. Das lässt die andere Farbgebung und den besseren Erhaltungszustand erklären. Zudem kamen in diesem Zuge auch eine Vielzahl an, zuvor noch unentdeckten, Geheimfächern zum Vorschein. Wenn nun Ihr Interesse an versteckten Fächern geweckt ist, begeben Sie sich in der Schell Collection auf die Suche nach weiteren geheimnisvollen Objekten.

 

Text: Jasmin Längle, MA

 

 

Literaturverzeichnis

Apphuhn, Horst: Kleine Kästchen mit Malerei auf Wismutgrund. In: Die Renaissance im deutschen Südwesten zwischen Reformation und dreissigjährigem Krieg. Karlsruhe 1986, S. 791-801.

Barth, Franz: Wildbad, eine Hochburg der Wismutmalerei im 16. Jahrhundert, http://mianba.de/heimatforschung/texte/zeitreise/wismut.htm (Zugriff: 09.02.2006).

Barth, Fritz/Dr. Finke, Konrad (Heimat- und Geschichtsverein Oberes Enztal e.V.): Zur Geschichte von Bad Wildbad, https://www.bad-wildbad.de/de/ortsgeschichte/zur-geschichte-von-bad-wildbad-id_62/ (Zugriff: 03.07.2024).

Buchner, Georg: Ueber Wismutmalerei. In: Münchner kunsttechnische Blätter, IV. Jahrgang, Nr. 10 (1908), München.

Gold, Renate: Reconstruction and Analysis of Bismuth Painting. In: The Getty Conservation Institute (Hg): Painted Wood: History and Conservation. Singapore 1998, S. 166-178.

Küthe, Stefanie: Wismutkästchen – Bismut als Farbmittel, Dipl. Arb., München 2004.

Loschek, Ingrid: Reclams Mode- und Kostümlexikon. Stuttgart 2011.

Moller, Nadine: Kostümgeschichte, https://www.epochs-of-fashion.com/kost%C3%BCmgeschichte-de/renaissance/ und https://www.epochs-of-fashion.com/kost%C3%BCmgeschichte/mode-im-16-jahrhundert/ (Zugriff: 14.08.2024).

Von Lippmann, Edmund O.: Die Geschichte des Wismuts zwischen 1400 und 1800. Berlin 1930.

Wehlte, Kurt: The materials and techniques of painting. New York 2001.

Wullschleger, Sonja: Wismut und Wismutmalerei einst und heute. Ein vergessenes Kunsthandwerk. Schaffhausen 1969.

 

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1-13: Detailansichten der Geheimfächer des Kästchens auf Wismutgrund, Inv. Nr. 8639, stammt von: Schell Collection, Graz

Abb. 13: Porträt Louise de Lorraine-Vaudémont, Werkstatt François Clouet, ca. 1575, Museum of Fine Arts, Houston, USA, stammt von: https://emuseum.mfah.org/objects/35250/louise-de-lorraine?ctx=0cc7ff297f77961f5695404816d0c28036f38b29&idx=0 (Zugriff: 19.08.2024)

Abb. 14: Rückansicht mit Reinigungsstelle, Inv. Nr. 8639, stammt von: Schell Collection, Graz

 

[1] Vgl. Loschek, 2011, S. 38, 141, 242, 262, 474, 506.

[2] Ab 1595 wurden diese verzierten Tücher für die unteren Stände verboten und waren nur mehr der Oberschicht vorbehalten.

[3] Vgl. Loschek, 2011, S. 191, 243, 374.

[4] Vgl. Moller, o. A.

[5] Vgl. Loschek, 2011, S. 227-228.

[6] Vgl. Barth, 2006, o. A. und vgl. Küthe, 2004, S. 74-75.

[7] Vgl. Küthe, 2004, S. 10.

[8] Vgl. Wullschleger, 1969, S. 2.

[9] Vg. Küthe, 2004, S. 74.

[10] Vgl. Wullschleger, 1969, S. 1-6 und vgl. Küthe, 2004, S. 74.

[11] Vgl. Apphuhn, 1986, S. 791-794.

[12] Vgl. Barth, 2006, o.A.

[13] Vgl. Barth/Finke, o.A.

[14] Vgl. Küthe, 2004, S. 13 und vgl. Barth, 2006, o. A.