„Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“[1]:
Eine Perlmuttkassette mit einer Miniaturmalerei von Balthasar Wigand
Auch bereits vor rund 200 Jahren haben vermögende Menschen – die Mehrheit der damals lebenden europäischen Bevölkerung verfügte nicht über ausreichend finanzielle Mittel – von Ausflügen aufs Land oder aus anderen Städten gerne Souvenirs mitgenommen. Besuchten sie die Stadt Wien oder ihre Umgebung, leisteten sie sich mitunter eine kleine Kassette mit Landschafts- oder Städtedarstellungen als Andenken. In der Schell Collection ist im 1. Stock eine zierliche Perlmuttkassette mit einer Gouache-Malerei von Balthasar Wigand ausgestellt, die so ein Reisemitbringsel sein könnte. Sie stammt aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde wahrscheinlich in Österreich angefertigt. Als Objekt des Monats September eignet sich diese kleine Kassette gut – viele Menschen haben in den Sommermonaten ferne Länder besucht und kleine Andenken gekauft.
Zur Lebensgeschichte des Malers Balthasar Wigand
Der Erschaffer der Malerei auf der kleinen Kassette, Balthasar Wigand, war ein österreichischer Maler im Spannungsfeld des klassizistischen und romantischen Erbes: des Biedermeiers. Im Bereich der Malerei und Zeichnung reiht er sich unter anderen bekannten Malern seiner Zeit, wie Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich Amerling oder Rudolf von Alt, ein. Er wurde am 30. November 1770 als Johann Baptist Balthasar (Andreas) Wigand geboren. Am 7. Juni 1846 starb Wigand in Felixdorf bei Wiener Neustadt.[2] Gegenwärtig bezeichnet man ihn als Spezialisten für „fein gemalte Miniatur-Veduten“[3], der auch einen Werkstattbetrieb besaß, um dort Miniaturen für Kassetten oder Lampenschirme herzustellen.[4]
Das Objekt, verwendetes Material und Technik
Inventarnummer: 7204 aus der Vitrine 12 im ersten Stock.
Maße: Länge 17 cm, Breite 12,30 cm, Höhe 5,30 cm.
Das Objekt hat eine rechteckige Form und besitzt eine Perlmuttauflage. Der Deckel besteht aus einer Gouache-Malerei mit einer Randverzierung. Perlmutt wird von Muscheln, Schnecken und anderen Weichtieren aus der inneren oder mittleren Schalenschicht gewonnen.[5] Das Material gehört (neben Schildpatt, Korallen, Horn oder Elfenbein) zu jenen tierischen Rohstoffen, die aufgrund ihrer glänzenden Eigenschaften das Interesse des Betrachters/der Betrachterin wecken und kostbarem Edelstein ähneln. Ausgeschnitten oder durchbohrt, als Anhänger getragen oder als Einlegearbeit, verfügt Perlmutt über die Besonderheit, im Laufe des Kunstschaffens der Menschheit verschiedenste Kulturen und Epochen zu beeinflussen.[6] Als Rohstoff zur Verarbeitung kommen nur wenige Muschelarten in Frage, weil die meisten nur eine dünne Schicht besitzen oder zu klein sind.[7] Im Europa des 19. Jahrhunderts genoss Perlmutt als Bearbeitungsstoff für zahlreiche Künstler und Kunsthandwerker einen hohen Stellenwert. Möbelstücke wurden vielfältig gestaltet und gerade für den Adel bedeutete ein Schmuckstück aus oder mit eingearbeitetem Perlmutt einen Ausdruck von Reichtum.[8] Die Maltechnik auf der Kassette – die Gouache (kommt vom italienischen „guazzo“ und heißt so viel wie Lache[9]) – arbeitet mit deckenden, wasserlöslichen Farben in Verbindung mit Bindemitteln und Deckweiß. Daher wirken die Farben eher matt. Nach dem Trocknen ergibt sich eine pastellähnliche Wirkung.[10]
Auf der Malerei der Kassette steht geschrieben: „Wien und das Belveder“. Im Hintergrund der Malerei nimmt der Himmel einen großen Bereich ein und das Schloss Belvedere ist rechts zu sehen. Es war zunächst das Sommerschloss des Prinzen Eugen von Savoyen (1663– 1736), das er erbauen ließ. Die Bezeichnung „Belvedere“ stammt aber erst später aus der Zeit von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780). Nach dem Tod des Prinzen gelangte das Schloss über Umwege an Maria Theresia und ihr Sohn Joseph II. (1741–1790) ließ dorthin die kaiserliche Gemäldegalerie umsiedeln, die der Öffentlichkeit zugänglich war. Heute ist das Schloss Belvedere unter anderem dafür bekannt, dass der österreichische Staatsvertrag an diesem Ort am 15. Mai 1955 unterzeichnet wurde.[11]
Zurück zur Kassette: Im Vordergrund ist eine gerade Straße erkennbar (wahrscheinlich der heutige Wiedner Gürtel), die parallel zum unteren Bildrand verläuft. Mehrere Personen und eine Kutsche befinden sich auf ihr. Im Hintergrund sind gut erkennbar von links nach rechts die Karlskirche, der Stephansdom und das Schloss Belvedere zu sehen. Auf der Vorderseite der Kassette befindet sich ein verziertes Schlüsselloch.
Ein kleiner Schlüssel ist auch noch dabei. Öffnet man die Kassette vorsichtig, sieht man auf der Innenseite des Deckels einen angebrachten Spiegel mit einer beigen Schnurumrandung.
Biedermeier – Die Zeit der Schlichtheit und des bescheidenen Geschmacks
Die Entstehungszeit dieser kunstvoll gefertigten Kassette liegt zwischen den Napoleonischen Kriegen (1792–1815) und der bürgerlichen Revolution 1848. Es herrschte eine Zeit des relativen Friedens und der wirtschaftlichen Stabilität. Diese Epoche wird in der Kunst und Kultur „Biedermeier“ genannt. Merkmale dieser – vom Bürgertum geprägten – Lebensweise sind schlichte und einfache Gestaltung sowie ein „bescheidener Geschmack“[12]. Geografisch lässt sich der Biedermeierstil in die Gebiete Deutschlands und Dänemarks sowie dem vormaligen Kaiserreichs Österreich zuordnen. Mit der politischen Neuordnung Europas 1815 auf dem Wiener Kongress erhielt Österreich die Republik Venedig, Tirol und Vorarlberg, Salzburg sowie Regionen Kroatiens (Istrien und Dalmatien).[13] Damit erlangte Wien als Hauptstadt der Habsburger-Monarchie eine politische, aber auch kulturelle Vormachtstellung. Die dortige Kunstakademie zog Künstler aus ganz Europa an.[14] Unter den Vorzeichen von Schlichtheit und Vernunft entwickelte sich mit der Zeit ein von der Aufklärung beeinflusstes Bild einer idealisierten Natur.[15] Die Landschaftsdarstellung auf der Kassette reiht sich in diese Vorstellung ein. Die matte Farbgebung der Malerei, Gelb-Grün und Grün-Blau, steht für das menschliche Geistes- und Seelenleben des Verstandes und der Sinnlichkeit.[16] Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von einer romantischen Empfindsamkeit, kreativen Austauschs und dem neu aufkommenden Drang in die Ferne. Reisesouvenirs (Becher, Tassen oder Teller) mit Darstellungen der besuchten Orte waren willkommene Erinnerungen.[17] Zeichnungen von Städten und Landschaften zeugten vom großen Interesse an Architektur.[18]
Baden bei Wien – Bade- und Kurort
Diese kleinen Kassetten dienten – unter anderem – als Souvenirs. Wie passt das zu Wien oder generell zu Wigand? Dazu muss man wissen, dass der Kurort Baden bei Wien zur damaligen Zeit für Sommergäste äußerst beliebt war – wie auch heute noch. Viele Menschen, darunter Künstler und Musiker wie Ludwig van Beethoven oder eben auch Balthasar Wigand, schätzten die Kurstadt für die Sommerfrische. Es entstanden Theater, Salons und Landhäuser. In den Jahren zwischen 1794 bis 1820 erlebte die Stadt einen regelrechten Bauboom.[19] Das Kurwesen spielte dabei für viele Menschen eine besondere Rolle. Mit der Gesundheitsversorgung stand es nämlich nicht zum Besten. Die Menschen wollten aus den verschmutzten Städten fliehen und so trugen Kurorte mit ihrer guten Luft, ihren Heilquellen und Heilmooren zur Gesundheitsverbesserung bei.[20] Als kleines Andenken kauften die Menschen diese kleinen Kassetten.
Text: Helga Kreutzer, BA.
Literaturverzeichnis:
Büttner, Andreas: Perlmutt. Von der Faszination eines göttlichen Materials. Dissertation, Köln 1998.
Gouache. In: Kunstlexikon. Wien 1996, S. 582.
Hornyik, Hans: Baden bei Wien: historische Entwicklung als Kur- und Badestadt und Teil des geplanten UNESCO-Weltkulturerbes „Great Spas of Europe“. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 17–22.
Möller, Karin Annette: Schimmern aus der Tiefe. Muscheln Perlen Nautilus. (Ausstellung Schimmern aus der Tiefe. Muscheln, Perlen, Nautilus. Staatliches Museum Schwerin – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten 14. Juni – 15. September 2013). Petersberg 2013.
N.N.: Balthasar Wigand (1770 – 1846). Bilder und Kunsthandwerk aus Empirie und Biedermeier, 51. (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz 22. September bis 20. November 1977). Wien 1977.
Reichert-Freude, Susanna: Bäder – Medizinhistorische Entwicklung niederösterreichischer Kurorte im 19. Jahrhundert. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 13–17.
Vocelka, Karl: Geschichte Österreich. Kultur – Gesellschaft – Politik. 8. Auflage. München 2002.
Winters, Laurie: Die Wiederentdeckung des Biedermeier. In: Hans Ottomeyer/Klaus Albrecht Schröder/dies. (Hg.): Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit. (Ausstellung Milwaukee Art Museum, 16. September 2006 bis 1. Januar 2007; Albertina, Wien, 2. Februar bis 13. Mai 2007) Ostfildern 2006, S. 31–41.
[2] Vgl. Balthasar Wigand (1770 – 1846). Bilder und Kunsthandwerk aus Empirie und Biedermeier. 51. (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz 22. September bis 20. November 1977). Wien 1977, S. 11.
[8] Vgl. Karin Annette Möller: Schimmern aus der Tiefe. Muscheln Perlen Nautilus. (Ausstellung Schimmern aus der Tiefe. Muscheln, Perlen, Nautilus. Staatliches Museum Schwerin – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten 14. Juni – 15. September 2013). Petersberg 2013, S. 308.
[9] Vgl. Gouache. In: Kunstlexikon. Wien 1996, S. 582.
[12] Laurie Winters: Die Wiederentdeckung des Biedermeier. In: Hans Ottomeyer/Klaus Albrecht Schröder/dies. (Hg.): Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit. (Ausstellung Milwaukee Art Museum, 16. September 2006 bis 1. Januar 2007; Albertina, Wien, 2. Februar bis 13. Mai 2007). Ostfildern 2006, S. 31–41, hier S. 32.
[13] Vgl. Karl Vocelka: Geschichte Österreich. Kultur – Gesellschaft – Politik. 8. Auflage. München 2002, S. 176.
[14] Vgl. Winters: Die Wiederentdeckung des Biedermeier, S. 32–33.
[15] Vgl. Dagmar Lutz: Die Kunst des Biedermeier. Stuttgart 2010, S. 6.
[19] Vgl. Hans Hornyik: Baden bei Wien: historische Entwicklung als Kur- und Badestadt und Teil des geplanten UNESCO-Weltkulturerbes „Great Spas of Europe“. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 17–22, hier S. 18–19.
[20] Vgl. Susanna Reichert-Freude: Bäder – Medizinhistorische Entwicklung niederösterreichischer Kurorte im 19. Jahrhundert. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 13–17, hier S. 14–15.
Objekt des Monats September 2022
„Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“[1]:
Eine Perlmuttkassette mit einer Miniaturmalerei von Balthasar Wigand
Auch bereits vor rund 200 Jahren haben vermögende Menschen – die Mehrheit der damals lebenden europäischen Bevölkerung verfügte nicht über ausreichend finanzielle Mittel – von Ausflügen aufs Land oder aus anderen Städten gerne Souvenirs mitgenommen. Besuchten sie die Stadt Wien oder ihre Umgebung, leisteten sie sich mitunter eine kleine Kassette mit Landschafts- oder Städtedarstellungen als Andenken. In der Schell Collection ist im 1. Stock eine zierliche Perlmuttkassette mit einer Gouache-Malerei von Balthasar Wigand ausgestellt, die so ein Reisemitbringsel sein könnte. Sie stammt aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde wahrscheinlich in Österreich angefertigt. Als Objekt des Monats September eignet sich diese kleine Kassette gut – viele Menschen haben in den Sommermonaten ferne Länder besucht und kleine Andenken gekauft.
Zur Lebensgeschichte des Malers Balthasar Wigand
Der Erschaffer der Malerei auf der kleinen Kassette, Balthasar Wigand, war ein österreichischer Maler im Spannungsfeld des klassizistischen und romantischen Erbes: des Biedermeiers. Im Bereich der Malerei und Zeichnung reiht er sich unter anderen bekannten Malern seiner Zeit, wie Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich Amerling oder Rudolf von Alt, ein. Er wurde am 30. November 1770 als Johann Baptist Balthasar (Andreas) Wigand geboren. Am 7. Juni 1846 starb Wigand in Felixdorf bei Wiener Neustadt.[2] Gegenwärtig bezeichnet man ihn als Spezialisten für „fein gemalte Miniatur-Veduten“[3], der auch einen Werkstattbetrieb besaß, um dort Miniaturen für Kassetten oder Lampenschirme herzustellen.[4]
Das Objekt, verwendetes Material und Technik
Inventarnummer: 7204 aus der Vitrine 12 im ersten Stock.
Maße: Länge 17 cm, Breite 12,30 cm, Höhe 5,30 cm.
Das Objekt hat eine rechteckige Form und besitzt eine Perlmuttauflage. Der Deckel besteht aus einer Gouache-Malerei mit einer Randverzierung. Perlmutt wird von Muscheln, Schnecken und anderen Weichtieren aus der inneren oder mittleren Schalenschicht gewonnen.[5] Das Material gehört (neben Schildpatt, Korallen, Horn oder Elfenbein) zu jenen tierischen Rohstoffen, die aufgrund ihrer glänzenden Eigenschaften das Interesse des Betrachters/der Betrachterin wecken und kostbarem Edelstein ähneln. Ausgeschnitten oder durchbohrt, als Anhänger getragen oder als Einlegearbeit, verfügt Perlmutt über die Besonderheit, im Laufe des Kunstschaffens der Menschheit verschiedenste Kulturen und Epochen zu beeinflussen.[6] Als Rohstoff zur Verarbeitung kommen nur wenige Muschelarten in Frage, weil die meisten nur eine dünne Schicht besitzen oder zu klein sind.[7] Im Europa des 19. Jahrhunderts genoss Perlmutt als Bearbeitungsstoff für zahlreiche Künstler und Kunsthandwerker einen hohen Stellenwert. Möbelstücke wurden vielfältig gestaltet und gerade für den Adel bedeutete ein Schmuckstück aus oder mit eingearbeitetem Perlmutt einen Ausdruck von Reichtum.[8] Die Maltechnik auf der Kassette – die Gouache (kommt vom italienischen „guazzo“ und heißt so viel wie Lache[9]) – arbeitet mit deckenden, wasserlöslichen Farben in Verbindung mit Bindemitteln und Deckweiß. Daher wirken die Farben eher matt. Nach dem Trocknen ergibt sich eine pastellähnliche Wirkung.[10]
Auf der Malerei der Kassette steht geschrieben: „Wien und das Belveder“. Im Hintergrund der Malerei nimmt der Himmel einen großen Bereich ein und das Schloss Belvedere ist rechts zu sehen. Es war zunächst das Sommerschloss des Prinzen Eugen von Savoyen (1663– 1736), das er erbauen ließ. Die Bezeichnung „Belvedere“ stammt aber erst später aus der Zeit von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780). Nach dem Tod des Prinzen gelangte das Schloss über Umwege an Maria Theresia und ihr Sohn Joseph II. (1741–1790) ließ dorthin die kaiserliche Gemäldegalerie umsiedeln, die der Öffentlichkeit zugänglich war. Heute ist das Schloss Belvedere unter anderem dafür bekannt, dass der österreichische Staatsvertrag an diesem Ort am 15. Mai 1955 unterzeichnet wurde.[11]
Zurück zur Kassette: Im Vordergrund ist eine gerade Straße erkennbar (wahrscheinlich der heutige Wiedner Gürtel), die parallel zum unteren Bildrand verläuft. Mehrere Personen und eine Kutsche befinden sich auf ihr. Im Hintergrund sind gut erkennbar von links nach rechts die Karlskirche, der Stephansdom und das Schloss Belvedere zu sehen. Auf der Vorderseite der Kassette befindet sich ein verziertes Schlüsselloch.
Ein kleiner Schlüssel ist auch noch dabei. Öffnet man die Kassette vorsichtig, sieht man auf der Innenseite des Deckels einen angebrachten Spiegel mit einer beigen Schnurumrandung.
Biedermeier – Die Zeit der Schlichtheit und des bescheidenen Geschmacks
Die Entstehungszeit dieser kunstvoll gefertigten Kassette liegt zwischen den Napoleonischen Kriegen (1792–1815) und der bürgerlichen Revolution 1848. Es herrschte eine Zeit des relativen Friedens und der wirtschaftlichen Stabilität. Diese Epoche wird in der Kunst und Kultur „Biedermeier“ genannt. Merkmale dieser – vom Bürgertum geprägten – Lebensweise sind schlichte und einfache Gestaltung sowie ein „bescheidener Geschmack“[12]. Geografisch lässt sich der Biedermeierstil in die Gebiete Deutschlands und Dänemarks sowie dem vormaligen Kaiserreichs Österreich zuordnen. Mit der politischen Neuordnung Europas 1815 auf dem Wiener Kongress erhielt Österreich die Republik Venedig, Tirol und Vorarlberg, Salzburg sowie Regionen Kroatiens (Istrien und Dalmatien).[13] Damit erlangte Wien als Hauptstadt der Habsburger-Monarchie eine politische, aber auch kulturelle Vormachtstellung. Die dortige Kunstakademie zog Künstler aus ganz Europa an.[14] Unter den Vorzeichen von Schlichtheit und Vernunft entwickelte sich mit der Zeit ein von der Aufklärung beeinflusstes Bild einer idealisierten Natur.[15] Die Landschaftsdarstellung auf der Kassette reiht sich in diese Vorstellung ein. Die matte Farbgebung der Malerei, Gelb-Grün und Grün-Blau, steht für das menschliche Geistes- und Seelenleben des Verstandes und der Sinnlichkeit.[16] Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von einer romantischen Empfindsamkeit, kreativen Austauschs und dem neu aufkommenden Drang in die Ferne. Reisesouvenirs (Becher, Tassen oder Teller) mit Darstellungen der besuchten Orte waren willkommene Erinnerungen.[17] Zeichnungen von Städten und Landschaften zeugten vom großen Interesse an Architektur.[18]
Baden bei Wien – Bade- und Kurort
Diese kleinen Kassetten dienten – unter anderem – als Souvenirs. Wie passt das zu Wien oder generell zu Wigand? Dazu muss man wissen, dass der Kurort Baden bei Wien zur damaligen Zeit für Sommergäste äußerst beliebt war – wie auch heute noch. Viele Menschen, darunter Künstler und Musiker wie Ludwig van Beethoven oder eben auch Balthasar Wigand, schätzten die Kurstadt für die Sommerfrische. Es entstanden Theater, Salons und Landhäuser. In den Jahren zwischen 1794 bis 1820 erlebte die Stadt einen regelrechten Bauboom.[19] Das Kurwesen spielte dabei für viele Menschen eine besondere Rolle. Mit der Gesundheitsversorgung stand es nämlich nicht zum Besten. Die Menschen wollten aus den verschmutzten Städten fliehen und so trugen Kurorte mit ihrer guten Luft, ihren Heilquellen und Heilmooren zur Gesundheitsverbesserung bei.[20] Als kleines Andenken kauften die Menschen diese kleinen Kassetten.
Text: Helga Kreutzer, BA.
Literaturverzeichnis:
Büttner, Andreas: Perlmutt. Von der Faszination eines göttlichen Materials. Dissertation, Köln 1998.
Gouache. In: Kunstlexikon. Wien 1996, S. 582.
Hornyik, Hans: Baden bei Wien: historische Entwicklung als Kur- und Badestadt und Teil des geplanten UNESCO-Weltkulturerbes „Great Spas of Europe“. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 17–22.
Möller, Karin Annette: Schimmern aus der Tiefe. Muscheln Perlen Nautilus. (Ausstellung Schimmern aus der Tiefe. Muscheln, Perlen, Nautilus. Staatliches Museum Schwerin – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten 14. Juni – 15. September 2013). Petersberg 2013.
N.N.: Balthasar Wigand (1770 – 1846). Bilder und Kunsthandwerk aus Empirie und Biedermeier, 51. (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz 22. September bis 20. November 1977). Wien 1977.
Reichert-Freude, Susanna: Bäder – Medizinhistorische Entwicklung niederösterreichischer Kurorte im 19. Jahrhundert. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 13–17.
Vocelka, Karl: Geschichte Österreich. Kultur – Gesellschaft – Politik. 8. Auflage. München 2002.
Winters, Laurie: Die Wiederentdeckung des Biedermeier. In: Hans Ottomeyer/Klaus Albrecht Schröder/dies. (Hg.): Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit. (Ausstellung Milwaukee Art Museum, 16. September 2006 bis 1. Januar 2007; Albertina, Wien, 2. Februar bis 13. Mai 2007) Ostfildern 2006, S. 31–41.
Onlinequellen:
Balthasar Wigand. Online unter: https://www.kovacek.at/de/13506/balthasar-wigand (Zugriff: 02.08.2022).
Das Belvedere. Online unter: https://austria-forum.org/af/AEIOU/Belvedere (Zugriff: 02.08.2022).
Gouache. Online unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Gouache#bedeutungen (Zugriff: 02.08.2022).
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1-4: Hannah Konrad, Schell Collection.
Nachweise:
[1] Matthias Claudius: 1000 Zitate. Online unter: https://1000-zitate.de/11099/Wenn-jemand-eine-Reise-tut-so.html (Zugriff: 30.08.2022).
[2] Vgl. Balthasar Wigand (1770 – 1846). Bilder und Kunsthandwerk aus Empirie und Biedermeier. 51. (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz 22. September bis 20. November 1977). Wien 1977, S. 11.
[3] Balthasar Wigand. Online unter: https://www.kovacek.at/de/13506/balthasar-wigand (Zugriff: 02.08.2022).
[4] Vgl. ebd.
[5] Vgl. Vgl. Andreas Büttner: Perlmutt. Von der Faszination eines göttlichen Materials. Dissertation, Köln 1998, S. 11.
[6] Vgl. ebd., S. 7.
[7] Vgl. ebd., S. 12.
[8] Vgl. Karin Annette Möller: Schimmern aus der Tiefe. Muscheln Perlen Nautilus. (Ausstellung Schimmern aus der Tiefe. Muscheln, Perlen, Nautilus. Staatliches Museum Schwerin – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten 14. Juni – 15. September 2013). Petersberg 2013, S. 308.
[9] Vgl. Gouache. In: Kunstlexikon. Wien 1996, S. 582.
[10] Vgl. Gouache. Online unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Gouache#bedeutungen (Zugriff: 02.08.2022).
[11] Vgl. Das Belvedere. Online unter: https://austria-forum.org/af/AEIOU/Belvedere (Zugriff: 02.08.2022).
[12] Laurie Winters: Die Wiederentdeckung des Biedermeier. In: Hans Ottomeyer/Klaus Albrecht Schröder/dies. (Hg.): Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit. (Ausstellung Milwaukee Art Museum, 16. September 2006 bis 1. Januar 2007; Albertina, Wien, 2. Februar bis 13. Mai 2007). Ostfildern 2006, S. 31–41, hier S. 32.
[13] Vgl. Karl Vocelka: Geschichte Österreich. Kultur – Gesellschaft – Politik. 8. Auflage. München 2002, S. 176.
[14] Vgl. Winters: Die Wiederentdeckung des Biedermeier, S. 32–33.
[15] Vgl. Dagmar Lutz: Die Kunst des Biedermeier. Stuttgart 2010, S. 6.
[16] Vgl. ebd., S. 10.
[17] Vgl. ebd., S. 14.
[18] Vgl. ebd., S. 48.
[19] Vgl. Hans Hornyik: Baden bei Wien: historische Entwicklung als Kur- und Badestadt und Teil des geplanten UNESCO-Weltkulturerbes „Great Spas of Europe“. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 17–22, hier S. 18–19.
[20] Vgl. Susanna Reichert-Freude: Bäder – Medizinhistorische Entwicklung niederösterreichischer Kurorte im 19. Jahrhundert. In: Amt der NÖ Landesregierung (Hg.): Bade- und Kuranstalten 56, S. 13–17, hier S. 14–15.